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Elektrotechnik

Die Elektrotechnik, die praktische Anwendung der Gesetze der Elektrizität, befasst sich mit der Erzeugung, Übertragung, Umwandlung und Nutzung der elektrischen Energie. Man unterscheidet die Starkstromtechnik oder elektrische Energietechnik und die Schwachstromtechnik, die in der Telekommunikation angewendet wird. Dazu gehört auch die Elektronik, welche in der Schweiz einen wichtigen Produktionszweig darstellt. Innerhalb von zehn Jahren entwickelte sich die 1981 gegründete Logitech zur weltweit führenden Herstellerin von Computermäusen und anderem Zubehör für Computer.

Wie oft bei neuen Technologien mussten auch die Pioniere der Starkstromtechnik, die sich 1889 zum Schweizerischen Elektrotechnischen Verein (SEV) zusammenschlossen, nicht nur der Konkurrenz die Stirn bieten (Anbietern anderer Energieträger wie z.B. Gas), sondern auch interne Gegensätze beseitigen. So war es ihre Aufgabe, sich bei der Errichtung des Stromversorgungsnetzes für eines der zwei möglichen Systeme zu entscheiden.

Vielfältige Versorgungsnetze

In den 1880er Jahren lieferten sich die Anhänger des Gleichstroms und jene des Wechselstroms einen heftigen Kampf. Letzterer trat seinen Siegeszug an, nachdem seine Überlegenheit 1891 an der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main durch die von einer 200 PS Turbine erzeugte Drehstromübertragung über 174 km (Nutzeffekt 75%) demonstriert worden war.

In der Schweiz entschied sich die Mehrheit der Netzbauer und Ausrüstungslieferanten früh für den Wechselstrom, so dass der Gleichstrom rasch verdrängt wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts lieferte noch fast die Hälfte aller Kraftwerke und Verteilnetze Gleichstrom, 1915 war dieser Anteil auf 30% gesunken. Während einiger Jahrzehnte bestanden jedoch noch beide Systeme nebeneinander. Beispielsweise setzte der Genfer Ausrüstungsanbieter (Elektroindustrie) für grosse Distanzen weiterhin auf den Gleichstrom. Zudem konnte beim Wechselstrom die Phasenzahl (ein-, zwei- oder dreiphasiger Wechselstrom) und die Frequenz (33,5 bis 60 Hertz) variieren. Bezüglich der Netzbetreiber stellt sich die Frage, ob sich die einzelnen Produzenten bewusst voneinander unterscheiden wollten oder ob die Vielfalt auf das fehlende Vertrauen in eine einheitliche Lösung zurückzuführen war. In der ganzen Schweiz wiesen die grössten Netze kombinierte Systeme auf.

Versorgungsleitung für den städtischen Strom am Ufer der Aarstrasse in Bern, 1891 (Historisches Archiv ABB Schweiz, Baden).
Versorgungsleitung für den städtischen Strom am Ufer der Aarstrasse in Bern, 1891 (Historisches Archiv ABB Schweiz, Baden). […]

Für das Kraftwerk Chèvres (1896) wählte Genf den Zweiphasenstrom, verwendete jedoch zwei Lösungen: eine unterirdische Leitung mit 2750 Volt für die Stromversorgung der Stadt, deren altes Netz mit Gleichstrom und einphasigem Wechselstrom funktionierte, und eine einphasige Oberleitung mit 5000 Volt für die Versorgung des Kantons. In den Industriestädten Le Locle und La Chaux-de-Fonds bestand ab 1898 ein gänzlich auf Gleichstrom beruhendes System. Das Werkamt von Lausanne führte 1902 ein eigenes System ein: Im Kraftwerk von Saint-Maurice erzeugter Gleichstrom wurde bis Lausanne transportiert und dort für die Verteilung in dreiphasigen Wechselstrom umgewandelt. Die ländlichen Gebiete wurden ab 1904 von der Waadtländer Elektrizitätsgesellschaft mit einem Doppelsystem (dreiphasiger Kraftstrom und einphasiger Lichtstrom) versorgt. Auch in der Deutschschweiz zeigte sich eine grosse Vielfalt: Die Stadt Bern verwendete ab 1891 Gleichstrom, Zürich ab 1892 einphasigen Wechselstrom. Dagegen setzten die einflussreichen Bernischen Kraftwerke auf dreiphasigen Wechselstrom, das System der Zukunft, doch wählten sie eine Frequenz von 40 Hertz und mussten deshalb in der Zwischenkriegszeit einen teuren Netzumbau vornehmen. Die SBB wiederum verwendeten ab Ende 1915 Einphasenstrom mit 16 2/3 Hertz und schufen damit eine zusätzliche technische Insel.

Vereinheitlichung und Verbundnetze

Nach dem Ersten Weltkrieg fand eine Vereinheitlichung der verschiedenen Systeme statt. Als beste Lösung erschien Dreiphasen-Wechselstrom (Drehstrom) mit 50 Hertz. Dieser 1916 vom Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband unterbreitete Vorschlag kam zu einem besonders günstigen Zeitpunkt: Ein einziges System und die Zusammenarbeit der Unternehmen hatten den Vorteil, dass die während des Krieges knappen Energieressourcen besser genutzt werden konnten. Ab 1918 entstanden auf diesem System beruhende nationale Verbundnetze. Für grosse Distanzen setzte sich eine Leitungsspannung von 50'000 Volt durch, für die Verteilung an Haushalte und Gewerbe eine solche von 220/380 Volt. Bis dahin waren nur Kraftwerke miteinander verbunden, die einem einzigen Betreiber (Elektrizitätswirtschaft) gehörten. Ein Beispiel dafür ist das Laufkraftwerk Beznau (Gemeinde Döttingen), das 1908 mit dem Speicherkraftwerk am Löntsch (Netstal, heute Gemeinde Glarus) zusammengeschaltet wurde. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann mit der Errichtung internationaler Verbundnetze eine neue, wichtige Etappe der Stromversorgung. 1951 ging aus der Zusammenarbeit einiger europäischer Länder in einem sogenannten Elektrizitätskomitee die Union für die Koordinierung der Erzeugung und des Transportes elektrischer Energie (UCPTE) hervor. 1958 schlossen sich die Ländernetze von Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz zusammen. Ab den 1950er Jahren wurden Hochspannungsleitungen mit 400'000 Volt errichtet und die Niederspannung auf 230/400 Volt erhöht.

Quellen und Literatur

  • J. Mutzner, Die Stromversorgung der Schweiz, 1995
  • D. Gugerli, Redeströme, 1996, 93-131
  • S. Paquier, Histoire de l'électricité en Suisse, 1998, 57-124, 723-907
Weblinks

Zitiervorschlag

Serge Paquier: "Elektrotechnik", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 25.11.2016, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013890/2016-11-25/, konsultiert am 16.09.2024.