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Nachrichten

Der Begriff Nachricht steht ganz allgemein für Botschaft, Mitteilung und Meldung, d.h. für die Informationen, die in einem Kommunikationsprozess mitgeteilt werden. Die Kulturgeschichte ist wesentlich davon geprägt, welche Formen der Nachrichten- und Informationsvermittlung der Gesellschaft bzw. deren Mitgliedern zur Verfügung stehen. Nachrichten können mündlich oder schriftlich kommuniziert werden. Die Speicherung von Nachrichten durch deren Verschriftlichung oder Aufzeichnung auf Ton-, Bild- und Datenträger (z.B. Schallplatte, Tonband, Diskette) ermöglicht die zeitverschobene Übermittlung über weite Distanzen. Bei der Nachrichtenübermittlung lassen sich zwei Grundformen unterscheiden. Der Transport von Nachrichten mit Hilfe von Boten dient vor allem dem schriftlichen Verkehr. Befördert werden Briefe, Drucksachen und andere Speicherformen, aber auch Personen als Träger von Informationen. Die Übermittlung von Nachrichten (Zeichen, Töne, Bilder) mittels technischer Kanäle erlaubt dagegen höhere Verbreitungsgeschwindigkeiten als Botendienste. Hierzu zählen die unterschiedlichen Formen der Telegrafie (Telegraf) und die Telefonie (Telefon), die beide über meist feste Adressaten verfügen, die rundfunkartige Kommunikation für ein disperses Publikum (Radio und Fernsehen), sowie das Internet.

Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Presse und moderner journalistischer Massenmedien hat sich eine spezifische Bedeutung des Nachrichtenbegriffs herausgebildet: Im Journalismus ist eine Nachricht eine deskriptive Aussage über einen aktuellen Sachverhalt von allgemeinem Interesse. Darüber, was Gegenstand einer Nachricht wird, entscheidet ein publizistisches Selektionsverfahren. Nachrichten weisen als publizistische Darstellungsform eine eigene Qualität auf, die sich idealtypisch mit hoher Faktentreue, Aktualität und ausgeprägter sprachlicher Standardisierung umschreiben lässt. Nachrichten stehen grundsätzlich für hohe Glaubwürdigkeit, was ein wesentlicher Grund für ihren anhaltenden Erfolg ist, aber auch den häufigen Missbrauch dieser Darstellungsform erklärt. So erstaunt es nicht, dass gezielte Falschinformationen, Gerüchte usw. mit Vorliebe in Nachrichtenform verbreitet wurden und werden. Bis heute zählt die Nachricht zu den bedeutendsten journalistischen Darstellungsformen. Mit Nachrichten werden ganze Teile einer Zeitung oder ganze Rundfunksendungen im Radio und Fernsehen bezeichnet.

Verbreitung von Nachrichten bis zum Ende des Mittelalters

In der Schweiz entfaltete sich erstmals zur römischer Zeit ein umfangreicher Botendienst, der einen geordneten Nachrichtenverkehr erlaubte. Dieser cursus publicus (ca. 15 v.Chr.-5. Jahrhundert) diente in erster Linie der kaiserlichen Machtsicherung und stand lediglich militärischen und staatlichen Amtspersonen offen. Erst im 3. Jahrhundert wurde das Nutzungsverbot für Privatpersonen gelockert. Das Römische Reich errichtete auch ein umfangreiches System zur optischen Zeichenübermittlung. Es unterhielt an seiner Nordgrenze (Limes) bis ins 5. Jahrhundert ein Warnsystem, das mit Feuerzeichen auf bestimmten Signalpunkten funktionierte. Der Zusammenbruch der römischen Herrschaft brachte dessen Niedergang sowie denjenigen des Botendienstes. Bis ins Spätmittelalter bestand nichts Vergleichbares mehr.

Entwurf für eine Uniform eines Boten der Stadt Bern. Illustration aus dem Schnittmusterbuch von Salomon Erb von 1730 (Bernisches Historisches Museum; Fotografie Stefan Rebsamen).
Entwurf für eine Uniform eines Boten der Stadt Bern. Illustration aus dem Schnittmusterbuch von Salomon Erb von 1730 (Bernisches Historisches Museum; Fotografie Stefan Rebsamen). […]

Im Früh- und Hochmittelalter waren es vor allem Adlige und insbesondere die Klöster, die Boten für den Nachrichtenverkehr einsetzten. Da die Ausbreitung der Schriftlichkeit weitgehend auf die dünne Oberschicht beschränkt blieb, spielten mündliche Formen der Nachrichtenübermittlung (Mündlichkeit) weiterhin eine zentrale Rolle für die öffentliche Kommunikation. Erst der Wirtschaftsaufschwung im 12. und 13. Jahrhundert führte zu einer Neubelebung des Botenwesens. Das Entstehen der Eidgenossenschaft gab weitere Entwicklungsimpulse. So wurden die Standesläufer ab dem 14. Jahrhundert zu wichtigen Amtspersonen. Sie sorgten mit ihren Botendiensten unter anderem für einen zuverlässigen diplomatischen Verkehr inner- und ausserhalb der Eidgenossenschaft. In beschränktem Umfang übernahmen sie auch private Aufträge.

Nachweise für Feuer- bzw. Wortzeichensysteme finden sich für die Schweiz von Neuem ab dem 15. Jahrhundert, als sich die Eidgenossenschaft immer wieder in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt sah und ein Kommunikationsmittel zur raschen Mobilisierung von Verbündeten benötigte. Im frühen 17. Jahrhundert wurden die Hochwachten in die Wehranstalten der Kantone eingegliedert und erhielten damit den Charakter staatlicher Anstalten. Das landesweite Warnsystem der Hochwachten kam 1870 im Zug des Deutsch-Französischen Kriegs zum letzten Mal zum Einsatz.

Verbreitung von Nachrichten im Zeitalter der frühen Presse

Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern Mitte des 15. Jahrhunderts durch Johannes Gutenberg erlaubte eine deutliche Produktivitätssteigerung und Qualitätsverbesserung im Druckgewerbe. Die Verbreitung und Nutzung von Druckschriften beschleunigte und intensivierte sich in der Folge. Die Exponenten der im Übergang zur Frühneuzeit zahlreichen Reformbestrebungen (v.a. des Humanismus, der Renaissance und der Reformation) nutzten Druckschriften zur Propagierung ihrer Ideen. Die ab dem späten 15. Jahrhundert aufkommenden, sporadisch produzierten Einblattdrucke, Flugblätter und sogenannten "Neuen Zeitungen" dienten der Verbreitung aktueller Nachrichten, aber auch spezifisch religiöser, amtlicher, naturkundlicher und literarischer Inhalte.

Die schriftliche Verbreitung von Nachrichten war vom 15. bis zum 17. Jahrhundert von unregelmässigen, nur bei Bedarf gedruckten und vertriebenen Publikationen geprägt. Daneben entstanden aber bereits die ersten periodischen Druckschriften. Die 1597 erstmals erschienene und nach ihrem Druckort benannte "Rorschacher Monatsschrift" (Annus Christi) zählt zu den ältesten bekannten deutschsprachigen Serienzeitungen. Der Aufbau privater Postdienste verlieh dem Nachrichtenverkehr und der periodischen Presse ab dem 17. Jahrhundert neue Impulse. Im 17. Jahrhundert erfuhr auch das Botenwesen namentlich durch das Engagement von Kaufleuten, die regelmässige Botenlinien (u.a. Gotthard- und Simplonpost) und feste Postbüros (Post) einrichteten, eine rasche Institutionalisierung.

Strassenmusikanten auf einem öffentlichen Platz. Radierung, um 1800 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Graphische Sammlung).
Strassenmusikanten auf einem öffentlichen Platz. Radierung, um 1800 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Graphische Sammlung). […]

Mit der Verstetigung der Nachrichtenverbreitung durch periodische Druckschriften im 17. und 18. Jahrhundert begann sich ein für die Presse spezifischer Nachrichtenbegriff auszubilden. Die Auswahl der Zeitungsnachrichten erfolgte vermehrt nach den Kriterien Aktualität, öffentliche Relevanz und Wahrhaftigkeit. Die meisten Zeitungen konnten allerdings auf Grund fehlender finanzieller und personeller Ressourcen nur begrenzt diesen Ansprüchen genügen (Verlage). Die Verleger sahen sich zudem häufig mit politischen Restriktionen konfrontiert. Viele kirchliche und staatliche Machtträger sahen ihre Kontrolle über den öffentlichen Nachrichtenaustausch durch das leistungsfähige mechanisierte Druckwesen in Frage gestellt. So wurden ab dem späten 15. bis ins 19. Jahrhundert in Europa durch die kirchliche oder staatliche Zensur immer wieder Druckschriften beschlagnahmt und vernichtet. Zudem verzögerten die relativ hohen Preise der Druckerzeugnisse und eine niedrige Alphabetisierungsrate der Bevölkerung die Entstehung eines Massenmarktes.

Nachrichten im Zeitalter moderner Massenmedien

Die helvetische Verfassung von 1798 und der Siegeszug des Liberalismus markieren für den Nachrichtenverkehr in der Schweiz in kommunikations- und wirtschaftspolitischer Hinsicht eine Epochenwende. Das Prinzip der geheimen Staatsverwaltung wich nun der Einrichtung öffentlicher Parlaments- und Gerichtsverhandlungen. Das Aufbrechen der ständischen Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen und der Aufstieg des Bürgertums zur neuen Wirtschafts- und Machtelite bewirkten unter anderem eine starke Zunahme der öffentlichen Kommunikation.

Die Ausdehnung der Öffentlichkeit und die Gewährung der Pressefreiheit liessen die Presse weiter expandieren. Zudem förderte der Ausbau des Schulwesens die Alphabetisierung immer grösserer Bevölkerungskreise, so dass die Reichweite schriftlicher Nachrichtenverbreitung erstmals nicht mehr nur auf Minderheiten beschränkt blieb. Die Berichterstattung über parlamentarische Geschäfte und parteipolitische Positionsbezüge stand vielfach am Anfang der Professionalisierung journalistischer Unternehmen wie Tageszeitungen und Zeitschriften. Die Zahl periodischer Publikationen stieg in der Schweiz im 19. Jahrhundert stark an. Die gesellschaftspolitische Pluralisierung schlug sich auch in einer wachsenden Vielfalt der Meinungspresse nieder. Die Titel unterschieden sich insbesondere im räsonnierenden Teil. Kurze Nachrichten und Berichte bildeten weiterhin das Kernangebot der meisten Zeitungen. Die funktionale Differenzierung der Industriegesellschaft und die beschleunigte Herausbildung von Professionen fanden ihren publizistischen Niederschlag unter anderem im Aufblühen des Zeitschriftenwesens, das sich nach Themen und Fachbereichen auffächerte.

Bahnbrechende Innovationen bei der Druck- und Satztechnik bewirkten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Steigerung der Mengenproduktion. Die Zeitung wurde zu einem Massengut, das sich auf Grund einer verstärkten Kapitalisierung der Verlage als ökonomisches Produkt auf dem Leser- und Werbemarkt behaupten musste. Im Zug dieser Entwicklung fanden Nachrichtenfaktoren wie die Sensation, der Skandal und die Gewalt grössere Berücksichtigung. Das Aufkommen von überparteilichen Generalanzeigern, die sich an ein möglichst breites Publikum richteten, stellt den Beginn der modernen schweizerischen Massenpresse dar: Die 1879 gegründete "Tribune de Genève" und der 1894 lancierte "Tages-Anzeiger" – zwei noch heute existierende Forumszeitungen – eroberten rasch ein grosses Publikum.

Studenten der ETH Zürich (ETH-Zentrum) in der Kantine bei der Zeitungslektüre, 1933 (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv).
Studenten der ETH Zürich (ETH-Zentrum) in der Kantine bei der Zeitungslektüre, 1933 (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv). […]

Neben den traditionellen Einpersonen-Verlagen entstanden nun Zeitungen mit ganzen Redaktionen, die für eine professionelle Nachrichtenbeschaffung und Nachrichtenauswahl sorgten. Die formale Gestaltung der Nachrichten orientierte sich an den Publikumsbedürfnissen und wurde vereinheitlicht. Als Vorbild diente der Ende des 19. Jahrhunderts in den USA entwickelte und bis heute verbreitete pyramidenartige Aufbau, der die wichtigsten Nachrichten an die erste Stelle setzt, während ergänzende Informationen abgestuft nach Relevanz und Attraktivität nachfolgen: Eine Nachricht berichtet vorrangig über die beteiligten Personen (Wer), die Art des Ereignisses (Was), den Zeitpunkt (Wann), den Ort (Wo), die Art und Weise (Wie), die Ursache (Warum) und die Quelle der Information (Woher).

Die Industrialisierung führte zu einer Rationalisierung und Verdichtung des weltweiten Nachrichtenverkehrs. Die Nationalisierung des schweizerischen Postwesens (1849), der Aufbau nationaler und internationaler Eisenbahnnetze (schweizerische Bahnpost ab 1857) und neue elektrische Kommunikationsmittel wie die Telegrafie (in der Schweiz ab 1852) halfen, weite Distanzen in kürzester Zeit zu überwinden. Davon profitierte insbesondere die Wirtschaft, aber auch das Presse- und Nachrichtenwesen, das nun selbst zu einem wichtigen Wirtschaftszweig avancierte. Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts entstanden im Ausland nationale Nachrichtenagenturen, welche die internationalen Nachrichtenflüsse während Jahrzehnten steuerten. Die schweizerische Presse gründete seinerseits 1894 die Schweizerische Depeschenagentur als Selbsthilfemassnahme, um die Abhängigkeit von den ausländischen Agenturen zu verringern.

Im 20. Jahrhundert veränderte sich der Nachrichtenverkehr im Gefolge technisch-organisatorischer Innovationen wie der drahtlosen Telegrafie und Telefonie (Radiotelegrafie und Radiotelefonie), der Rundfunkmedien sowie der Entwicklung globaler digitaler Kommunikationsnetze. Die Möglichkeit, akustische Signale (Radio) und Bilder (Fernsehen) zeitsynchron einem Massenpublikum zu vermitteln, veränderte auch die Darstellungsformen von Nachrichten. Der Trend hin zur Boulevardisierung und Personalisierung der Berichterstattung verstärkte sich mit der Einführung privater kommerzieller Rundfunkangebote in den 1980er und 1990er Jahren. Brachten bereits Radio und Fernsehen eine enorme Beschleunigung und Intensivierung der Nachrichtenverbreitung, löste das Internet (E-Mail) eine weitere Dynamisierung des globalen Nachrichtenflusses aus.

Quellen und Literatur

  • A. Wyss, Die Post in der Schweiz, 1987
  • W. Faulstich, Die Gesch. der Medien, 5 Bde., 1997-2004
  • W. Behringer, Im Zeichen des Merkur, 2003
  • E. Schade, «Kommunikations- und Mediengesch.», in Einführung in die Publizistikwissenschaft, hg. von H. Bonfadelli et al., 2005, 37-72
Weblinks

Zitiervorschlag

Edzard Schade: "Nachrichten", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.01.2018. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013904/2018-01-11/, konsultiert am 18.04.2024.