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Agrarzonen

Agrarzonen gliedern Landschaften grossräumig nach dem Kriterium der dominanten Nutzungsform des Kulturlandes. Dabei wird der Teil der Produktivfläche ausgeschieden, welcher der Forstwirtschaft (Wald) dient. Agrarzonen sind nicht deckungsgleich mit den naturräumlichen Grosslandschaften, weil neben Bodenbeschaffenheit und Klima zahlreiche Humanfaktoren wie Agrartechnik, Agrarverfassung, Gesellschaftssystem, Mentalität und Marktintegration zonenbildend wirkten. In einem engen Wechselverhältnis zu den Agrarzonen stehen die Gewerberegionen, denn besonders die ländliche Unterschicht war vielfach auf nichtagrarischen Nebenerwerb angewiesen. Wo der Ertrag von Gewerbeprodukten die Einfuhr von Nahrungsmitteln lohnend machte, konnte dies zu Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktion (Textilpflanzen, Schafzucht) und zu einer Vernachlässigung des Selbstversorgungspotenzials führen. So kam es zum Beispiel in der Ostschweiz bereits im Spätmittelalter zu einer arbeitsteiligen Austauschbeziehung unter anderem mit Süddeutschland.

Geografische und chronologische Übersicht

In der Agrargeschichte dient die Zonenbildung der Annäherung an eine komplexe historische Realität unter Hervorhebung dominanter Ausprägungen. Die in der Forschung verwendete Begrifflichkeit ist allerdings inhomogen, weil sie stufenweise und aus verschiedenen Forschungsrichtungen entstanden ist. Ferner sind die Begriffe unübersetzbar, da sich in jedem Sprachraum eine eigene Terminologie herausgebildet hat. Im Kontext der deutschen Schweiz hat der grundlegende Dualismus von Viehwirtschaft und Ackerbau durch Karl Viktor von Bonstettens "Briefe über ein schweizerisches Hirtenland" (1782) mit den Begriffen "Hirtenland" – "Kornland" ein prägendes Gegensatzpaar erfahren, das den Diskurs vor allem der Historiker bestimmte. Als Übergangszone wurde eine "Feldgraszone" (Feldgraswirtschaft) ausgeschieden, in der auf derselben Fläche Getreidebau und Grasnutzung abwechselten. Von der Agrargeschichte relativ spät entdeckt wurde eine im Innern der Alpen gelegene vierte Zone mit Mehrzweckwirtschaft, für die sich behelfsmässig die Bezeichnung "inneralpine Zone" etabliert hat. Diese vier Agrarlandschaften, welche im Wesentlichen zwischen 1400 und 1800 bestanden, hatten weitgehende Entsprechungen in den Nachbarländern der Schweiz. Regional lassen sich durchaus Gebiete mit vorherrschendem Weinbau unterscheiden, besonders in den grossen Alpentälern und in Seenähe (im Genferseegebiet ab dem 12. Jahrhundert); da sich daraus aber kein geschlossenes Gebiet abzeichnet, hat sich die Definition eines sogenannten Weinlandes nicht durchgesetzt. Ausserhalb der vier Agrarzonen steht auch die Landwirtschaft des Südtessins. Getreide- und Rebbau gehören dort in den Kontext der lombardischen Landwirtschaft, insbesondere wegen der spezifischen Agrarverfassung mit vorwiegender Halbpacht und brachelosem Anbau ohne Flurzwang.

Die Agrarzonen des ausgehenden Ancien Régime
Die Agrarzonen des ausgehenden Ancien Régime […]

Früchte waren ein wichtiger Bestandteil der traditionellen Ernährung. Deshalb wurden Fruchtbäume in hofnahen Baumgärten, auf Allmenden und Wiesen und im 18. Jahrhundert vermehrt auch in den Ackerzelgen gepflanzt. Zu eigentlichen Sonderkulturen hat sich der Anbau von Fruchtbäumen allerdings nicht entwickelt, obwohl er der Landwirtschaft in einigen Regionen ein besonderes Gepräge gab, namentlich jener der Ostschweiz (Thurgau und St. Gallen) mit dem Kernobst und jener des Tessins mit den Kastanien. Die Obstkulturen des Wallis entstanden hingegen erst nach der Korrektion der Rhone 1863-1884 (Obstbau).

Was den Jura anbelangt, so lassen sich dort neben dem Teil, der direkt zum "Kornland" gehört (v.a. der tiefere Teil des Tafeljuras), sowohl Feldgras- wie auch Hirtenlandzone (v.a. im Kettenjura) unterscheiden. Im Unterschied zum Alpenraum fand im Jura allerdings im Spätmittelalter keine Ablösung der Feudallasten statt. So ist es vor allem die Agrarverfassung, welche neben der grösseren Bedeutung des subsidiären Ackerbaus die jurassische Feldgras- und Alpwirtschaft von jener des Voralpen- und Alpenraums abgrenzt.

Von deutlich unterscheidbaren Bodennutzungssystemen und damit grösseren Agrarlandschaften kann man erst ab dem Hochmittelalter sprechen. Vermutlich lag im Mittelland allerdings bereits im Früh- und Hochmittelalter der Schwerpunkt auf der Getreideproduktion. Im Alpenraum dürfte ursprünglich eine gemischte Selbstversorgungswirtschaft mit Schwerpunkt auf Kleinviehhaltung verbreitet gewesen sein. Damit verbunden war eine noch nicht ganz sesshafte Lebensweise der sogenannten Bergleute, welche wohl vom 9./10. Jahrhundert an eine zwischen Tal und Hochweidegebiet gelegene Zwischenzone (700-1400 m) besiedelten. In der Innerschweiz wurden die zuvor wirtschaftlich und rechtlich selbstständigen Bergsiedlungen ab dem 13./14. Jahrhundert in das vom Tal ausgehende Dreistufensystem mit Talbetrieb, Maiensäss und Alpweide integriert, in welchem die Haltung von Grossvieh zunehmend an Bedeutung gewann.

Zur Auflösung des alten Agrarsystems in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts trug neben der Agrarmodernisierung (Agrarrevolution) der gesamtwirtschaftliche Wandel bzw. Modernisierungsprozess bei: von der Protoindustrialisierung über den Eisenbahnbau bis zum Aufkommen des Tourismus. Im 18. Jahrhundert war vorerst das "Kornland" betroffen, wo der Getreideanbau allmählich durch Fruchtwechselwirtschaft und vermehrte Vieh- und Milchwirtschaft zurückgedrängt wurde. Die Vergrünlandung des "Kornlands" wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die endgültige Aufhebung der Feudallasten und die Individualisierung der früher gemeinsam organisierten Wirtschaftsweise gefördert (Allmend, Zelgensysteme). Beschleunigt wurde dieser Prozess durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes und den Anschluss der Schweiz an die europäischen Meerhäfen. Ab 1860 konnte billiges ausländisches Getreide (zunächst aus Ungarn und Russland, später auch aus Amerika) eingeführt werden. Im "Hirtenland" wurde an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert die Milch- und Käseproduktion (Käse) tiefer ins Tal verlegt. Somit eroberte die Viehwirtschaft auch von den Alpen her das Mittelland, und Talkäsereien machten im 19. Jahrhundert den einst führenden Alpkäsereien ernsthaft Konkurrenz. Die Feldgraszone und die inneralpine Zone mit ihren alten Bodennutzungsformen wiesen demgegenüber ein grösseres Beharrungsvermögen auf. Im inneralpinen Gebiet erfolgte die Auflösung des alten Agrarsystems im Zusammenhang mit der vollen Verkehrserschliessung und dem Aufkommen des Tourismus im Wesentlichen erst im 20. Jahrhundert.

Agrarzonen der alten Schweiza

 «Kornland»Feldgraszone«Hirtenland»Inneralpine Zone
RegionMittelland (Tafeljura)Voralpen (Kettenjura)Alpennordseite (hohe Lagen des Juras)Wallis, Graubünden, Nordtessin, Berner Oberland
Ausrichtung der AgrarproduktionAckerbau (Weinbau, Obstbau)Viehwirtschaft und AckerbauInnerschweiz: (Gross-)Viehzucht Westalpen: Hartkäseproduktion(Schmal-)Viehzucht und Ackerbau, Weinbau
WirtschaftsformDreifelderwirtschaftEgarten- bzw. FeldgraswirtschaftWeide- und Alpwirtschaftagropastorale Produktionsweise, Feldgraswirtschaft (nördlich), Dauerfeldbau (südlich)
AgrarverfassungDreizelgensystem mit FlurzwangEinzelhöfe als selbständige EinheitenInnerschweiz: GenossenschaftenWestalpen: PrivatalpenAlpwirtschaft mit genossenschaftl. Sennerei
FeudalabgabenZehnt, Bodenzinswenig Feudalabgabenohne Feudalabgabenohne Feudalabgaben
Räumliche Ausrichtunghorizontalhorizontal mit Alp-bzw. Juraweidevertikal, dreistufig: Talwirtschaft mit Heuwiesen, Maiensäss, Alpweidevertikal, dreistufig:Talwirtschaft mit Acker(hack)bau, Maiensäss, Alpweide
Wichtigste SiedlungsformDorfsiedlungStreusiedlungStreusiedlung mit Neben- und TemporärsiedlungenDorfsiedlung mit Neben- und Temporärsiedlungen
MarktintegrationSubsistenzwirtschaft, ausgerichtet auf Versorgung der Städtemarktorientiert, Subsistenzwirtschaftmarkt- bzw. exportorientiert (Norditalien)Subsistenzwirtschaft, hoher Selbstversorgungsgrad
Nebenerwerb(Heimindustrie)HeimindustrieTransitverkehr (Heimindustrie)Emigration (Transitverkehr)
EntstehungszeitHoch-/SpätmittelalterHochmittelalterSpätmittelalter, Frühe NeuzeitHochmittelalter
Auflösungszeitab 18. Jh.19./20. Jh.ab 19. Jh.19./20. Jh.

a Erfasst sind nur die dominanten Merkmale. Die Angaben in Klammern betreffen wichtige Sekundärmerkmale.

Agrarzonen der alten Schweiz -  Autor

Forschungsgeschichte

Entwürfe zur Gliederung des Agrarraums der vormodernen Schweiz haben vor allem Volkskundler (etwa anhand der Bauernhäuser), Geografen und – weitgehend unabhängig von diesen – Historiker vorgelegt. Bedeutende volkskundliche Gliederungskonzepte stammen von: Heinrich Brockmann-Jerosch ("Vegetations- und Wirtschaftskarte der Schweiz", 1927), Eugen Paravicini ("Die Bodennutzungssysteme der Schweiz in ihrer Verbreitung und Bedingtheit", 1928), Hans Georg Wackernagel ("Die geschichtliche Bedeutung des Hirtentums", 1936), Konrad Huber ("Über die Histen- und Speichertypen des Zentralalpengebietes", 1944) und Richard Weiss ("Häuser und Landschaften der Schweiz", 1959).

Grossräumige, meist die gesamte Schweiz betreffende agrargeschichtliche Studien haben zunächst William Emmanuel Rappard ("Le facteur économique dans l'avènement de la démocratie moderne en Suisse", 1912) und Georg Schmidt ("Der Schweizer Bauer im Zeitalter des Frühkapitalismus", 1932) vorgelegt. In den Übersichten von Walter Bodmer ("Schweizerische Industriegeschichte", 1960), Albert Hauser ("Schweizerische Wirtschafts- und Sozialgeschichte", 1961) und Jean-François Bergier ("Problèmes de l'histoire économique de la Suisse", 1968) erscheint der schweizerische Agrarraum im Wesentlichen als zweiteilig. Differenzierter ist der Gliederungsvorschlag von Rudolf Braun ("Das ausgehende Ancien Régime in der Schweiz", 1984), massgeblich von Richard Weiss beeinflusst. Markus Mattmüller hat sich, ausgehend von seinen demografischen Studien, mit der Typologie der Agrarlandschaften beschäftigt. Grundlage der gegenwärtigen Diskussion ist Mattmüllers Unterscheidung von vier Zonen. Christian Pfister hat im Rahmen seiner Klima- und Regionalgeschichte diese Zonenbildung zunächst übernommen (1984, hier noch unter Auslassung der inneralpinen Zone) und sie 1995 in einer ökotypischen Gliederung des Berner Agrarraums vertieft. Eine Gesamtdarstellung der schweizerischen Agrargeschichte liegt noch nicht vor; vor allem das 2002 gegründete Archiv für Agrargeschichte in Bern beschäftigt sich mit diesem Thema.

Während die volkskundlich-geografische Forschung – meist ausgehend von statistischen Befunden des 20. Jahrhunderts – differenzierte räumliche Gliederungskonzepte vorlegte und dabei die inneralpine Zone stets als etwas Besonderes wahrnahm, tendierte die Agrargeschichte dazu, ihr Augenmerk auf den politisch bedeutenden innerschweizerischen Raum zu richten oder die dynamischen Gebiete des Alpenraums ("Hirtenland") den beharrenden des Mittellands ("Kornland") gegenüberzustellen. Dabei wurden nicht nur die inneralpine Zone, sondern auch der Jura und das Tessin oft nur am Rande berücksichtigt.

Die vier Hauptzonen

Kornland

Diese Zone umfasst jene Gegenden, in denen der Ackerbau mit dem Pflug betrieben und auf den Anbau von Dinkel (Deutschschweiz) bzw. Weizen (Westschweiz) als Hauptfrucht der Winteraussaat ausgerichtet war. Kerngebiet war das flache oder leicht hügelige Mittelland. Hinzu kamen die niedrigen Höhenlagen des Tafeljuras. Vorherrschende Organisationsform des Getreidebaus war das Dreizelgensystem; ihm entsprach die geschlossene Dorfsiedlung. Es hielt sich bis zum Ende des Ancien Régime, trotz Bestrebungen vor allem seitens der ökonomischen Gesellschaften, unergiebiges Ackerland in Wiesland umzuwandeln. Neben dem verzelgten war in den Randzonen des "Kornlands" auch der nichtverzelgte Ackerbau verbreitet: in den Streusiedlungen des Juras und des hügeligen Mittellands oder in den abseits der Dorfsiedlungen gelegenen Einzelhöfen. Dieser nichtverzelgte Ackerbau kam wegen der grösseren Bedeutung der Viehhaltung der Feldgraswirtschaft nahe, und er nahm zwischen 1500 und 1800 in den Randzonen des Mittellands (etwa in Luzern oder im Zürcher Oberland) auf Kosten der Dreizelgenwirtschaft deutlich zu.

Obwohl die Kornlandbauern bis ans Ende des Ancien Régime in das feudale Abgabensystem und in die gemeinsam organisierte Felderbewirtschaftung eingebunden blieben, wurde das Dreizelgensystem allmählich von innen her durch den Anbau der Brache aufgeweicht.

Feldgraszone

Zwischen dem "Kornland" und dem "Hirtenland" befand sich eine voralpine Übergangszone mit Feldgras- bzw. Egartenwirtschaft. Die Höfe dieser Zone waren autonome wirtschaftliche Einheiten, die meist ungeteilt (Minorat oder Majorat) vererbt wurden. Der Getreidebau reichte hier bis 1100 m. Die relative Ungunst des Klimas und des Reliefs wurde durch ausreichend vorhandenen Dünger wettgemacht. Das Getreide diente vor allem dem Eigenbedarf, während das Schwergewicht der Produktion vom Spätmittelalter an auf der Viehwirtschaft lag und sich im Verlaufe der Neuzeit weiter in diese Richtung verlagerte. Die freie Wechselwirtschaft zwischen Graswuchs und Getreidebau brauchte nicht einem Dreijahresrhythmus zu folgen; ein Wechsel fand zudem auch zwischen kultiviertem und nicht kultiviertem Boden statt. Grundsätzlich lassen sich in dieser Zone lange Zyklen von Urbarisierung, Verödung und Reurbarisierung feststellen.

Hirtenland

Auf der Nordseite der Alpen setzte im Spätmittelalter (insbesondere nach 1350) die Umstellung von selbstversorgender Mischwirtschaft mit ausgeprägtem Getreidebau auf Grossvieh-, Pferdezucht (z.B. Einsiedeln) und Molkenwirtschaft ein. Der Prozess der Umnutzung von Taläckern zu Heuwiesen und die Erschliessung von Alpweiden zur Sömmerung von Grossvieh umfasste mehrere Jahrhunderte, und er nahm regional unterschiedliche Ausprägungen an. In Obwalden, wo die Verlagerung im 14. Jahrhundert voll im Gange war, führte die Vernachlässigung des Getreidebaus erst ab dem 16. Jahrhundert zu einer Gefährdung der Eigenversorgung. Im Berner Oberland wurde der Ackerbau nicht im gleichen Masse aufgegeben. Ein reines "Hirtenland" gab es grundsätzlich nicht, wohl aber wurde in dieser Zone der Ackerbau um 1800 nur noch in rudimentärer Form betrieben, meist mit der Hacke (besonders Kartoffelanbau).

Die äusseren Voraussetzungen für diese Umstellungen schufen die Verkehrs- und Handelsnetze sowie die grossen Märkte, auf denen die Bauern Pferde, Kühe, Butter und (vom 16. Jh. an) Hartkäse absetzen und Getreide einkaufen konnten. Von zentraler Bedeutung für die Kommerzialisierung der Innerschweizer Weidewirtschaft wurden die Verkehrs- und Handelsbeziehungen mit der Lombardei (Viehhandel). Innere Voraussetzung dafür war das weitgehende Fehlen von innovationshemmenden rechtlichen Bindungen wie Feudalabgaben oder Flurzwang. Dazu kam die Möglichkeit der einfachen Handänderung.

Wo solche Voraussetzungen im Alpenraum erfüllt waren, konnte sich die Wirtschaft rasch den Erfordernissen des Markts anpassen. Zu den dynamischen Gebieten des "Hirtenlands" zählten unter anderem die westlich des Gotthards gelegenen Unterwaldner, Berner und Freiburger Dreistufensysteme mit Privatalpen, wo im 16. Jahrhundert eine Produktionsumstellung vom Sauermilchkäse auf haltbare, transportfähige Hartfettkäse für den Fernexport erfolgt war. Mit dieser Umstellung war eine kapitalintensive Produktionsweise verbunden, die sich nur Grossbauern leisten konnten. Ferner gehörte dazu das Aufkommen eines eigentlichen Spezialistenstands von Käsern. Auch in der Pferde- und Grossviehzucht wurden Grossbetriebe zur Voraussetzung für Erfolg auf den Exportmärkten.

Die Gebiete, wo die Alpweiden Gemeinbesitz blieben (z.B. Uri, Schwyz, Glarus), hielten mit den Neuerungen in der Käseproduktion nicht in gleichem Masse Schritt. Einer rationellen, arbeitsteiligen und kapitalintensiven Produktionsweise war die korporative Struktur der Alpgenossenschaften und die feste Verbindung von Alprecht mit Talgrundstück eher hinderlich. Im Unterschied etwa zum Saanenland kam es in diesen Gegenden aber auch nicht zur Emigration von Kleinbauern wegen Besitzkonzentration. Das Weiterbestehen der Strukturen wurde überdies durch die konservative Haltung der Innerschweizer Eliten garantiert, welche nicht an neuen Produktionsweisen interessiert waren, solange die Einkünfte aus Viehhandel, Transportgewerbe und Solddienst reichlich flossen.

Inneralpine Zone

Das Kerngebiet dieser von der nationalen Agrargeschichte lange vernachlässigten Zone lag im Wallis, in Graubünden und im Nordtessin. Eine stark auf Selbstversorgung ausgerichtete Mehrzweckwirtschaft, wie sie für dieses Gebiet typisch ist, lässt sich aber auch in anderen Gebieten der Schweizer Alpen ausmachen, etwa in Teilen des Berner Oberlands. Mit ihrer gemischten Ökonomie, der relativen Marktunabhängigkeit und den geschlossenen Dorfsiedlungen waren die inneren Alpen Teil einer Agrarzone, die den südlichen Alpenbogen von den Seealpen bis ins Tirol umfasste. Im Vergleich zum "Hirtenland" der Alpennordseite wurden die Täler der inneralpinen Zone von der im Spätmittelalter einsetzenden viehwirtschaftlichen Spezialisierung nur beschränkt und vom Kommerzialisierungsprozess der frühen Neuzeit eher indirekt, zum Beispiel durch periodische Emigration, erfasst. Richard Weiss glaubte 1959 in diesen Tälern einen eigentlichen "Autarkiekomplex" wahrnehmen zu können, der sich nicht nur auf die Ökonomie, sondern auch auf die Mentalität beziehe. Die Rückprojizierung seiner aus dem 20. Jahrhundert stammenden Beobachtung auf die frühe Neuzeit ist allerdings fragwürdig.

Kennzeichen des inneralpinen Feldbaus waren stark vermengte, kleinflächige Blockfluren. Im Unterschied zum "Kornland" wurde der Ackerbau häufig mit Hacke und Spaten betrieben, und zwar bis in sehr hohe Lagen: Im Wallis (Findeln, Gemeinde Zermatt) ist Roggenanbau auf 2000 m belegt. Die Äcker waren stark parzelliert und wesentlich kleiner als die Wiesen. So gab es im Wallis, Tessin und in Graubünden nach der eidgenössischen Betriebszählung von 1905 die kleinsten Grundstücke der Schweiz. In Nordbünden war, analog zur voralpinen Form, die Feldgraswirtschaft verbreitet, in Südbünden, im Tessin und Wallis der Dauerfeldbau im festgelegten Ackerareal. Ackerbau mit Brache war in der Regel dort anzutreffen, wo der Rebbau eine wichtige Rolle spielte; dieser benötigte den Dünger, der andernorts den Dauerfeldbau ermöglichte.

Die Viehwirtschaft war im Wallis zur Hauptsache Milchwirtschaft. Im Bündnerland hatte die Viehzucht mehr Gewicht. Allerdings war hier wie in der inneralpinen Zone insgesamt die Schmalviehzucht noch stärker verbreitet als im "Hirtenland". In der Alpwirtschaft überwog grundsätzlich die genossenschaftliche Form.

Quellen und Literatur

  • R. Weiss, Häuser und Landschaften der Schweiz, 1959
  • C. Pfister, «Die Fluktuationen der Weinmosterträge im schweiz. Weinland vom 16. bis ins frühe 19. Jh.», in SZG 31, 1981, 445-491
  • C. Pfister, Das Klima der Schweiz 1525-1860, 2 Bde., 1984 (31988)
  • M. Mattmüller, Bevölkerungsgesch. der Schweiz, 2 Bde., 1987
  • Die Agrarzonen der Alten Schweiz, hg. von A. Schluchter, 1989
  • D. Rogger, Obwaldner Landwirtschaft im SpätMA, 1989
  • Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft 2, 1990
  • S. Guzzi, Agricoltura e società nel Mendrisiotto del settecento, 1990
  • J. Mathieu, Eine Agrargesch. der inneren Alpen, 1992
  • Pfister, Bern
  • P. Moser, «Die Agrarproduktion», in Wirtschaftsgesch. der Schweiz im 20. Jh., hg. von P. Halbeisen et al., 2012, 594-598
Weblinks

Zitiervorschlag

André Schluchter: "Agrarzonen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.05.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013930/2015-05-04/, konsultiert am 17.04.2024.