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Gewerbepflanzen

Mohnpflanze ("Magsamen"). Kolorierter Holzschnitt aus dem New Kreüterbuch des Mediziners und Botanikers Leonhart Fuchs, gedruckt in Basel 1543 (Zentralbibliothek Zürich).
Mohnpflanze ("Magsamen"). Kolorierter Holzschnitt aus dem New Kreüterbuch des Mediziners und Botanikers Leonhart Fuchs, gedruckt in Basel 1543 (Zentralbibliothek Zürich). […]

Als G. oder Handelspflanzen werden eine Reihe unterschiedl. Pflanzen bezeichnet, die primär für gewerbl. Zwecke angebaut und von den landwirtschaftl. Betrieben entweder direkt als Rohstoffe oder in Form verarbeiteter Produkte verkauft werden. Unter ökolog. Perspektive werden sie heute unter dem Begriff der pflanzl. oder nachwachsenden Rohstoffe gefasst. Der oft mit viel Handarbeit verbundene Anbau von G. entwickelte sich im Gefolge der spätma. Agrarkrise besonders im städt. Umland, wobei dieser im weiteren Verlauf eng an die Konjunktur der entsprechenden Gewerbe gebunden war (Ackerbau, Gartenbau). Flachs und Hanf hingen von der Leinwandindustrie (Leinwand, Textilindustrie) ab, die versch. Färberpflanzen vom gesamten textilveredelnden Gewerbe, Hopfen von der Bierproduktion. Anbau und Verkauf von G. verschaffte den Bauern Bargeldeinkünfte, die auch in vorindustrieller Zeit, trotz weitgehender Selbstversorgung, unentbehrlich waren. Über zumeist arbeitsintensive Prozeduren wurden aus der Pflanze bzw. aus Pflanzenteilen wie Wurzeln, Stengeln, Blättern, Blüten und Samen die eigentl. Handelsprodukte wie Öl, Fasern, Farb-, Gerb- und andere Inhaltsstoffe gewonnen. Hanf und Flachs konnten sogar doppelt genutzt werden, sie lieferten Fasern und Ölsamen.

Im Raum der heutigen Schweiz ist der Anbau und die wirtschaftl. Bedeutung von G. nur punktuell untersucht, etwa für Hopfen und Safran, die aber beide nie in grossem Umfang angebaut wurden. Inwieweit Färberpflanzen im eigenen Garten gezogen oder grössere Kulturversuche damit gemacht und später wieder aufgegeben wurden, ist bisher ungeklärt. Nüsse und das daraus gewonnene Öl, Dörrobst, im 18. Jh. zunehmend auch gebrannte Wasser (wie Kirsch, Obsttrester, Weinbrand, Rosenwasser), aber auch Setzlinge und Sämereien aller Art wurden nicht nur für den Eigenbedarf produziert, sondern fanden über den Hausierhandel und die städt. Märkte ihren Absatz. Gelegentlich entwickelte sich bereits im SpätMA ein spezialisierter Anbau, der auf ein lokales Gewerbe ausgerichtet war, wie z.B. Samen und Knollen für den Saatguthandel, später Kräuter für Glarner Schabziger (Trigonella caerulea, eine Kleeart) oder im 19. Jh. Zichorienwurzeln (der Wegwarte) als Kaffee-Ersatz. Im Folgenden wird das Schwergewicht auf die G. der ma.-frühneuzeitl. Landwirtschaft gelegt. Nicht behandelt werden die sich vor und v.a. während der Industrialisierung ausbreitenden "Handels- und Fabrikgewächse" wie der Tabak und die Zuckerrübe (Zucker).

Öl- und Faserpflanzen

Die Gewinnung von Flachsfasern. Ölgemälde aus der Bilderserie eines unbekannten Malers zur Leinwandproduktion, um 1680 (Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen; Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf).
Die Gewinnung von Flachsfasern. Ölgemälde aus der Bilderserie eines unbekannten Malers zur Leinwandproduktion, um 1680 (Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen; Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf). […]

Flachs oder Lein (Linum usitatissimum) gehört zu den ältesten kultivierten Pflanzen überhaupt, was sich anhand von Funden von Pflanzenteilen und Textilresten ab dem jüngeren Neolithikum in Mitteleuropa archäobotanisch nachweisen lässt. Die fett- und eiweissreichen Samen liefern ein Pflanzenöl, das gewerblich verwendbar ist und als Nahrungs- und Heilmittel (Heilkräuter) dient. Aus dem schlanken Stengel werden die Faserbündel durch Rösten isoliert, und sie bilden den grundlegenden Rohstoff für Garn und Leinwand. Auch Hanf ist doppelt genutzt worden (Samen und Fasern) und seine Verwendung ist ähnlich vielfältig, scheint aber allgemein später aufgekommen zu sein. Einer der ältesten sicheren Belege im schweiz. Raum datiert aus dem 7. Jh. im Jura (Develier-Courtételle). Geringere Qualitäten des Hanföls dienten als Brennöl oder sind im Maler- und Bauhandwerk gebraucht worden. Hanffasern, besonders dauerhaft gegenüber Nässe, wurden ab dem FrühMA für die Herstellung von Zwilch, Segeltuch, Fischernetzen und Seilerwaren sowie als Bindfäden und Dichtungsmaterial bevorzugt. Der Anbau und die Weiterverarbeitung von Hanf und Flachs waren etwa gleich arbeitsaufwendig. Die Gewinnung der Samen, die arbeitsintensive Aufbereitung der Rohfasern durch Rösten, Brechen und Hecheln, die Weiterverarbeitung zu Garn, Seilerwaren und Leinwand gehörten in MA und früher Neuzeit zu den selbstverständl. Tätigkeiten der bäuerl. Familienhaushalte, wobei zumeist der Eigenbedarf gedeckt und darüber hinaus die Produktion für den Verkauf und die Erzielung eines Bareinkommens angestrebt wurde. In vielen Dörfern wurde Hanf auf kleinen Sondernutzungsflächen im Allmendland, den Hanfbünten, angebaut. In der Nordostschweiz, mit St. Gallen als Zentrum des Leinwandgewerbes, fanden besonders Kinder und Frauen im Anbau von Flachs und dem Spinnen des Garns ein Auskommen (Protoindustrialisierung). Das Garn oder die fertig gewebte Leinwand kauften Händler und Verleger in rohem Zustand direkt bei den bäuerl. Produzenten. Die weiteren Arbeitsgänge im Veredelungsprozess sowie die Qualitätskontrolle lagen ganz in den Händen städt. Bürger, wobei neben dem Bleichen v.a. das Färben einen hohen Aufwand an Ressourcen erforderte.

Ölpflanzen

Raps (Brassica napus L. ssp. oleifera) wurde im schweiz. Raum wahrscheinlich erst ab dem späten 18. Jh. angebaut, nachdem Raps verarbeitende Ölmühlen und die Rapsöl verwendende Seifenindustrie in den Niederlanden schon mehr als 100 Jahre zuvor einen grossen Aufschwung erlebt hatten. Ob es sich bei der in der Deutschschweiz damals Lewat bzw. Klewat genannten Pflanze um Raps oder um Rübsen (Brassica rapa L. ssp. oleifera), einer botanisch eng verwandten Art, handelte, ist nicht klar. Noch im 19. Jh. wurden diese beiden Ölpflanzen selbst von Botanikern nicht immer eindeutig unterschieden. Raps wurde zumeist als Wintersaat ausgebracht und ersetzte z.T. ältere Ölpflanzen wie Mohn, Rübsen und Leindotter. Rübsen, die im MA in wilder Form auch als Ackerunkräuter auftraten, waren genügsamer und robuster als Raps. Noch im 19. Jh. ist Armen empfohlen worden, auch ölhaltige Samen von Senf, Ölrettich oder Leindotter, dem typ. Unkraut im Flachs, einzusammeln und nebst Hanf- und Leinöl zu gebrauchen. Raps- und Rübsenöl eignete sich mit seinem (ursprünglich) hohen Anteil an Erucasäure viel besser für techn. Zwecke und war nicht als Speiseöl gebräuchlich. Neuzüchtungen (z.B. 00-Raps) zielen aber auf die Verwendung als Speiseöl und zur Margarineherstellung ab. In jüngster Zeit wird Rapsöl auch als Kraftstoff genutzt; das mit dem Zusatz von Methanol hergestellte Rapsölmethylester (Biodiesel) kann zum Antrieb von Dieselmotoren gebraucht werden.

Mohn gehört zu den ältesten bekannten Kulturpflanzen, und der Anbau von Schlafmohn (Mägi, Magsamen, Ölmagen) zur Gewinnung der öl- und eiweisshaltigen Samen war für die Ernährung noch bis weit ins 19. Jh. bedeutend. In den Kräuterbüchern des 16. Jh., die regelmässig mehrere Mohnarten beschrieben, wird die Wichtigkeit der daraus gewonnenen Öle betont. Die zahlreichen Wirkungen und Anwendungen des Milchsaftes (des Opiums) waren bereits den alten Griechen bekannt (Drogen). Die meisten Ölsaaten sind im MA und in der frühen Neuzeit in Gärten, Bünten und vermehrt auch als Zwischensaaten in der Brache oder Sommerzelg angebaut worden.

Produkte aus Hanf, fotografiert in einem Zürcher Hanfladen 1995 © KEYSTONE.
Produkte aus Hanf, fotografiert in einem Zürcher Hanfladen 1995 © KEYSTONE. […]

Die Sonnenblume, die aus der Neuen Welt stammt, war seit dem 16. Jh. wenigstens als Zierpflanze in einzelnen Gärten bekannt. Anbauversuche sind Anfang des 19. Jh. im Raum Zürich auf offenen Feldern gemacht worden, allerdings - so hiess es - könnten die Samen nur ungenügend vor den gefrässigen Vögeln geschützt werden, weshalb der Anbau sich nicht lohne. Die Erfindung der Margarine 1869 und der Fetthärtung 1902 ermöglichten es, aus Sonnenblumen- und anderen Pflanzenölen streichbares Speisefett herzustellen.

Färberpflanzen

Textilgewerbe und Textilindustrie waren vom MA bis weit ins 19. Jh. hinein die wichtigsten Abnehmer pflanzl. Naturfarben (Färberei). Viele kultivierte und wild wachsende Pflanzen enthalten zum Färben geeignete Farbstoffe, die häufig sogar doppelt oder mehrfach genutzt werden konnten, wie z.B. die Wildfrüchte Heidelbeere, Holunder und weitere Beerenarten, welche getrocknet in den Handel gelangten. Waid, Krapp und Wau lieferten die drei Grundfarben Blau, Rot und Gelb. Daraus liess sich je nach Materialien (Wolle, Leinwand, Seide usw.), Vorbehandlung, Mischung und Überfärbung ein breites Spektrum unterschiedl. Farben und Farbtöne erzielen. Sie sind zum überwiegenden Teil aus ausländ. Anbauzentren importiert worden.

Beim Färberwaid (Isatis tinctoria) wandelt sich der in den Blättern enthaltene farblose Pflanzensaft erst durch Gärung und an der Luft zum blauen Farbstoff Indigo um. Je nach Arbeitsteilung zwischen Bauern, Waidhändlern und Färbern erfolgte die Aufbereitung für den Verkauf auf etwas andere Weise. Waid lieferte bis zu der frühestens ab dem 15. Jh. verstärkt erfolgten Einfuhr von Indigo (hergestellt aus den Sträuchern Indigofera spec.) aus Indien die mit Abstand wichtigste Blaufarbe. Krapp oder Färberröte (Rubia tinctoria) enthält die Rotfarbe Alizarin in der Wurzel, Färberwau oder -reseda (Reseda luteola) den Gelbstoff Luteolin in Stengel und Blättern. Erst mit Hilfe von Beizmitteln, die Metallsalze enthalten, konnten jedoch Textilfasern diese beiden Farbstoffe aufnehmen. Über einen versuchsweisen Anbau von Krapp im Bernbiet ist die Ökonom. Gesellschaft in Zürich im Jahr 1765 unterrichtet worden. Der Zeugdruck verlangte nach neuen, günstigeren Bezugsquellen von Farbstoffen. Als Gelbersatz dienten Färberginster (Genista tinctoria), Färberkamille (Anthemis tinctoria) und teilweise Saflor (Carthamus tinctorius), auch Färberdistel oder wilder Safran genannt. St. Galler Tuchhändler brachten Saflor als Rückfracht aus Spanien mit. Sein gelber Farbstoff - er ist wasserlöslich und daher unbeständig - stammte nur von den ersten Blütenblättern, die getrocknet, oft zu Pulver gemahlen, in den Handel kamen und hauptsächlich zum Färben von Speisen, weniger von Textilien, sowie als Streckmittel und zur Fälschung des teuren Safrans genutzt wurden. Leuchtende rosarote bis kirschrote Farbtöne lieferten erst die zweitgepflückten Blütenblätter, womit v.a. Seidenstoffe und -bänder gefärbt wurden. Aus den Samen konnte Distelöl gewonnen werden. Vom ausgehenden 19. Jh. an wurden die Färberpflanzen zusehends durch die preiswerten synthet. Farbstoffe zurückgedrängt.

Gewürzpflanzen

Safran diente als Gewürz, Färbe- und Heilmittel. Im schweiz. Raum wurde diese Krokusart ab dem späten 14. Jh. und meist nur während weniger Jahrzehnte in relativ geringem Ausmass in Basel, am Jurasüdfuss (Kt. Solothurn), in Faido, Genf, in der Waadt und im Wallis (heute noch in der Gem. Mund) angebaut. Die Ernte erfolgte ab Mitte Oktober, wobei fast täglich Blüten vom Feld gepflückt wurden. Noch am gleichen Tag mussten die Blütennarben, dabei handelt es sich um den oberen, in drei Fäden aufgespaltenen Teil des Griffels, aus der Blüte gezupft werden. Nur diese Blütennarben (von gelbroter bis dunkelrotbrauner Farbe) enthalten den Geschmacksstoff Picrocrocin und den gelben Farbstoff Crocin. In den Handel gelangten die Safranfäden getrocknet, meist noch zu Pulver zermahlen. Für 1 kg Safran wurden etwa 120'000 Blüten benötigt. Besonders im 14. und 15. Jh. spielte der Handel mit dem "roten Gold" eine glanzvolle Rolle. Der ausserordentlich teure Safran wurde zum Gelbfärben meist nur für feine Seidenstoffe verwendet. Im Handel wurden je nach Herkunft versch. Safranqualitäten unterschieden.

Der Anbau von Hopfen (Humulus lupulus) soll in Mitteleuropa ins FrühMA zurückreichen, seine Verwendung als Bierwürze und Konservierungsmittel ins ausgehende 11. Jh. Zum Kloster Muri gehörte schon im 12. Jh. nebst einer Wein- auch eine Biertaverne und in den Acta Murensia ist der Flurname in Hopfreben bei Ingenbohl überliefert. Wahrscheinlich ist, dass gehopftes Bier noch in der Zeit um 1800 im Raum der heutigen Schweiz ein eher seltenes Getränk darstellte. Auch die Ökonom. Patrioten gehörten nicht zu den Förderern des Hopfenanbaus, denn für die Städte brachte der Weinhandel und -ausschank wichtige (Steuer-)Einnahmen. Erst im 19. Jh. begann sich mit dem steigenden Hopfenbedarf der zahlreicher werdenden Brauereien auch der Anbau auszudehnen und erreichte um 1880 seinen höchsten Stand. Viele Brauereien richteten eigene Hopfengärten ein. Im Zuge des Niedergangs im Weinbau in der 2. Hälfte des 19. Jh. fanden einzelne Bauern im Hopfenbau einen Ersatz. Um 2000 wurde z.B. noch im aarg. Fricktal oder im zürcher. Stammheim Hopfen kultiviert.

Quellen und Literatur

  • A. Hauser, F. Kutter, Der Hopfenanbau in der Schweiz, 1956
  • U. Körber-Grohne, Nutzpflanzen in Deutschland, 1987
  • E. Jossen, Mund, 1989
  • «Canov», in Vocabolario dei dialetti della Svizzera italiana 3, 1991-98, 436-444
  • W.H. Schuster, Ölpflanzen in Europa, 1992
  • C. Brombacher et al., «Ma. Kulturpflanzen aus der Schweiz und Liechtenstein», in Environment and Subsistence in Medieval Europe, hg. von G. De Boe, F. Verhaeghe, 1997, 95-111
  • M. Irniger, M. Kühn, «Hanf und Flachs», in Traverse, 1997, H. 4, 100-115
  • J. Thirsk, Alternative Agriculture, 1997
Weblinks

Zitiervorschlag

Margrit Irniger: "Gewerbepflanzen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.07.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013941/2015-07-17/, konsultiert am 28.03.2024.