Die heutigen Hausrinder stammen vom Wildrind ab, dem Ur oder Auerochsen. Dessen Verbreitungsgebiet umfasste ursprünglich weite Teile Europas, Asiens und Nordafrikas, im 17. Jahrhundert wurde er ausgerottet. Seine Domestikation zum Hausrind war im 8. Jahrtausend v.Chr. erfolgt und steht im Zusammenhang mit der «Neolithischen Revolution» (Haustiere).
In der Schweiz konnten die ersten Hausrinder in den jungsteinzeitlichen Siedlungen von Sitten, die um 5000 v.Chr. datieren, nachgewiesen werden. Weitere Funde stammen aus den Ufersiedlungen des Mittellandes, die um 4300 v.Chr. einsetzten, von Stationen aus dem Alpenrheintal (Schellenberg FL, 4300 v.Chr.) und aus Graubünden (Tamins-Crestis, 3200 v.Chr.). Verschiedene Umstände weisen darauf hin, dass die Menschen der Jungsteinzeit und der Bronzezeit bestrebt waren, die Rinderhaltung zu intensivieren: Zu Beginn der Jungsteinzeit im 5. Jahrtausend v.Chr. bedeckte eine geschlossene Waldfläche das Mittelland. Diese Landschaft wurde den Bedürfnissen der Hausrinder wenig gerecht. Erst durch Rodungen entstanden vermehrt offene Flächen. Während der relative Anteil der Rinder- an den Haustierknochen in den ältesten Seeufersiedlungen noch zwischen 5% und 60% schwankte, stabilisierte er sich ab 2800 v.Chr. bei Werten um 60%.
Neue Untersuchungen an Haustierknochen aus dem Zürichseebecken zeigen, wie sich die Nutzung der Hausrinder stufenweise veränderte und ausweitete: In einer ersten Phase stand die Fleischproduktion im Vordergrund. Ab der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends v.Chr. setzte sich offenbar zusätzlich die Milcherzeugung durch, was sich im Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Tieren zeigt: 75% der ausgewachsenen Schlachttiere waren Kühe. Zudem war die Hälfte aller geschlachteten Tiere weniger als ein halbes Jahr alt. Insgesamt verdichten sich damit die Hinweise auf eine verstärkte Milchgewinnung. Kühe können erst Milch erzeugen, wenn sie ein Kalb geboren haben. Offenbar war schon den jungsteinzeitlichen Menschen bekannt, dass sich Laktationsperioden verlängern lassen, indem die Kälber die Milchproduktion möglichst lange stimulieren. Ab ca. 3400 v.Chr. liegen vermehrt Belege für die Nutzung der Arbeitskraft der Hausrinder vor. Immer häufiger treten die für Zugtiere typischen Anzeichen von Gelenkverbreiterungen und Deformationen an den unteren Extremitäten auf. Während zuerst Stiere und Kühe für Zugarbeiten eingesetzt wurden, lassen sich in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends v.Chr. erstmals Ochsen nachweisen. Um 3000 v.Chr. erscheinen im archäologischen Fundmaterial auch die ersten Wagenräder (Zürich, AKAD-Neubau um 3000 v.Chr. und Pressehaus um 2700 v.Chr.; Saint-Blaise um 2700 v.Chr.) und Doppeljoche (Vinelz, eventuell Arbon).
Trotz der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung der Hausrinder verringerte sich ihre Körpergrösse kontinuierlich. In der jüngeren Eisenzeit betrug die durchschnittliche Widerristhöhe noch 110 cm. Erst zu Beginn der römischen Epoche ist eine Grössenzunahme zu verzeichnen, die wahrscheinlich nicht nur auf den Import von grossen Tieren aus Italien, sondern auch auf die Anwendung neuer Zucht- und Haltungstechniken im Gebiet der Schweiz zurückzuführen ist. Nach dem Abzug der römischen Truppen lassen sich diese mächtigen Tiere nördlich der Alpen jedoch nicht mehr nachweisen. Insgesamt stieg in römischer Zeit die Bedeutung der Rinderhaltung an. Dies ist vermutlich auf eine allgemeine Intensivierung des Ackerbaus zurückzuführen, für den Hausrinder als Zugtiere benötigt wurden.
Aus dem Früh- und Hochmittelalter liegen nur sehr wenige Angaben zur Grössenentwicklung der Hausrinder vor, die in der Tendenz weiterhin rückläufig war. Im Spätmittelalter wurde mit Widerristhöhen von durchschnittlich 100 cm ein Tiefpunkt erreicht (Basel, Barfüsserkirche). Die Abnahme der Körpergrösse ist vor allem auf eine ungenügende Ernährung zurückzuführen. Von der Jungsteinzeit bis in die frühe Neuzeit mussten sich viele Tiere mit der kargen Waldweide (Wald) begnügen. Dürftig waren auch die seit dem Hochmittelalter im Rahmen der Dreizelgenwirtschaft praktizierte Haltung auf Brach- und Stoppelweide sowie die Fütterung mit Stroh, Heu oder Laubheu im Winter (Futtermittel). Im Hochmittelalter gewann wegen des verstärkten Bevölkerungswachstums und des gestiegenen Bedarfs an Nahrungsmitteln der Ackerbau zunehmend an Bedeutung. Dabei führte die Ausdehnung des Getreidebaus zu einem Rückgang der Weideflächen. Allgemein nahm die Viehwirtschaft in der hochmittelalterlichen Agrarwirtschaft zwar eine bedeutende, aber durchwegs zweitrangige Position ein. Sie war insofern eng mit dem Ackerbau verbunden, als sie Zugkraft und Dünger lieferte. Hausrinder stellten – trotz der grundsätzlich verbesserten Möglichkeiten für einen Einsatz von Pferden – im schweizerischen Raum die meistverbreiteten bäuerlichen Arbeitstiere dar. Es wird angenommen, dass beim Warentransport über die Alpen bis ins 14./15. Jahrhundert Ochsen als Zugtiere eine wichtige Rolle spielten.
Im Spätmittelalter bildeten sich überregionale Spezialisierungen mit Viehzucht in den Alpen und Voralpen sowie Getreidebau im Mittelland aus (Agrarzonen). In der Innerschweiz setzte eine Intensivierung der Grossviehhaltung ein. Hausrinder und Pferde wurden in grosser Zahl auf die lombardischen Märkte geliefert (Viehhandel). Gleichzeitig wurde der Ackerbau zugunsten der Weidewirtschaft zurückgedrängt. In der frühen Neuzeit gewann die Verarbeitung von Butter und Hartkäse (Milchwirtschaft) zunehmend an Bedeutung. Im Mittelland dagegen stand die Viehhaltung weiterhin hauptsächlich im Dienst des vorherrschenden Getreidebaus.
Die ökonomischen Patrioten des 18. Jahrhunderts propagierten Kunstwiesen und Stallfütterung im Sommer anstelle der bisherigen Brache und des Weidgangs, den Anbau von Futtermitteln (Klee), eine Verbesserung der Düngung sowie weitere anbautechnische Neuerungen (Agrarrevolution). Ihr Hauptanliegen war die Ertragssteigerung. Doch erst die Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nach dem Niedergang des Ancien Régime ermöglichte den Übergang zur modernen Landwirtschaft: An die Stelle der dörflich-kollektiven Nutzung im Dreizelgensystem und der Belastung durch Feudalabgaben trat die gewinnorientierte Ausrichtung auf den Markt. Es entstanden die ersten Viehzuchtgenossenschaften, die Prämien auf Tiere mit hoher Milch- oder Fleischleistung aussetzten und den Zuchtbestand in Herdebüchern erfassten. 1890 wurde der «Verband Schweizerischer Berner-Fleckvieh züchtender Viehzuchtgenossenschaften» gegründet, aus dem 1898 der Schweizerische Fleckviehzuchtverband hervorging. Beim Braunvieh erfolgte 1897 der Zusammenschluss zum Schweizer Braunviehzuchtverband.
Die neuen technischen Möglichkeiten des beginnenden industriellen Zeitalters führten zu einer Kommerzialisierung und Globalisierung des Agrarmarktes. Billige Getreideimporte aus Übersee lösten um 1850 einen Einbruch auf dem Schweizer Markt aus, worauf auch im Mittelland eine Umstellung auf Viehwirtschaft mit Milchproduktion einsetzte; die Herstellung von Käse wurde von der Alp ins Tal verlagert. Die weitere Entwicklung bis in die Gegenwart ist gekennzeichnet durch die Herausbildung einer Politik des staatlichen Interventionismus (Agrarpolitik), basierend auf Preisstützung und Absatzförderung, bei einer ausgeprägten Förderung der Rindviehhaltung.
Entwicklung des Hausrindbestands 1866-2003
Jahr | Bestand |
---|---|
1866 | 993 291 |
1886 | 1 212 538 |
1906 | 1 498 144 |
1921 | 1 425 341 |
1941 | 1 584 326 |
1966 | 1 796 389 |
1978 | 2 023 679 |
2003 | 1 570 178 |
Während noch um 1900 ausserhalb des Alpengebietes die Kühe der Bauern durchschnittlich um die 250 kg wogen, ca. 120 cm hoch waren und selten mehr als 1500 bis 2000 l Milch pro Jahr gaben, erreichen Kühe heutiger Hochleistungsrassen Höhen von 145 cm, Gewichte von bis zu 750 kg und erbringen Milchleistungen von durchschnittlich 6000 l im Jahr. Unter den in der Schweiz verbreiteten Rassen dominierten 1995 das Schweizer Braunvieh (Swiss Brown) mit 41% und das Simmentaler Fleckvieh mit 46%. Das Schwarzfleckvieh (Holsteinrasse) machte 11% aus, die Eringer aus dem Wallis hielten einen Anteil von knapp 1%. Die Holsteiner hatten das Freiburger Schwarzfleckvieh praktisch verdrängt, ein Vorgang, der sich ohne grosses Aufsehen vollzog. Die Frage der Reinrassigkeit des Simmentalerviehs hingegen erhitzte die Gemüter in den 1960er und 1970er Jahren; die ersten Einkreuzungen mit den Montbéliarde-Rindern wurden in der französischen Schweiz illegal praktiziert. Zu den alten Landrassen, die in ihrem Bestand zum Teil gefährdet sind, gehören Hinterwälder, Original Braunvieh, Rätisches Grauvieh und Original Simmentaler Fleckvieh.