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Schuhindustrie

Werbeplakat für Bata-Schuhe, entworfen vom Grafiker Peter Birkhäuser, 1957 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Werbeplakat für Bata-Schuhe, entworfen vom Grafiker Peter Birkhäuser, 1957 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).

Die Schuhmacher, die während der Frühneuzeit und bis etwa um 1900 nicht selten eine tragende Rolle in aufständischen und revolutionären Bewegungen spielten, bildeten ein traditionsreiches und bedeutendes Gewerbe. Noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Herstellung von Schuhen in der Schweiz gewerblich organisiert und handwerklich geprägt (Handwerk, Zünfte). Neben dem einheimischen Gewerbe, das den grössten Teil der Nachfrage deckte, boten reisende Verkäufer aus Deutschland und Frankreich ihre Schuhe feil. Die erste schweizerische Schuhfabrik, die heutige Schuhfabrik Elgg AG, wurde 1847 in Winterthur gegründet. Vier Jahre später nahm Carl Franz Bally die Schuhproduktion in Schönenwerd auf. Der wichtigste Unterschied zwischen der gewerblichen und der industriellen Produktion bestand nicht darin, dass Letztere maschinell vor sich ging, sondern in der Aufteilung des gesamten Arbeitsgangs in einzelne Schritte. In den 1860er und 1870er Jahren wurden in der Umgebung von Schönenwerd – oft von ehemaligen Arbeitskräften der Firma Bally – mehrere Schuhfabriken gegründet. Weitere nahmen den Betrieb in der Nordostschweiz und im Kanton Zürich auf.

Um 1860 begann die schweizerische Schuhindustrie ihre Erzeugnisse zu exportieren. Gleichzeitig importierte sie technisches Know-how sowie Maschinen aus dem Ausland, vornehmlich aus England und den USA, wo die industrielle Schuhherstellung weiterentwickelt war und technische Innovationen, insbesondere zum Zwicken und Nähen, Anwendung fanden. Im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden zunehmend Grossbetriebe. Die Branche verzeichnete ein zeittypisches Wachstum, dessen Rate nach der Jahrhundertwende abflachte. Während 1888 33 Schuhfabriken mit 3755 Beschäftigten existierten, gab es 1911 83 Betriebe mit insgesamt 8463 Arbeitskräften.

Im Ersten Weltkrieg entwickelte sich die Schuhindustrie trotz Rohstoffmangels positiv. Dank der ausfallenden ausländischen Konkurrenz sowie der grossen in- und ausländischen Nachfrage nach Militärschuhen erreichte sie Rekordumsätze. Um 1921 setzte eine Krise ein, die sich in massiven Produktionsrückgängen und Entlassungen auswirkte. Ende der 1920er Jahre verschlechterte sich die Situation für die angestammte Schuhindustrie zusätzlich, als der tschechische Schuhhersteller Bata in Möhlin die Produktion von Billigschuhen aufnahm. 1934 kam die Schuhindustrie in den Genuss staatlicher Protektion, indem der Bundesrat die Eröffnung und Erweiterung von Betrieben verbot und so die Erhöhung der Produktion verhinderte. Im Zweiten Weltkrieg ging die Schuhproduktion erheblich zurück, stieg dann aber ab Mitte der 1940er bis in die 1960er Jahre stetig an, was auch auf den Einsatz billiger ausländischer Arbeitskräfte zurückzuführen ist. In der arbeitsintensiven Schuhindustrie machen die Lohnkosten einen grossen Teil der gesamten Produktionskosten aus. 1952 betrug der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte 8%, zehn Jahre später bereits 47%.

In den 1970er Jahren verursachten Importe aus Billiglohnländern einen starken Preisdruck auf die schweizerische Schuhindustrie, der für mehr als die Hälfte der Schuhproduzenten das Ende bedeutete. Wurden 1937 jährlich noch rund 10 Mio. Paar Schuhe verfertigt, waren es 1986 ca. 8 Mio., 1994 bloss noch 3,79 Mio. und 2005 rund 1,79 Mio. Paar. Die Beschäftigtenzahl sank 1963-1994 um vier Fünftel auf 2319 Beschäftigte, 2000 waren es noch 951 Beschäftigte, 2005 670. Die schweizerische Schuhindustrie produzierte 2000 vor allem im Tessin, wo sie von den billigen Löhnen der Grenzgänger profitierte. Diese machten ein Drittel der Beschäftigten aus.

Quellen und Literatur

  • E. Bally et al., Die Schuhmacherei der Schweiz, 1884
  • W.A. Grimm, Strukturelle Veränderungen in der schweiz. Schuhwirtschaft 1919-1939, 1941
  • Verband schweiz. Schuhindustrieller, Jber. 1946-
  • O.A. Ziegler, 75 Jahre Verband Schweiz. Schuhindustrieller, 1963
  • Gruner, Arbeiterschaft 1
  • K. Baumann, Die Bally Schuhfabriken 1870-1910 in Schönenwerd, Liz. Zürich, 1992
Weblinks

Zitiervorschlag

Karin Baumann Püntener: "Schuhindustrie", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 06.03.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013973/2013-03-06/, konsultiert am 18.04.2024.