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Möbelindustrie

Der Begriff Möbelindustrie beinhaltet im Wesentlichen die industriell-serielle Herstellung von Einrichtungsgegenständen: vor allem Möbel für Wohn-, Schul- und Arbeitszwecke. An der schweizerischen Möbelproduktion hat aber auch das Handwerk teil, das auf Einzelfertigung und kleine Serien ausgerichtet ist. Bei gemischtbetrieblichen Formen kommen neben der industriellen Herstellung auch Massanfertigung auf Wunsch des Kunden und teilweise verlegte Werkstattarbeit sowie die Kombination von Produktion und Möbelhandel vor.

Der im 17. Jahrhundert von französisch meuble abgeleitete Sammelbegriff Möbel für eine Vielzahl unterschiedlicher "mobiler" Einrichtungsgegenstände verweist auf deren früheren Rechtsstatus als Fahrhabe.

Möbelhandwerk vor 1800

Das Möbelhandwerk zählt zu den jüngeren Handwerken. Die einfache Möblierung des mittelalterlichen Wohnbereichs mit Bett, Tisch, Bank, Stuhl und Truhe, zum Teil in die Holzvertäfelung eingebaut, war Sache des Zimmermanns. Erst im 15. Jahrhundert tauchten in den Städten die auf die Möbelherstellung spezialisierten "Schreiner und Tischmacher" sukzessive als Meisterschaften unter dem Dach bestehender Zünfte auf, zum Beispiel der Zimmerleute in Zürich oder der Krämer in Luzern. Das städtische Schreinerhandwerk verpflichtete seine Mitglieder im 16. Jahrhundert auf Handwerksordnungen mit vorgeschriebener Lehrzeit von zwei bis drei Jahren, Wanderschaft und Meisterstück. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts begann sich das Handwerk aufzuspalten, denn die Mehrheit der Schreiner in der Stadt wie auf dem Land absolvierte zwar eine Lehre, verzichtete aber oft auf die Wanderung. Im 17. und 18. Jahrhundert herrschte unter ihnen wie bei den Zimmerleuten eine starke Konkurrenz. Mit Letzteren, die ähnliche Arbeitsgeräte (Axt, Säge, Hobel) verwendeten, stritten sie sich um Aufträge im Bauhandwerk und um die Herstellung einfacher Gebrauchsmöbel, Fenster und Türen. Die Zünfte entschieden Streitfälle jeweils durch minutiöse Abgrenzung der Berufsfelder.

Von den allgemeinen Schreinern hoben sich städtische und dörfliche Handwerker ab, die sich auf repräsentative Innenausstattungen – Vertäfelungen, Portale, Fensterrahmen, Möbel in Kirchen-, Kloster- und Rathausbauten sowie Stuben der städtischen und ländlichen Oberschicht – spezialisierten. Unter ihnen zeichnete sich eine kleine Zahl städtischer Kunstschreiner aus, die zum Teil auch als Holzschnitzer und Holzbildhauer tätig waren und sich im 18. Jahrhundert nach dem von ihnen verwendeten Ebenholz als sogenannte Ebenisten bezeichneten (Kunsthandwerk). Sie arbeiteten mit Spezialgerät (Profilbohrer, Profilstecheisen und Profilstemmeisen), neuen Werkstoffen, Furnieren und eingeführten Edelhölzern. Ihre Kundschaft gehörte der patrizisch-aristokratischen Oberschicht an, in deren Auftrag sie mit Intarsien und reichen Beschlägen verzierte Luxusmöbel schufen. Einige der Ebenisten waren über die Landesgrenzen hinaus bekannt, so die Familie Funk in Bern, die ab 1724 im Manufakturbetrieb kostbare Kunstwerke anfertigte, darunter auch Pendulen, Spiegel und Büsten.

Möbelproduktion im 19. und 20. Jahrhundert

Messestand der Société anonyme pour l'exploitation du dossier lombaire mobile A. Mauchain an der Landesausstellung in Genf, 1896 (Bibliothèque de Genève, Archives A. & G. Zimmermann).
Messestand der Société anonyme pour l'exploitation du dossier lombaire mobile A. Mauchain an der Landesausstellung in Genf, 1896 (Bibliothèque de Genève, Archives A. & G. Zimmermann). […]

Auch nach 1800 wurde der Bedarf an alltäglichen Holzmöbeln durch Schreiner und jener an Luxusmöbeln durch spezialisierte Tischlermeister gedeckt. Ab den 1840er Jahren entstanden dann vor allem in Zürich, Lausanne und Genf Kunstmöbelmanufakturen mit bis zu 50 Arbeitern. Eigentliche Möbelfabriken wurden erst ab den 1870er Jahren im Gefolge des Booms im schweizerischen Hotelbau errichtet: Steigende Nachfrage und der Ruf nach rascher Belieferung und grösserer Auswahl gaben den Anstoss zur seriellen, maschinellen und spezialisierten Fabrikproduktion. Hierzu eigneten sich anfangs vor allem Sitzmöbel, Polstermöbelgestelle, Büro- und Kleinmöbel, nicht aber Wohnmöbel, die vorerst die Domäne der Einzelfertigung und des Handwerks blieben. Mit fortschreitender Industrialisierung konzentrierten sich die Möbelfabriken auf bestimmte Möbelarten (z.B. Produkte für das Schlafzimmer); nur wenige boten umfassende Wohnmöbelprogramme an. Die ausschliesslich für den Handel produzierenden Engros-Möbelfabriken – zwölf entstanden vor 1910, je sechs zwischen 1910 und 1920 sowie 1920 und 1930 –, verdrängten daher weder die handwerkliche Einzelfertigung der Bau- und Möbelschreiner noch kleinere Möbelfabriken mit Privatkundschaft oder gemischtwirtschaftliche Betriebe. Zur letzteren Kategorie zählten Fabriken mit verlagsweiser Werkstattfertigung sowie Betriebe, die Hilfsmaterialien (Furniere, Glas, Beschläge) und Halbfabrikate einsetzten. Schliesslich fielen darunter auch Unternehmen, die gleichzeitig als Möbelhändler und Produzent (Fabrikant oder Handwerker), als Händler, Tapezierer und Ausrüster sowie als Händler und Polsterer auftraten. Parallel zur Möbelindustrie entwickelte sich eine wichtige Zulieferindustrie, unter anderem die Sperrholz-, Tischlerplatten- und Spanplattenfabrikation, und zur Absatzsicherung entstand der Möbelfachhandel. Betriebsvielfalt und Betriebswandel blieben bis heute ein Merkmal der schweizerischen Möbelbranche, wofür exemplarisch Möbel Pfister steht. Der heutige Marktleader im Einrichtungsfachhandel begann ursprünglich als städtischer Werkstattladenbetrieb in Basel.

Die Fabrikgründer rekrutierten sich anfänglich aus den Handwerksmeistern (v.a. Schreinern), nach 1945 vermehrt aus ehemaligen, leitenden kaufmännischen oder technischen Angestellten von Möbelfabriken. In der Ostschweiz errichteten Württemberger Möbelfabrikanten nach 1900 mehrere Filialen, die später in schweizerischen Besitz übergingen. In ihrer Mehrheit waren die schweizerischen Möbelfabriken Familienunternehmen, die oft anlässlich von Erbteilungen in Aktiengesellschaften umgewandelt wurden (Anteil der Aktiengesellschaften: 1955 42%, 1998 38%).

Entsprechend ihrer handwerklich-industriellen Betriebsstruktur verteilte sich die Möbelproduktion über das ganze Land mit regionalen Schwerpunkten in den Kantonen Zürich, Schwyz, Bern, Waadt, Aargau, Genf und St. Gallen. Insbesondere in den Städten – am dichtesten in Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich – siedelten sich konsum- und kundenorientierte handwerkliche Kleinbetriebe an. Die Kantone Waadt und Genf wiesen ein dichtes Netz an Handwerksbetrieben auf, während Möbelfabriken vor allem im Mittelland der Nord-, Zentral- und Ostschweiz, und zwar ausserhalb grosser Städte, ansässig wurden. Über die Standortwahl entschieden Faktoren wie Arbeitskräfte, Verkehrslage, Steuerbelastung und Bauplatzkosten, aber auch wie im Falle der Ostschweiz leer stehende Fabrikgebäude (ehemalige Textilfabriken). Möbelfabriken beschäftigen mehrheitlich angelernte Arbeitskräfte, Handwerksbetriebe in der Regel ausgebildete Schreiner. Diese machen eine vierjährige Berufslehre und können nach fünf Jahren Weiterbildung mit der Meisterprüfung abschliessen.

Plakat der Zürcher Firma Embru (Eisen- und Metall-Betten-Fabrik, Rüti) von Pierre Gauchat, 1940 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Plakatsammlung).
Plakat der Zürcher Firma Embru (Eisen- und Metall-Betten-Fabrik, Rüti) von Pierre Gauchat, 1940 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Plakatsammlung). […]

Die Möbelindustrie griff bei der maschinellen Fertigung – Fräsen, Hobel, Bohrer, Schneid- und Schleifmaschinen – ursprünglich auf die Dampfkraft zurück, nach 1900 stellte sie dann sukzessive auf Elektrizität um, wobei Maschinen bald auch Eingang im Handwerksbetrieb fanden. In den 1960er Jahren aufkommende teure Spezialmaschinen wie Hochfrequenzanlagen zur Holztrocknung oder Furnierverleimung sowie Einrichtungen zur Fliessfertigung eigneten sich nur für grössere Möbelfabriken. Importierte Edelhölzer, unter anderem Teak, Mahagony, Palisander und Walnuss, waren bei Qualitätsmöbeln üblich, vor allem als Spanplatten und Furniere die Massivbauweise weitgehend verdrängten. Kunststoffe, Aluminium, Glas und Stahlrohr begannen nach 1950 das Holz als Werkstoff teilweise zu ersetzen.

Möbelfabriken in der Schweiz 1895-1949

JahrArbeitsstättenBeschäftigte
  Totalpro Arbeitsstätte
1895199a331716,7
1901383a5 64914,7
1911698a12 50017,9
1923477a8 84118,5
1929596b13 39422,5
1937646b11 12117,2
1944676b13 68720,2
1949896b16 58718,5

a inkl. Modellschreinerei

b inkl. Bau- und Möbelschreinerei

Möbelfabriken in der Schweiz 1895-1949 -  Handbuch der schweizerischen Volkswirtschaft, Band 1, S. 643 (eidgenössische Fabrikstatistiken)

Auf dem schweizerischen Möbelmarkt stieg derweil der Wert der Möbelimporte von 2,3 Mio. Franken 1949 auf 142,2 Mio. Franken 1965, dann auf 2049,3 Mio. Franken 1995 und 2575,9 Mio. Franken 2004 an. 1965 zum Beispiel betrug er mehr als die Hälfte der geschätzten einheimischen Engros-Möbelproduktion im Wert von 250 Mio. Franken. Die Importe in die Schweiz überwogen die Möbelexporte aus der Schweiz jeweils um ein Mehrfaches; 1964 beliefen sich diese auf 13,9 Mio. Franken, 2004 auf 709 Mio. Franken. Eine Ausnahme bildete die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Schweiz Möbel in die kriegsgeschädigten Nachbarländer ausführte. Als Lieferant lag Deutschland seit je an der Spitze, vor Italien und Frankreich, aber auch vor Skandinavien. Im Möbelhandel dominieren nach wie vor grosse schweizerische Verkaufsketten vor ausländischen Unternehmen, sowohl im Laden- als auch im Onlineverkauf. So besass Möbel Pfister 2008 20 Einrichtungshäuser in der Schweiz, während die schwedische Ikea AG im selben Jahr sieben Zentren führte. Sich laufend ändernde Zählmethoden der Statistiker (eidgenössische Fabrikstatistiken und Betriebszählungen) erschweren die Darstellung der langfristigen Entwicklung in der Möbelindustrie. Dennoch wird aus den Daten ersichtlich, dass die rasche Zunahme an Möbelfabriken noch vor 1900 erfolgte und die allgemeine Hausse auch dank Schutzzöllen auf Importen (1903) und Preiskonventionen unter den Fabriken (1909) bis 1910 andauerte. Der Rückgang der Möbelindustrie während des Ersten Weltkriegs wurde nach 1916 durch Betriebserweiterungen, Modernisierungen und Neugründungen wettgemacht, was allerdings in der Krise der 1930er Jahre zu einer Überproduktion und zu Arbeitslosigkeit führte. Noch vor Ende des Zweiten Weltkriegs zog die Konjunktur erneut an.

Möbelhersteller in der Schweiz 1955-1995 (Fabriken, Möbelhandwerk und Bauschreinerei)

JahrArbeitsstättenBeschäftigte
  Totalpro Arbeitsstätte
19558 638a44 9025,2
19657 289a49 5436,8
19755 110b29 0455,7
 2 203c15 1586,9
19851 156c14 54312,6
19952 347c18 7988,0

a Holzmöbel, Bauelemente, Einbauten (inkl. Bauschreinerei)

b Holz und Einbaumöbel, Polsterei sowie Bau- und Möbelschreinerei

c Holz und Einbaumöbel, Polsterei

Möbelhersteller in der Schweiz 1955-1995 (Fabriken, Möbelhandwerk und Bauschreinerei) -  Eidgenössische Betriebszählungen

Die enorme Bautätigkeit ab 1950 im Wohn-, Arbeits- und öffentlichen Bereich (Verwaltung, Schule, Kirche, Spitäler, Hotels, Restaurants, Banken, Einkaufszentren usw.) sowie eine veränderte Mentalität bei den Kunden, die nun anstelle der Aussteuer für das Leben Einzelmöbel kauften und diese bei steigendem Einkommen durch teurere Stücke ersetzten, steigerten die Nachfrage sowohl nach handwerklichen und fabrizierten Qualitäts- als auch nach seriellen Billigmöbeln. Von der Hochkonjunktur profitierten neben den Möbelfabriken viele kleine und mittlere Bau- und Möbelschreinereien, und zwar wechselweise von Bau- wie von Möbelaufträgen. Der konjunkturelle Einbruch nach 1975 ging vor allem zu Lasten der Kleinbetriebe, allerdings ohne längerfristige Wirkung. Wie die Gliederung der Branche nach Grössenklassen für das Jahr 2001 zeigt, fielen immer noch 85% aller Betriebe unter die Kategorie Kleinbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten, wobei Werkstätten unter zwei Arbeitern allein 52% ausmachten; nur 1% der Betriebe beschäftigte mindestens 100 Arbeiter. Die schweizerische Möbelproduktion beruht somit weiterhin in erster Linie auf Klein- und Mittelbetrieben.

Betriebsgrössen in der Möbelproduktion (Stand 2001)

 ArbeitsstättenBeschäftigteBeschäftigte pro Betrieb
Betriebe mit     
1-9 Beschäftigten1 76685%4 25526%2,4
10-99 Beschäftigten29814%8 37251%28,1
100-599 Beschäftigten211%3 73823%178,0
Total2 085100%16 365100%7,8
Betriebsgrössen in der Möbelproduktion (Stand 2001) -  Eidgenössische Betriebszählung 2001

Das Schweizer Möbeldesign setzt mit seiner Devise "Möbel nach Mass" auf das traditionelle Handwerk. Es errang nach Anfängen in den 1930er Jahren (z.B. Wohnbedarf Zürich, 1933 gegründet) ab 1960 mit einer wachsenden Zahl an Firmen für exklusive Möbel (u.a. Teo Jakob, de Sede, Röthlisberger Kollektion, Thut Möbel) internationale Anerkennung. Die Schulen für Gestaltung, vor allem in Basel, Lausanne, Bern, Zürich, St. Gallen und Brugg, nahmen Möbeldesign als eigenes Fach in ihr Lehrprogramm auf. Möbelmessen sowie das seit 1987 bestehende Designcenter Langenthal und die vom Verein Puls-Neues Schweizer Möbeldesign seit 2003 angebotene Online-Plattform für Design-Produkte fördern die Bekanntheit der Designerszene.

Die Interessen der Möbelindustrie und des Möbelhandels werden durch verschiedene Berufsverbände wahrgenommen. Zu erwähnen sind der 1887 bzw. 1918 gegründete Verband schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten mit Sitz in Zürich (2008 15 Regionalverbände mit rund 2300 Mitgliederschreinereien), der 1930 gegründete Schweizerische Engros-Möbelfabrikantenverband mit Sitz in Lotzwil sowie der 1934 gegründete Schweizerische Möbelfachverband, ab 1985 Schweizerischer Verband der Innendekorateure, des Möbelfachhandels und der Sattler mit Sitz in Solothurn, seit 2003 unter dem Namen interieursuisse (2008 15 Sektionen mit 795 Firmen und ca. 4000 Beschäftigten).

Quellen und Literatur

  • C.A. Hofstetter, Die wirtschaftl. Organisation der schweiz. Möbelindustrie, 1922
  • HWSVw 3, 71-75
  • A. Schnyder, Das Möbelgewerbe in der Schweiz, 1950
  • HSVw 1, 642 f.
  • H. Schiffhorst, Die Fliessfertigung in den Betrieben der Möbelindustrie unter besonderer Berücksichtigung des Fliessbandes, 1959
  • T. Toggweiler, Möbelindustrie und Möbelhandwerk in der Schweiz, 1968
  • Das Gewerbe in der Schweiz, 1979
  • A.-M. Dubler, Handwerk, Gewerbe und Zunft in Stadt und Landschaft Luzern, 1982 (mit Reg.)
  • W. Bellwald, Wohnen und Wohnkultur, 1996
  • T. Boller, W. Dubno, Zürcher Möbel: das 18. Jh., 2004
  • T. Loertscher, Zürcher und Nordostschweizer Möbel: vom Barock bis zum Klassizismus, 2005
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Möbelindustrie", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.11.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013990/2009-11-10/, konsultiert am 22.09.2023.