Branntwein wird durch Destillation, das «Brennen», aus gegorenen Flüssigkeiten gewonnen, zum einen zu industriellen, pharmazeutischen und kosmetischen Zwecken, zum andern durch Zufügen von Wasser und Aromastoffen zu Trink-Branntwein (Alkoholgehalt 25-55 Volumenprozent). Die ursprünglich natürlichen Basisstoffe (Wein, Obst usw.) werden auch durch industrielle Rohstoffe (u.a. Melasse, Zellulose) ersetzt. Die offizielle Terminologie für Branntwein lautet «Brand».
Mittelalter und frühe Neuzeit
Im Mittelalter galt Branntwein nicht als Genuss-, sondern als Arzneimittel, hergestellt in Apotheken und Klöstern. Noch im 15. Jahrhundert war die Weinhefe (Drusen) als minderwertiger Bodensatz von der Weinsteuer abziehbar (St. Gallen 1426). Als sich die obrigkeitlichen Sittenmandate und Stadtsatzungen in der Eidgenossenschaft nach 1600 erstmals mit Branntwein auseinander setzten, war dessen Herstellung bereits verbreitet, zum Teil mit landschaftlichen Schwerpunkten wie im bernischen Unteraargau. Die Obrigkeiten versuchten in ihren Territorien die Herstellung und den Verkauf von Branntwein als patentpflichtiges Regal durchzusetzen und Schnaps wie Wein zu besteuern (Ungeld). Gewerbsmässige Brenner mit Patent wurden gegen wilde Konkurrenten geschützt (Thun 1677), aber auch dazu angehalten, nicht mit Branntwein zu hausieren (Bern 1675) oder beim Haus auszuschenken, sondern zwecks besserer Kontrolle den Branntwein zum Verkauf in die Hauptstadt zu bringen (Bern 1736). In St. Gallen waren einzig Küfer als gewerbsmässige Lohnbrenner zugelassen (1673).
Gebrannt wurden vor allem Kirschen, Zwetschgen, Apfel- und Birnschnitze, Wein- und Mostdrusen, Wein- und Obsttrester, selten Getreide (Frucht-Branntwein). Genf verbot 1617 das Brennen von Wein, nicht aber von Trester (französisch lie). Branntwein war als Arznei in Haus und Stall und als Rohstoff der Apotheker weithin geschätzt. Angesichts missbräuchlichen Branntwein-Konsums, vor allem in der Hausse der 1640er und in den Krisen der 1690er und 1770er Jahre, wurde Winkelwirten der Ausschank und generell das Branntwein-Trinken vor der Predigt verboten (Glarus 1690). Wirte durften nur unverfälschten Branntwein ausschenken (Bern 1788). Angedrohte Konfiskationen der Brennhäfen sowie Einfuhrverbote für Branntwein konnten jedoch mangels genügender Kontrollen nicht durchgesetzt werden.
19. und 20. Jahrhundert
Bis 1885 hatten die Kantone das Branntwein-Monopol samt Besteuerungsrecht inne. Im 19. Jahrhundert nahm die Herstellung von Branntwein, vor allem von Kartoffelschnaps (Härdöpfler), durch bäuerliche Hausbrennereien vor allem in den Agrarkantonen Freiburg, Bern, Solothurn, Aargau und Luzern in beachtlichem Mass zu. Parallel dazu verbreitete sich der Alkoholismus in beängstigendem Ausmass. Gemeinnützige Vereine (Abstinenzbewegung) erreichten schliesslich in der Verfassungsrevision von 1885 (Artikel 32bis BV) die Übertragung des Einfuhr- und Fabrikationsmonopols an den Bund, indes ohne Obst- und Wein-Branntwein (Pränz). Konzessionen erhielten unter anderem bäuerliche Genossenschaftsbrennereien mit der Verpflichtung, den Branntwein an den Bund abzuliefern. Als mit wachsendem Obstbau auch die Tresterbrennerei (Träsch, Bätziwasser) und der Schnapsverbrauch wieder zunahmen, wurde 1930 die Alkoholgesetzgebung (Artikel 31 und 32bis BV) geändert.
Branntweinkonsum 1880-1999a
Zeitraum | Menge |
---|---|
1880-1884 | 11,8 l |
1893-1902 | 7,2 l |
1933-1939 | 2,9 l |
1961-1965 | 4,5 l |
1981-1985 | 5,4 l |
1991-1994 | 4,1 l |
1995-1999 | 3,7 l |
a Pro-Kopf-Jahresverbrauch von B. zu 40 Volumenprozent in ausgewählten Zeitabschnitten
Das Monopol des Bundes erstreckt sich seither auf alle Spirituosen. Er erteilt Konzessionen an Gewerbe-, Lohn- und (seit 1945) Hausbrennereien. Private mit Konzession müssen einen Lohnbrenner beiziehen. Den Import von Branntwein überlässt der Bund Privaten, kontrolliert und besteuert ihn aber. Für die Schweiz typisch ist die dezentrale Verwaltung, unter anderem die Kontrolle durch Kreisinspektoren. Der Reinertrag (Besteuerung von Ausschank und Kleinhandel) ging anfangs an die Kantone, ab 1933 hälftig an Bund und Kantone, ab 1984 zu 90% an den Bund zugunsten der AHV/IV und zu 10% an die Kantone zur Bekämpfung von Suchtproblemen. Der Pro-Kopf-Konsum von Branntwein schwankte enorm. An ihm ist ablesbar, dass sowohl Zeiten materieller Not (1880er Jahre) wie auch von Wohlstand (1970er und 1980er Jahre) den Konsum anheizten, zumal Branntwein relativ billig zu kaufen war. Umgekehrt senkte die verschärfte Gesetzgebung, verbunden mit höheren Preisen, den Verbrauch in Krisenzeiten (1930er Jahre). In den 1990er Jahren wirkte sich das wachsende Gesundheitsbewusstsein konsumsenkend aus.
Der schweizerische Spezialitätenbrand umfasst vor allem Branntweine aus Steinobst, Wein(hefe), Traubentrester und Wildgewächsen (u.a. Enzianwurzel, Wacholder). Zu eigentlichen Exportzweigen entwickelten sich im 19. Jahrhundert die Zuger Kirsch- und die Neuenburger Wermutbrennerei (Absinth).
Konzessionierte Brennereien 1953-2000
1953 | 1995 | 2000 | |
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Hausbrennereien | 25'849 | 10'221 | 9'680 |
Gewerbliche Brennereien | 2'699 | 1'014 | 702 |
davon Kernobstbrand | 876 | 316 | 350a |
davon Spezialitätenbrand | 961 | 338 | -a |
davon Lohnbrennereien | 862 | 360 | 352 |
Industrielle Brennereien (Sprit) | 3 | 1 | 1 |
a nicht mehr getrennt erhoben
Quellen und Literatur
Kontext | Schnaps, Spirituosen |