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Chemische Industrie

Die Fabrik von Johann Rudolf Geigy in Basel. Von Orell Füssli in Zürich um 1910 gedruckte Lithografie (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich).
Die Fabrik von Johann Rudolf Geigy in Basel. Von Orell Füssli in Zürich um 1910 gedruckte Lithografie (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich). […]

Die chemisch-pharmazeutische Industrie der Schweiz hat seit dem Zweiten Weltkrieg einen multinationalen Charakter angenommen; sie ist in rund 65 Ländern mit Niederlassungen und Tochtergesellschaften vertreten. Aufgrund ihrer hohen Wertschöpfungsrate und der grossen Anzahl Beschäftigter zählt sie zu den wichtigsten Industriezweigen der Schweiz. Die chemische Industrie setzte 1999 weltweit Produkte für 87 Mrd. Franken um, davon ca. 39% in der Schweiz. Sie exportierte Erzeugnisse im Wert von 34 Mrd. Franken und erwirtschaftete damit einen Aussenhandelsüberschuss von 15 Mrd. Franken. Sie beschäftigte rund 68'000 Arbeitnehmer, ca. 10% aller Beschäftigten in der Industrie (= 7% im gesamten Sekundärsektor). Mit 31% leistete sie 2000 einen grossen Anteil an den privatwirtschaftlichen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in diesem Sektor. Rohstoffarmut und Unternehmer- sowie Erfindergeist liessen in der Schweiz schon früh eine überaus rentable Veredelungs- oder Spezialitätenchemie entstehen. Der Anteil der chemischen Spezialitäten am gesamten Produktportfolio der schweizerischen Chemischen Industrie ist mit 90% im internationalen Vergleich ausserordentlich hoch. Dabei produziert die schweizerische chemische Industrie kaum Massengüter. Vielmehr überschreitet der Weltjahresbedarf für einzelne Wirkstoffe oft kaum eine Tonne und macht für bestimmte Materialien sogar nur einige Kilogramm aus.

Die Produktepalette der Chemischen Industrie ist überaus vielfältig; sie umfasst Pharmazeutika, Diagnostika, Vitamine, Farbstoffe, Carotinoide, Agrochemikalien, Aromen und Riechstoffe, Dünge- und Spülmittel sowie Verbundwerkstoffe für die Flugzeugindustrie oder auch Einkristalle auf Korundbasis für die Uhren- und Raumfahrtindustrie. Insgesamt dürfte die schweizerische chemische Industrie über 30'000 verschiedene Stoffe erzeugen und kommerziell nutzen.

Überaus heterogen ist auch die Struktur der Chemischen Industrie. Neben den bekannten Basler Konzernen gibt es mindestens 330 Betriebe kleinerer und mittlerer Grösse. Zwei von drei chemischen Unternehmen beschäftigen weniger als 100 Mitarbeiter; nur acht Firmen weisen über 1000 Mitarbeitende auf. Die meisten Unternehmen sind heute in den Kantonen Basel-Stadt, Basel-Land, Aargau und im Wallis angesiedelt.

Säuren- und Teerfarbenherstellung im 19. Jahrhundert

Die Anfänge der eigentlichen Chemischen Industrie in Europa sind eng verbunden mit der Meisterung der grosstechnischen Herstellung zweier Grundchemikalien, nämlich der Schwefelsäure durch das Bleikammer-Verfahren von Roebuck und Garbett 1746 in England sowie der Soda durch den Leblanc-Prozess 1791 in Frankreich. Andere wichtige chemische Stoffe wie Salzsäure und Natronlauge wurden damit technisch zugänglich und der Apparate- und Anlagenbau konnte sich entwickeln. In dieser Frühphase der chemischen Industrialisierung setzte auch in der Schweiz die Säureproduktion ein. Weil der Transport von Säuren in Glasflaschen vor dem Eisenbahnzeitalter zu teuer war, entstanden in der Nähe der Verbraucher – in erster Linie Textilfabriken – kleinere Betriebe. Ab 1778 stellten Johann Sebastian Clais und Johann Heinrich Ziegler in Winterthur-Neuwiesen Schwefelsäure, später dann auch Salzsäure, Soda, Chlorkalk, Salpetersäure und Kupfersulfat her. Die Firma, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur grössten schweizerischen Chemiefirma avancierte, schloss bereits 1854. Die Geschwister Schnorf eröffneten 1810 ein Unternehmen in Aarau sowie 1818 ein zweites in Uetikon am See (Chemische Fabrik Uetikon). 1812 nahm die Firma von Carl Friedrich Renz in Basel die Produktion auf. Weitere solche Säurefabriken wurden in den Kantonen Bern, Solothurn, Glarus und Aargau gegründet.

Die noch gewerbliche Herstellung vermochte allerdings den Bedarf der sich rasch entwickelnden Verarbeitungsindustrie nicht zu decken; schon 1844 hielt eine eidgenössische Kommission fest, dass die inländischen Chemikalienhersteller die Nachfrage in den Färbereien, Kattundruckereien, Seifensiedereien, Glashütten usw. nicht befriedigen könnten und deshalb viele Produkte eingeführt werden müssten. Die meisten dieser Kleinbetriebe gingen denn auch kurz nach der Jahrhundertmitte wieder ein, weil die neu entstandene Eisenbahn den Import von Chemikalien aus dem Ausland in grossem Umfang ermöglichte. Ein Ausnahme bildete das Unternehmen der Geschwister Schnorf, das heute noch besteht.

Die erste Fabrik Kern & Sandoz in Basel, um 1886 (Firmenarchiv der Novartis AG, Basel, SA FOT 3.24.002).
Die erste Fabrik Kern & Sandoz in Basel, um 1886 (Firmenarchiv der Novartis AG, Basel, SA FOT 3.24.002).

Die moderne chemische Industrie mit hoher Wertschöpfung begann mit der Herstellung künstlicher Farbstoffe und der ökonomischen Synthese natürlicher Farbstoffe, wobei der bei der Verkokung von Steinkohle zur Eisen- und Stahlerzeugung anfallende Teer zur unentbehrlichen Quelle jener Chemikalien wurde, welche die Basis der "Teerfarbenindustrie" darstellten. Den ersten synthetischen Farbstoff, Mauvein, entdeckte William Henry Perkin 1856 in London. Emanuel Verguin entwickelte 1858 in Frankreich eine technische Synthese des roten Farbstoffes Fuchsin, der grossen Anklang bei Tuchfärbereien fand. 1859 nahm der Seidenfärber Alexander Clavel die Teerfarbenfabrikation in Basel auf. Er verkaufte seine Firma 1873 an Bindschedler & Busch, die sie 1884 in die Gesellschaft für Chemische Industrie Basel (Ciba) umwandelten. Innert kurzer Zeit nahmen weitere Firmen die Teerfarbenfabrikation auf, so 1859 die J.R. Geigy (Geigy), 1862 die J.G. Dollfuss (ab 1872 Durand & Huguenin), 1864 die Gerber & Uhlmann (1898 zu Ciba) und 1886 Kern & Sandoz (Sandoz). Basel bot als Standort mehrere Vorteile: Mit der einheimischen Seiden- und der elsässischen Indienneindustrie bestand ein günstiger Absatzmarkt. Zudem kannte die Schweiz bis 1907 keine Patentgesetzgebung, sodass die Basler Firmen im Gegensatz zur ausländischen Konkurrenz Produkte kopieren konnten. Der Rhein erleichterte die Entsorgung giftiger Abfälle. Schliesslich besass die Stadt gute Eisenbahnverbindungen zur Beschaffung der Rohstoffe über Deutschland und Frankreich. Als Folge der raschen Entwicklung der chemischen Industrie wurde 1882 in Zürich die Schweizerische Gesellschaft für Chemische Industrie (SGCI) als wirtschaftspolitischer Interessenverband ins Leben gerufen.

Die Gründerjahre im ausgehenden 19. Jahrhundert brachten aber noch eine wesentliche technologische Entwicklung, die grossen Einfluss auf die Konsolidierung der Chemischen Industrie in der Schweiz haben sollte. Die Erzeugung preisgünstiger Elektrizität durch Generatoren nach dem Siemens'schen Dynamoprinzip 1866 bildete die Voraussetzung für das Aufkommen der technischen Elektrochemie, deren Grundlagen schon mit der voltaischen Säule Anfang des 19. Jahrhunderts gelegt worden waren. In der Nähe der neuen grossen Elektrizitätswerke entstanden gegen Ende des 19. Jahrhunderts elektrochemische Betriebe. Am Rheinfall in Neuhausen siedelte sich 1888 die Aluminium-Industrie AG (AIAG, Alusuisse) an, die durch Elektrolyse von Tonerde im Schmelzfluss Aluminium gewann. Mit dem Werk in Chippis wurde die Firma auch im Wallis tätig. Das anfänglich zweitwichtigste elektrochemische Produkt war chlorsaures Kali, das ab 1890 in einer grösseren Fabrik in Vallorbe und ab 1895 in einer kleineren in Turgi hergestellt wurde. Nachdem es dem französischen Forscher Ferdinand Frédéric Henri Moissan 1892 gelungen war, die Herstellung von Calciumcarbid im Lichtbogenofen zu beschreiben, ging die AIAG 1894 zur industriellen Produktion über. Weitere Firmen folgten, vor allem ab 1898 die Lonza in Gampel, der ab 1915 auch die Kunstdüngerproduktion im industriellen Massstab gelang. La Volta in Vernier sowie die Société des Usines de Produits chimiques de Monthey (ab 1904 Ciba) zerlegten ab Ende der 1890er Jahre Kochsalzlösungen in Chlor und Natronlauge.

Ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts entstand die Kunstseidenproduktion. Die um 1890 gegründeten Fabriken in Spreitenbach und Glattbrugg, die nach dem Chardonnet-Verfahren produzierten, gingen 1905 bzw. 1906 wieder ein. Die 1906 in Emmenbrücke eröffnete Société de la Viscose (Viscosuisse) blieb dagegen erfolgreich. Mitte der 1920er Jahre kamen weitere Firmen dazu, unter anderen die ehemalige Stickerei Feldmühle in Rorschach.

Um ca. 1915 begann die Lonza, Acetylen als Ausgangsstoff zur Synthese wichtiger chemischer Basisstoffe wie Acetaldehyd, Essigsäure, Alkohol (Carbidsprit) sowie weiterer organischer Produkte zu nutzen. In den 1960er Jahren wurde die Acetylengewinnung aus Calciumcarbid durch den Benzinspaltprozess abgelöst, der zusätzlich noch Wasserstoff und Ethylen lieferte. Die technische Synthese von Acetaldehyd aus Acetylen sowie nach dem Wacker-Verfahren aus Ethylen schuf aber auch den Zugang zu Stickstoffbasen, vor allem Pyridinkörpern. Zur gleichen Zeit erschloss die Hochtemperatursynthese von Blausäure aus Ammoniak und Methan die Herstellung weiterer stickstoffhaltiger Verbindungen, die für die Farbenchemie und vor allem für die aufkommende pharmazeutische Chemie in Basel von Bedeutung waren. Die im Wallis etablierte Acetylenchemie war aber auch eine wesentliche Voraussetzung für spätere technische Synthesen der F. Hoffmann-La Roche auf dem Gebiet der Vitamine und Carotinoide sowie der Givaudan-Roure auf dem Gebiet gewisser Riechstoffe.

Die chemisch-pharmazeutische Industrie im 20. Jahrhundert

Plakat für das 75-jährige Jubiläum der Ciba-Geigy Monthey, 1979 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat für das 75-jährige Jubiläum der Ciba-Geigy Monthey, 1979 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

In den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens lebte die chemische Industrie Basels fast ausschliesslich von der Farbstoffproduktion. Die Teerfarbenproduktion überschritt kurz nach dem Ersten Weltkrieg ihren Höhepunkt. Damals zeichneten sich in der Chemischen Industrie aber bereits neue Wachstumsbereiche ab, vor allem die Pharmaproduktion. Ciba hatte damit schon Ende der 1880er Jahre begonnen. Auch die 1892 gegründete Chemische Fabrik M.C. Traub hatte sich auf die Gewinnung und den Vertrieb von pharmazeutischen Produkten konzentriert. 1896 wandelte das Unternehmen sich in die F. Hoffmann-La Roche & Co. und schliesslich 1919 in die F. Hoffmann-La Roche & Co. AG um (Roche). 1917 bzw. 1939 stiegen auch die Sandoz und die Geigy in das Erfolg versprechende, aber auch kapitalintensive Gebiet ein, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg zum eigentlichen Kerngeschäft entwickeln sollte.

Beschäftigte in der chemischen Industrie 1870-2000

JahrBerufstätigeAnteil an allen Berufstätigen im 2. Sektor
18701 1000,2 %
18803 1000,5 %
18883 5000,7 %
19005 7000,8 %
19108 3001,1 %
192016 8002,1 %
193017 3002,0 %
194124 6002,9 %
195035 5003,6 %
1960a50 9004,1 %
1970a67 1004,9 %
1980a64 8005,4 %
1990a58 3005,3 %
2000a45 1005,3 %

a ab 1960 inklusive Teilzeitbeschäftigte

Beschäftigte in der chemischen Industrie 1870-2000 -  Eidgenössische Volkszählungen; Historische Statistik der Schweiz; Bundesamt für Statistik

Im Vergleich zu anderen Branchen war die Entwicklung der Chemischen Industrie im 19. Jahrhundert relativ bescheiden geblieben, der Bedarf an Kapital wie an Arbeitskräften gering. Noch 1900 zählte sie bloss 5700 Beschäftigte, d.h. etwa gleich viel wie die Gerberei, aber wesentlich weniger als die Textilindustrie, die 164'000 Arbeitern ein Auskommen bot. Ab den 1880er Jahren gaben die Basler Firmen die Massenproduktion nach und nach auf und produzierten zunehmend hochwertigere Farben, die einen hohen Forschungsstandard, gut ausgebildete Facharbeiter und immer kostspieligere und kompliziertere Produktionsanlagen voraussetzten; diese Entwicklung wurde durch das Aufkommen der Pharmaproduktion um die Jahrhundertwende beschleunigt. Einen erheblichen Aufschwung erlebte die chemische Industrie während des Ersten Weltkriegs, als die mächtige deutsche Konkurrenz ausfiel. Die Zwischenkriegszeit brachte schwere wirtschaftliche Krisen zu Beginn der 1920er und 1930er Jahre; insgesamt hielt sich die chemische Industrie, die sich neue Bereiche wie Textilhilfs- und Kunststoffe oder Agrochemie (Schädlingsbekämpfung) erschloss, aber besser als andere exportorientierte Branchen, vor allem nach 1932.

Die Beziehungen der J.R.Geigy AG, der Ciba, der Hoffmann-La Roche & Co. AG und der Sandoz AG zum Dritten Reich sind in jüngster Zeit erforscht worden. Diese Firmen waren als einzige wichtige nichtdeutsche Unternehmen der Farb- und Pharmaproduktion von 1933 bis 1945 in Deutschland tätig und unterhielten während des Kriegs im besetzten Polen Fabriken. In den Werken der Hoffmann-La Roche & Co. AG und der J.R. Geigy in Grenzach wurden während des Kriegs ausländische Zwangsarbeiter eingesetzt; die J.R. Geigy war zudem an der «Arisierung» eines jüdischen Betriebs in Wien beteiligt. Andererseits stellte die Niederlassung der Roche in Warschau pro forma junge Polen an und verhinderte damit, dass diese als Zwangsarbeiter nach Deutschland gebracht wurden. Heute noch heftig diskutiert wird die Affäre der in Basel ansässigen IG Chemie bzw. der Interhandel; bei diesem Unternehmen handelte es sich allerdings um eine reine Holdinggesellschaft, die trotz ihres Namens in keiner Weise mit den Basler Chemiekonzernen verbunden war.

Werbeplakat für das Fungizid Cupra, gestaltet 1946 von Samuel Henchoz für die Société des produits chimiques S.A. in Renens (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Werbeplakat für das Fungizid Cupra, gestaltet 1946 von Samuel Henchoz für die Société des produits chimiques S.A. in Renens (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

Während der Zweite Weltkrieg für die europäische Konkurrenz weitere Rückschläge brachte, konnte sich die inländische chemische Industrie früh auf die Nachkriegszeit vorbereiten, in der sie eine führende Stellung in der schweizerischen Wirtschaft erlangte. Der nun einsetzende Aufschwung der chemisch-pharmazeutischen Industrie war bedingt durch das rasche Aufkommen röntgenografischer, spektrografischer und spektrometrischer Methoden, welche die Strukturbestimmungen von Molekülen wesentlich erleichterten. Dazu kam die effiziente Ausgestaltung chromatografischer Methoden zum Nachweis und zur Reinigung von neuen Produkten und Naturstoffen. Erst die Ergebnisse der chemisch-physikalischen Grundlagenforschung erlaubten die Entwicklung der modernen Naturstoff-, Wirkstoff- und Kunststoffforschung in Basel und in anderen Forschungszentren der schweizerischen Chemiefirmen.

Arbeiterinnen beim Abfüllen und Verpacken von Trix W, einem Mottenmittel der Firma Geigy, im Werk Schweizerhalle. Fotografie  des Ateliers Eidenbenz, Basel, um 1950 (Firmenarchiv der Novartis AG, Basel, Geigy PA 73/4, Nr. K1).
Arbeiterinnen beim Abfüllen und Verpacken von Trix W, einem Mottenmittel der Firma Geigy, im Werk Schweizerhalle. Fotografie  des Ateliers Eidenbenz, Basel, um 1950 (Firmenarchiv der Novartis AG, Basel, Geigy PA 73/4, Nr. K1).

Die Entschlüsselung des genetischen Codes führte zur medizinisch-biologisch begründeten Pharmaindustrie, die ihre Aktivitäten durch Übernahme entsprechender Firmen weltweit ausbaute (Biotechnologie). Der hohe Spezialisierungsgrad der biologisch-chemischen Forschung, der internationale Konkurrenzkampf, die zunehmende Regeldichte als Folge bitterer Fehlschläge (Teratogenität von Thalidomid in Medikamenten wie Contergan; biologische Nichtabbaubarkeit von hochchlorierten Verbindungen wie DDT) und Katastrophen ("Seveso-Dioxin", Schweizerhalle) sowie die hohen Entwicklungskosten eines Medikaments (ca. 500 Mio. Franken bis zur Markteinführung) erforderten die Bündelung der Kräfte durch Konzentration auf gewisse therapeutische Indikationsgebiete. Damit einher gingen die 1970 und 1996 erfolgten Fusionen von Ciba und Geigy zur Ciba-Geigy bzw. von Ciba-Geigy und Sandoz zur Novartis, wobei die Bereiche der Farben und Spezialitäten ausgegliedert und bei den selbstständigen Firmen Clariant und Ciba Specialities konzentriert wurden. Hoffmann-La Roche stützte seine Stellung auf dem Pharma- und Diagnostikamarkt durch die Übernahmen der Aktienmehrheit von Genentech, der erfolgreichsten gentechnologischen Firma der USA (1990), und der Boehringer Mannheim (1998). Die 1963 von der Hoffmann-La Roche aufgekaufte Aromen- und Riechstofffirma L. Givaudan & Cie. S.A., die mit der ein Jahr später erworbenen Roure Bertrand Dupont S.A. zur Givaudan-Roure zusammengefasst wurde und den Mutterkonzern zum weltweiten Marktführer auf dem Gebiet der Riechstoffe und Aromen gemacht hatte, wurde dagegen 2000 abgestossen (Givaudan).

Quellen und Literatur

  • R. Baumgartner, Die wirtschaftl. Bedeutung der chemischen Industrie in Basel, 1947
  • A. Bürgin, Gesch. des Geigy-Unternehmens von 1758 bis 1939, 1958
  • 75 Jahre Sandoz, 1961
  • U. Greilinger-Schnorf, 175 Jahre Chemie Uetikon, 1993
  • T. Straumann, Die Schöpfung im Reagenzglas, 1995
  • H.C. Peyer, Roche – Gesch. eines Unternehmens 1896-1996, 1996
  • Chemie in der Schweiz – Gesch. der Forschung und der Industrie, hg. von T. Busset et al., 1997 (mit Bibl.)
  • C. Fux, Lonza, 1997
  • C. Simon, «The Rise of the Swiss Chemical Industry Reconsidered», in The Chemical Industry in Europe, 1850-1914, hg. von E. Homburg et al., 1998, 9-27
  • J. Tanner, «The Swiss Pharmaceutical Industry», in Determinants in the Evolution of European Chemical Industry, 1900-1939, hg. von A.S. Travis et al., 1998, 257-271
  • Veröff. UEK 2 und 7
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans-Jürgen Hansen: "Chemische Industrie", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.02.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014007/2007-02-22/, konsultiert am 19.03.2024.