Handel ist Austausch von Gütern auf lokaler, regionaler (Kleinhandel), überregionaler und internationaler Ebene (Aussenwirtschaft, Exportwirtschaft). Die Handelsströme auf den verschiedenen Ebenen bedingen und ergänzen sich wechselseitig. In der Vergangenheit haben die schweizerische wie die europäische Geschichtsschreibung vor allem den prestigeträchtigen, in den Quellen leichter fassbaren Fernhandel erforscht. Erst in jüngerer Zeit rückte der schlechter dokumentierte lokale und regionale Handel ins Blickfeld der Historiker.
Mittelalter
Die rege Handelstätigkeit, die Helvetien in römischer Zeit gekannt hatte, hörte mit der Niederlassung der Burgunder und der Alemannen, dem Zerfall der städtischen Strukturen und der Verbindungswege fast vollständig auf. Der Güteraustausch konnte sich zwar vom 7. Jahrhundert an wieder ein wenig erholen, aber er war auf den eng begrenzten Markt der Bischofsstädte und der Klöster beschränkt und betraf nur geringe Mengen von Waren wie Salz, Metalle, Wein, Seidenstoffe und Gewürze. Der Ferngüterverkehr über den Grossen St. Bernhard und später (8.-9. Jh.) auch über die Bündner Pässe lag in den Händen byzantinischer, syrischer, jüdischer und – erst vereinzelt – italienischer Kaufleute. Dieser Handel hat allerdings nur wenige Spuren hinterlassen.
Die Schweiz mit ihrer günstigen Lage am Schnittpunkt der grossen europäischen Verkehrsachsen profitierte früh von der "kommerziellen Revolution" (Robert S. Lopez) des 11. Jahrhunderts. Das Bevölkerungswachstum sowie die Gründung rund zweihundert neuer Städte (Städtegründung) begünstigten die Entwicklung einer Marktwirtschaft. Vor dem 13. Jahrhundert scheint die Schweiz aber nur eine passive Rolle gespielt zu haben: Die – selten erwähnten – Kaufleute aus dem schweizerischen Raum waren Wiederverkäufer im Kleinhandel; sie reisten nicht zu den grossen Messen der Champagne, die ab Beginn des 12. Jahrhunderts blühten, sondern füllten ihre Bestände bei den durchziehenden fremden Kaufleuten auf. Nur einige Städte vermochten ihre Handelstätigkeit über den lokalen Rahmen hinaus auszudehnen, zum Beispiel Genf, Zürich, Basel oder Rorschach als Hafen (portus) der reichen Abtei St. Gallen.
Die Handelstätigkeit innerhalb der Schweiz kam um 1200 in Gang. Die Viehzüchter der zentralen Alpentäler begannen auf die starke Nachfrage der umliegenden Regionen zu reagieren und ihr Vieh auf die neuen städtischen Märkte des Mittellandes und bald auch der Lombardei und Venetiens zu treiben (Viehhandel). Auf dem Rückweg importierten sie Güter, welche die Bergregionen nicht oder nur in geringem Mass hervorbrachten: Salz, Getreide und Waffen. Mangels expliziter Quellen bleiben aber Bedingungen und Datierung dieser kommerziellen Entwicklung umstritten; es gibt Autoren, die das Phänomen erst im 14. Jahrhundert ansiedeln.
Auf dem Kontinent entwickelte sich der Handel im 13. Jahrhundert rasch. Luxusartikel und Rohstoffe waren weiterhin die wichtigsten Handelsgüter, aber die Kundschaft dehnte sich auf neue Bevölkerungsschichten aus. Da ein grosser Teil dieses Handelsverkehrs über das Gebiet der Schweiz lief, entstanden hier Handelszentren wie Luzern oder Zürich und vor allem mit Privilegien ausgestattete Messeplätze. Die Genfer Messen sind von 1262 an bezeugt. Im 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts lagen ihre Besonderheit und ihre Bedeutung in der Kombination von Handels- und Kreditgeschäften. Dank der Italiener (Mailänder, Genuesen, Venezianer und v.a. Florentiner) wurde Genf zu einem europäischen Handelszentrum für kostbare Güter und für Geld. Seine Rolle verblasste erst nach 1460 mit der erstarkenden Konkurrenz von Lyon und den Veränderungen im System des internationalen Handels. Die Messen von Zurzach (ab Mitte 14. Jahrhundert) hatten weder die europäische Ausstrahlung noch die finanzielle Bedeutung Genfs, aber sie konnten sich dauerhaft etablieren als zentrale Einrichtung des regionalen Austausches und als Element eines Netzes deutscher Messen, aus denen jene von Frankfurt vom 16. Jahrhundert an hervortrat.
Genf und Zurzach, beide an den äussersten Rändern des eidgenössischen Territoriums, aber günstig positioniert an den grossen Verkehrsachsen, regten den Handel in der ganzen Eidgenossenschaft an. Über ihre Messen gelangten die Handwerkserzeugnisse aus Freiburg (Wolltuche), Zürich (Seidenstoffe) oder St. Gallen (Leinwand) in den Export. Kaufleute aus allen Städten der Eidgenossenschaft besuchten sie, um ihre Lager mit Waren aufzufüllen, die für die lokale Kundschaft bestimmt waren. Diese Kaufleute nahmen im schweizerischen Raum einen beachtlichen, international aber einen zweitrangigen Platz ein, denn nur sehr wenigen gelang der Einstieg in den Fernhandel, keinem einzigen ins Genfer Bankgeschäft (Banken). Sogar die wenigen Genfer Handelsleute des 15. Jahrhunderts, die – als die dynamischsten von allen – andere Messen besuchten (jene am Rhein oder in Chalon-sur-Saône, im Languedoc oder in Katalonien) und Beziehungen pflegten mit den grossen Geschäftsleuten ihrer Zeit wie Jacques Cœur oder den Medici, übten nicht mehr als eine regionale Funktion aus. Einzige erwähnenswerte Ausnahme stellt die bernisch-sankt-gallische Diesbach-Watt-Gesellschaft dar, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts entstand und bis um 1460 aktiv war. Das weitgehende Fehlen des wirklich grossen Handels erklärt auch den raschen Niedergang Genfs, der auch durch die deutschen Grosshändler, die um 1480 die Italiener ersetzten, nicht aufgehalten werden konnte. Es erklärt gleichzeitig auch den Rückgang der grossen überregionalen Handelsaktivitäten in der Eidgenossenschaft nach 1500.
Auf lokaler Ebene hatte jede Stadt oder jeder Flecken einen genau geregelten Wochenmarkt und oft einen oder zwei Jahrmärkte (Märkte, Messen). Die Handwerker verkauften ihre Produkte direkt an die Kundschaft. Umherziehende Händler (Hausierer) von eher zweifelhafter Reputation verkehrten zwischen Stadt und umliegender Landschaft (z.B. die cossons von Lausanne). Einige Kaufleute (mercatores) von höherem Stand und Vermögen fungierten als unentbehrliches Bindeglied zwischen Grosshandel und Verbrauchern. Ein gutes Beispiel dafür liefern die Varembert, Apotheker in Genf, die um 1500 herum sowohl im Gross- als auch im Einzelhandel Waren wie Arzneien, Gewürze, Metalle, Waffen und Werkzeuge, kostbare Weine und exotische Früchte (Orangen, Mandeln) verkauften, nicht aber Textilien, die den Tuchhändlern vorbehalten waren.
Frühe Neuzeit
Im Ancien Régime zeichnete sich der Handel durch eine Tendenz zur Verdichtung, zur Verlagerung aufs Land und zur Diversifizierung aus. Die Orte, wo periodisch oder dauerhaft Handel stattfand, vermehrten sich besonders auf der Landschaft, die regionalen Spezialisierungen nahmen zu und die Handelsformen wurden vielfältiger, vor allem in den grösseren Städten, wo kleine Hausierer, Händler, Unternehmer und Bankiers nebeneinander wirkten. Die Handelspartner der Schweiz waren in erster Linie die umliegenden Länder: Frankreich, Piemont und die Lombardei, Süddeutschland und Österreich. Doch der Aktionsradius der schweizerischen Kaufleute weitete sich auf entferntere Regionen in Europa (Holland, England) und bis nach Übersee aus. Das Land öffnete sich zunehmend neuen Märkten, besonders denen in Amerika. Die Beziehungen mit den Häfen am Atlantik bekamen schliesslich Vorrang vor den älteren Verbindungen mit den Mittelmeerhäfen. Die treibenden Kräfte dieser Expansion waren neben reichen Kaufleuten – oft hugenottischen Flüchtlingen – auch Leute bescheidener Herkunft, welche die Welt bereisten. Dazu zählten Spitzen- und Uhrenhändler aus dem Neuenburger Hochjura, Bündner Zuckerbäcker und Kastanienverkäufer aus dem Tessin.
Die Waren
Die typischen Waren des Fernhandels stellten nur einen Teil der gehandelten Güter dar. Hunderte von anderen Produkten, oft wenig oder gar nicht verarbeitet, kamen hinzu. Trotz ihres häufig geringen Werts pro Einheit waren sie nicht nur für den lokalen Markt bestimmt. So wurden aus dem Berner Oberland etwa von Kindern armer Leute gesammelte Schnecken in die italienischen Städte oder Kirsch nach Amerika exportiert. Auf diese Weise waren Tausende einfacher Leute in die Handelskreisläufe einbezogen. Tausch und Kredit halfen dem Mangel an Bargeld ab. An diesem Güteraustausch nahmen die Bauern der Bergregionen wohl früher teil als jene im Flachland, und zwar dank der weit fortgeschrittenen Spezialisierung und der starken Vermehrung ländlicher Messen. Diese Entwicklung setzte in den Alpen am Ende des Mittelalters, im Jura im 17. Jahrhundert ein. Das Handelsvolumen für die Gesamtheit des schweizerischen Gebiets ist unbekannt; man kennt es jeweils nur für einzelne Territorien, Zollstellen (Alpen) oder Exportdestinationen. Zu den wichtigsten Importartikeln gehörten neben Salz auch Getreide, Metalle und die für die Textilindustrie benötigten Rohstoffe, während sich die Exporte aus Landwirtschaftsprodukten, insbesondere Vieh und Käse, sowie aus verarbeiteten Gütern wie Leinen, Seidenstoffen, Baumwolltüchern und Uhren zusammensetzten. Diese Produkte waren aber nicht allein für den Export bestimmt; im 18. Jahrhundert nahm der noch schlecht erforschte Binnenmarkt einen nicht unerheblichen Teil der Baumwollprodukte auf.
Was den Konjunkturverlauf betrifft, gab es zwischen den Regionen starke Unterschiede. Während der Handel etwa in den 1570er Jahren in der Eidgenossenschaft gesamthaft, besonders aber im Westen, zurückging, nahm er in Graubünden zu. Genf wiederum war von der allgemeinen Stagnation in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht betroffen. Diese Unterschiede zeigen deutlich, dass die Schweiz im Ancien Régime trotz Koordinationsbemühungen und finanzieller Verflechtungen kein einheitlicher Markt war. Einige Kantone wie Bern betrieben lange Zeit eine protektionistische Politik in merkantilistischem Sinn (Merkantilismus), während der Handel anderswo weniger stark reglementiert war (Neuenburg oder Basel).
Die Akteure
Die schweizerischen Kaufleute kamen hauptsächlich aus den Städten St. Gallen, Genf, Basel, später Zürich und Neuenburg. Sie besuchten regelmässig die europäischen Messen und Metropolen wie Lyon, Frankfurt, Paris oder London, die grossen Häfen und die Überseegebiete. Doch sie waren nicht die einzigen Akteure im Handelsgeschäft; da waren noch die Zwischenhändler aus jeder gesellschaftlichen Schicht, denen es manchmal gelang, die Monopole auf gewissen Produkten (z.B. Gewürzen), welche die Kaufleute fest in der Hand zu halten glaubten, zu unterlaufen. Bewohner der Landschaft (Glarner oder Appenzeller) zogen durch Europa, um diverse Produkte, darunter ihre selbst hergestellten Stoffe, zu vertreiben. Zahlreiche Bauern verkauften ihr Vieh persönlich auf den Messen und ihr Getreide auf den nahen oder fernen Märkten. In den Städten spezialisierten sich die Kaufläden zusehends, in den Dörfern stieg ihre Zahl stetig an. Hausierer oder Wanderarbeiter, oft Savoyarden oder Juden, überbrückten die manchmal grosse Entfernung zwischen Produzenten und Konsumenten. Gastwirte, Metzger und Bäcker spielten sowohl in der Stadt wie auf dem Land eine Rolle als Geschäftsvermittler, indem sie die Handelspartner miteinander in Kontakt brachten, Geld vorstreckten oder selbst Waren jeder Art vertrieben. Schmuggler passierten regelmässig die Grenzen in beiden Richtungen und garantierten so wenigen Privilegierten steigenden Reichtum und zahlreichen Bauernfamilien das Überleben.
Die Orte
Seit dem Mittelalter hatte sich die Zahl der Orte, an denen Waren umgesetzt wurden, vervielfacht; am Ende des 18. Jahrhunderts handelte es sich dabei mehrheitlich um Dörfer. Gewiss konzentrierte sich der grösste Teil der Infrastruktur in den Städten mit ihrem stark spezialisierten Handel und den grossen Einzugsgebieten. Doch viele Bauern mussten nicht mehr in die Stadt gehen, um sich Güter zu beschaffen oder ihre eigenen Erzeugnisse abzusetzen. Die Vermehrung der Marktorte erfolgte nämlich nicht in Form eines streng hierarchisch geordneten Netzes; viele Dörfer konnten sich dem Einflussbereich der Städte entziehen. Das Volumen der in den kleinen Kaufläden oder den wenig besuchten Messen getätigten Geschäfte mag unbedeutend erscheinen, aber das Vorhandensein permanenter Handelseinrichtungen und regelmässig wiederkehrender Märkte war von grosser Wichtigkeit für die lokale Bevölkerung, die sich auf diese Weise auch seltene Güter beschaffen konnte. Am Ende des Ancien Régime nahm die grosse Mehrheit der Bevölkerung kontinuierlich oder sporadisch am nun fest etablierten Güteraustausch teil und hatte, manchmal nach langem Kampf, das Recht errungen, Handel zu treiben. Sie war dadurch integriert in eine "globale Wirtschaft", in der sich internationaler und lokaler, städtischer und ländlicher Handel ergänzten und Kredit- und Tauschgeschäfte praktiziert wurden.
19. und 20. Jahrhundert
Die Helvetik markiert den Übergang von der jahrhundertelangen Reglementierung des Handels durch Obrigkeit und Korporationen zur Handelsfreiheit (Handels- und Gewerbefreiheit). Sowohl die Mediationsverfassung von 1803 wie der Bundesvertrag von 1815 enthielten den Grundsatz der Freiheit von Kauf und Verkehr für Lebensmittel, Landeserzeugnisse und Kaufmannsware, der Bundesvertrag zusätzlich wenige Schutzbestimmungen gegen Wucher und schädlichen Vorkauf. Die Bundesverfassung (BV) von 1848 übernahm diese Bestimmungen. Die Verfassung von 1874 (Artikel 31) ergänzte die Freiheit des Handels mit der Gewerbefreiheit. Vor 1874 oblag die gesetzgeberische Ausgestaltung des Handelsrechts den Kantonen. In Genf und im Berner Jura galt der französische Code de commerce von 1807, das Freiburger Handelsgesetz von 1849 lehnte sich ebenfalls an diesen an. In den übrigen Kantonen galt das Gewohnheitsrecht, sofern nicht durch Spezialgesetze einzelne handelsrechtliche Materien geregelt waren. Die Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Handelsrechts auf dem Konkordatsweg scheiterten 1864, ebenso 1866 der Versuch, dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zu erteilen. Erst durch die BV von 1874 (Artikel 64) erhielt der Bund die Ermächtigung, über alle Rechtsverhältnisse zu legiferieren, die den Handel und den Mobiliarverkehr sowie die Schuldbetreibung und den Konkurs betrafen. In der Folge erliess er 1881 das Bundesgesetz über das Obligationenrecht und 1889 jenes über Schuldbetreibung und Konkurs.
Der Aussenhandel
Die in der Schweiz früh einsetzende Industrialisierung bewirkte ein starkes Wachstum des Aussenhandels. Die Rohstoffe mussten zum grössten Teil importiert werden, die Produktion der wichtigsten Industriezweige – vorwiegend Leichtindustrie mit hoher Wertschöpfung – war auf den Export ausgerichtet. Bezogen auf die Bevölkerung wies die Schweiz in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen sehr hohen Exportwert auf. Es lag daher nahe, dass die Eidgenossenschaft vorwiegend das Prinzip des Freihandels unterstützte. Der Protektionismus der Nachbarstaaten zwang die Unternehmer aber, verstärkt Absatzmärkte in überseeischen Gebieten zu suchen. In der Schweiz drängten die am Aussenhandel interessierten Kreise auf ein einheitliches Zollsystem, was erst mit der Schaffung des Bundesstaats von 1848 möglich wurde. Die Vereinheitlichung des Handelsrechts stellte ein wichtiges Argument für die Totalrevision der Verfassung von 1874 dar. Über den 1870 gegründeten Schweizerischen Handels- und Industrieverein wirkten die Kräfte der Exportindustrie und des Aussenhandels seit dem Auftreten des wirtschaftspolitischen Interventionismus im ausgehenden 19. Jahrhundert wesentlich bei der Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik mit. Die 1917 erstmals durchgeführte Messe Basel wie andere Ausstellungen wollten nebst dem Inlandabsatz auch das Exportgeschäft unterstützen. Zur Verbesserung der Marktkenntnisse und zur Förderung des Absatzes entstanden 1927 die Schweizerische Zentrale für Handelsförderung und 1933 die Vereinigung des Schweizerischen Import- und Grosshandels. Während der beiden Weltkriege stand der Aussenhandel im Dienste der Kriegswirtschaft. Nach 1945 half er, die Schweiz aus der Isolation herauszuführen, die durch die aussenwirtschaftliche Bindung an die Achsenmächte entstanden war. Die schrittweise Erneuerung des freien Welthandels in der Nachkriegszeit und die europäische Integration wurden von der Exportwirtschaft unterstützt – im Gegensatz zu Landwirtschaft und Gewerbe, die binnenwirtschaftlich orientiert waren.
Detailhandel
Der Detailhandel spielte sich am Ende des Ancien Régime noch weitgehend in den Formen des Marktwesens ab. Anzahl und Orte der Märkte nahmen während des 19. Jahrhunderts zu. Ihre gesamtwirtschaftliche Bedeutung ging jedoch ab Mitte des 19. Jahrhunderts stark zurück, vielerorts nahmen die Märkte Volksfestcharakter an. Die Versorgung mit Gütern des Alltags übernahmen in wachsendem Masse die Detaillisten. Sie gingen aus traditionellen Gewerben wie der Bäckerei, der Metzgerei und etwas später auch der Sennerei hervor. Die Warensortimente der Detailgeschäfte wurden laufend ausgebaut. Die Branche schloss sich 1879 dem neu gegründeten Schweizerischen Gewerbeverband an.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen die Warenhäuser mit umfassendem Angebot auf. Durch Neugründung oder Umwandlung kleiner Detailhandelsläden entstanden in Zürich Jelmoli und Globus, in Genf Grosch et Greiff (später Au Grand Passage), in Bern Loeb, in Luzern Nordmann, in Olten die Merkur AG usw.; in Biel nahm die spätere Warenhauskette der Maus Frères ihren Anfang. Einige dieser Unternehmungen entwickelten sich sehr dynamisch und verfügten bald über Niederlassungen in der ganzen Schweiz. Auf genossenschaftlicher Basis bildeten sich die Konsumvereine, die sich 1890 zum Verband schweizerischer Konsumvereine (ab 1970 Coop) zusammenschlossen. 1925 gründete Gottlieb Duttweiler die Migros, die 1935 ebenfalls die Rechtsform einer Genossenschaft annahm. Der Detailhandel antwortete auf die Konkurrenz zuerst mit der Gründung von Einkaufsgenossenschaften (z.B. 1886 Volg, 1907 Usego, 1911 Einkaufsgenossenschaft Burgdorf) und Rabattvereinen. Als Folge einer Gewerbepolitik, die einer prononcierten Mittelstandsideologie verpflichtet war, kam 1933 das Verbot der Vergrösserung und Neugründung von Warenhäusern und Filialgeschäften zustande, das bis 1945 in Kraft war. Seither setzte sich der Konzentrationsprozess im Detailhandel fort und viele kleine Betriebe gingen ein. Durch den Wegfall der Preisbindung der zweiten Hand entstanden neue Geschäftsformen (Denner von Karl Schweri, Discounthäuser, freiwillige Ketten, Verbrauchermärkte). Die Motorisierung erlaubte die Schaffung von Supermärkten und Einkaufszentren in Agglomerationen und "auf der grünen Wiese". Für die Planung solcher Zentren gründete die Migros zusammen mit einigen Warenhäusern 1962 die AG für Einkaufszentren. Bis Ende des 20. Jahrhunderts breiteten sich die Einkaufszentren in allen Regionen des Landes aus. Viele gewerblich-mittelständische Strukturen, beispielsweise im Bereich der Einkaufsgenossenschaften, wurden durch diese Entwicklung verdrängt. In neuester Zeit setzt sich die Tendenz zu grösserer Deregulierung durch, zum Beispiel in den Ladenöffnungszeiten. Neuartige Verkaufsformen (u.a. E-Commerce, Convenience Shops) belegen die Innovationsfreudigkeit der Branche. Die Europäisierung und Globalisierung wirken sich auch auf den Detailhandel aus: Besonders im Bereich der Fachmärkte drängen ausländische Unternehmen in die Schweiz.
Landwirtschaftsmarkt
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein stand im Zentrum des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten der Lebensmittelmarkt in Städten und Marktflecken (Agrarmarkt). Obrigkeitliche Verordnungen zielten darauf ab, der eigenen Bevölkerung eine ausreichende und billige Versorgung zu gewähren. Die Bevölkerungskonzentration in den städtischen Agglomerationen, die Entwicklung des Verkehrs, die weltwirtschaftliche Verflechtung und die zunehmend gewerblich-industrielle Weiterverarbeitung der Landwirtschaftsprodukte veränderten deren Distribution bis um 1900 vollständig. Der Detailhandel übernahm die Vermittlung zum Endverbraucher. Für den Zwischenhandel entwickelten sich, gesondert nach Produkten (z.B. Milch, Nutz- und Schlachtvieh, Getreide und Kartoffeln, Obst und Gemüse, Wein), vielfältige Landwirtschaftliche Genossenschaften und Verbände, die im Rahmen der Landwirtschaftsgesetzgebung den Grossteil von Einkauf und Vermarktung gewährleisteten. Die neue Agrarpolitik des Bundes führte seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert wieder zu einer vermehrten Ausrichtung der Landwirte auf den Markt und einem Anwachsen ursprünglicher Markt- und Handelsformen (u.a. Direktvermarktung).
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