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Warenhäuser

Warenhäuser sind grossflächige Detailhandelsgeschäfte (Kleinhandel) mit zahlreichem Verkaufspersonal (Angestellte). Sie bieten ein breites Sortiment an, wobei jede Abteilung einem Spezialgeschäft gleichkommt. Meist liegen Warenhäuser im Stadtzentrum, sind für die Kundschaft leicht zugänglich und erfordern hohe Investitionen.

Entstehungsbedingungen

Das Aufkommen der Warenhäuser widerspiegelt die wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts (v.a. ab 1850). Der Detailhandel erlebte einen Umbruch, der mit einer spürbaren Preissenkung einherging. Dabei profitierten die Warenhäuser von Produktionssteigerungen dank technischer Neuerungen in anderen Wirtschaftsbranchen. Die Diversifikation im Banken- und im Versicherungssektor sowie im Import-Export-Geschäft bildete wie der Eisenbahnbau und städtebauliche Grossprojekte (Urbanisierung) weitere wichtige Voraussetzungen. Da Warenhäuser einen grossen Kapitalbedarf mit entsprechender Bewirtschaftung aufwiesen, entstand eine neue Art des Verkaufs: fixe angeschriebene Preise, kostensenkende Grosseinkäufe, beschleunigter Warenumschlag, verkleinerte Margen, grosse und systematische Werbeanstrengungen, umfangreiches Sortiment zum Sehen und Anfassen sowie verschiedene Dienstleistungen.

Die Warenhäuser markierten auch einen sozialen Wandel. Hauptsächlich von der Banken- und Finanzwelt finanziert (Finanzplatz), sind sie ein Sinnbild für die erste Phase der Konsumgesellschaft. Ihre Hauptkundschaft war das Bürgertum. Die aus dem wachsenden Dienstleistungssektor hervorgehenden neuen Mittelschichten folgten bald. Zu den ersten Warenhäusern zählten in Zürich jenes der Firma Julius Brann von 1896, das später in der Oscar Weber AG aufging, und das Jelmoli an der Bahnhofstrasse, das zwar bereits 1833 eröffnete, jedoch erst ab 1899 diese Bezeichnung verdiente. Genf wurde 1905 Hauptsitz der Kollektivgesellschaft Grosch & Greiff mit dem späteren Warenhaus Au Grand Passage (Hermann Grosch, Alfred Greiff), das 1916 über eine Ladenfläche von 7000 m2 verfügte und 50 Angestellte beschäftigte. Zu dieser Zeit war ein Grossteil des Warenhauspersonals weiblich (Frauenerwerbsarbeit), gering qualifiziert und befristet angestellt.

Lift des Warenhauses Jelmoli in Zürich. Fotografie von Johannes Meiner, 1903 (Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich).
Lift des Warenhauses Jelmoli in Zürich. Fotografie von Johannes Meiner, 1903 (Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich). […]

Die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre traf die kleinen Ladenbesitzer hart. Als Folge organisierten sie einen breiten Protest gegen die sogenannten Grossbasare, die als Sündenböcke herhalten mussten. Vor allem Warenhäuser im Besitz von ausländischen und jüdischen Familien wie Nordmann, Maus und Loeb wurden Ziel dieser Kampagne (Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus). Mittelständische Kreise, angeführt von Politikern, die antiliberale Positionen der extremen Rechte vertraten, forderten die Schliessung der Warenhäuser. Der Bundesrat reagierte auf den Protest am 14. Oktober 1933 mit einem dringlichen Bundesbeschluss, der bis 1945 in Kraft blieb: Er verbot die Eröffnung und den Ausbau von Warenhäusern, Ladenketten und Einheitspreisgeschäften und stoppte den Vormarsch der Grossverteiler bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs.

Fortentwicklung

«Au Grand Passage S.A. Genf, der Palast der tausendundein Geschenke». Titelblatt des Weihnachtskatalogs aus dem Jahr 1937 (Privatsammlung).
«Au Grand Passage S.A. Genf, der Palast der tausendundein Geschenke». Titelblatt des Weihnachtskatalogs aus dem Jahr 1937 (Privatsammlung).

Anfänglich teilten sich die Warenhäuser den Grossvertrieb im Non-Food-Detailhandel mit den Ladenketten und ab Beginn der 1930er Jahre mit den Einheitspreisgeschäften (oder Kleinpreisgeschäften). Sie beherrschten diesen Markt bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, spielten jedoch zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur noch eine geringe Rolle unter den Grossverteilern. Seit den 1980er Jahren nimmt ihr Marktanteil aufgrund des Aufkommens von Supermärkten, Discountern, Spezialgeschäften, ausländischen Handelsketten (v.a. die deutschen Discounter Aldi und Lidl) und grosser Einkaufszentren im Grünen kontinuierlich ab, aber auch weil sich das Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten veränderte (Online-Handel). Diese Entwicklung zwang die Warenhäuser zu Umstrukturierungen, Fusionen, Übernahmen und zur Erarbeitung von Marktstudien. Der Konzentrationsprozess setzte in den 1970er Jahren ein und beschleunigte sich in der Folge. Die neue Grösse stärkte die Verhandlungsposition und verbesserte die Wettbewerbsfähigkeit, unter anderem durch Senkung der Kosten und Diversifikation. Die Warenhäuser gehörten nun jeweils zu einer Gruppe mit verschiedenen Verkaufsformen. 1997 besassen die sieben wichtigsten Gruppen ABM, Coop City, EPA AG, Globus, Jelmoli, Loeb und Manor 193 Verkaufsstellen mit einer Ladenfläche von 665'900 m2 und einem Umsatz von 5,6 Mrd. Franken, während der Detailhandel einen Gesamtumsatz von 78,9 Mrd. Franken auswies. Migros kaufte 1997 die Warenhausgruppe Globus (2012 14 Geschäfte), die Gruppe ABM (2003 geschlossen) sowie 2010 Denner; Coop übernahm Waro, EPA (2004 geschlossen), Fust, The Body Shop und Interdiscount; Manor (2012 64 Geschäfte) gehörte zur Holding Maus Frères SA. Die beiden orangen Riesen Migros und Coop figurieren damit weltweit unter den Top 50 der Grossverteiler.

Die allgemeinen Preissenkungen in der Branche (2012 1,4%) erklären sich mit der Zunahme von Harddiscountern und dem Einkaufstourismus (5%) aufgrund des starken Frankens. Dennoch bleiben die Preise vergleichsweise hoch, vor allem weil ausländische Exporteure aufgrund der überdurchschnittlichen Kaufkraft in der Schweiz hohe Margen diktieren.

Quellen und Literatur

  • Denneberg, Erwin: Begriff und Geschichte des Warenhauses. Privatrechtliche Verhältnisse der schweizerischen Warenhäuser, 1937.
  • Rohner, Peter: Detailhandel Schweiz. Struktur und Entwicklung der wichtigsten Handelsbereiche, 1979.
  • Liebeskind Sauthier, Ingrid: Controverses et polémiques autour de l'installation des grands magasins à Genève dans l'entre-deux guerres, Lizentiatsarbeit, Universität Genf, 1986.
  • Schweiz. Detailhandel und Grosskonsumenten. Analysen, Strukturen, Trends, 1997.
  • Europäische Kommission, Eurostat (Publications Office): Der Einzelhandel im europäischen Wirtschaftsraum 1996, 1997.
  • Huser, Karin: Vieh- und Textilhändler an der Aare. Geschichte der Juden im Kanton Solothurn vom Mittelalter bis heute, 2007, S. 229-247.
  • Brunschwig, Annette: Heimat Biel. Geschichte der Juden in einer Schweizer Stadt vom Spätmittelalter bis 1945, 2011.
Weblinks

Zitiervorschlag

Ingrid Liebeskind Sauthier: "Warenhäuser", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 01.05.2015, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014037/2015-05-01/, konsultiert am 12.04.2024.