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Gewürze

Das Wort Gewürz bezeichnet heute exotische Produkte wie Pfeffer, Zimt, Nelken, Muskat, Ingwer und Kardamom im Gegensatz zu den europäischen, grösstenteils aus den Mittelmeerländern stammenden Produkten wie Senf, Knoblauch, Wachholder, Kümmel, Fenchel, Koriander, Anis, Myrte, Thymian, Safran und Oregano. Bis ins 17. Jahrhundert gehörten Gewürze und eine Vielzahl anderer Produkte wie Zucker, Moschus und Arzneien aller Art zu den Spezereien. Das einzige in der Schweiz hergestellte Gewürz war Safran (Gewerbepflanzen). Er wurde ab dem 14. Jahrhundert in Conthey und Sitten, vor allem aber in der Gegend von Siders angebaut. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts existierten noch in Sitten, Naters und Mörel Safrankulturen, zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur noch in Mund. Im 14. und 15. Jahrhundert wies auch die Stadt Basel eine Safranproduktion auf. In Zürich und Basel benannten sich Zünfte nach dem Safran.

Die Wertschätzung der Gewürze ist ein Erbe der Antike (Ernährung). Die Köche der wohlhabenden Römer benutzten Pfeffer, der aus Ländern am Indischen Ozean kam. In der Schweiz wurden aus der Römerzeit Mörser zum Zerstossen von Gewürzen gefunden, die den Galliern unbekannt waren. Ab dem 10. Jahrhundert erreichte der Gewürzhandel über Venedig auch Europa und nahm im 11. Jahrhundert einen grossen Aufschwung, nachdem die Kreuzfahrer die Finessen der stark gewürzten arabischen Küche schätzen gelernt hatten. In den folgenden Jahrhunderten stieg der Gebrauch von Gewürzen ständig an; er erreichte seinen Höhepunkt während des 14., 15. und 16. Jahrhunderts. Am Hof von Savoyen wurden zum Beispiel grosse Mengen teurer Gewürze gekauft, um damit Fleisch, Fisch, Suppen, Süssspeisen und Getränke zu würzen, wie den Aufzeichnungen des Kochs von Graf Amédée VIII., Maître Chiquart, zu entnehmen ist. Die 1420-1460 bezeugte Diesbach-Watt-Gesellschaft importierte aus Spanien Safran, Ingwer, Nelken, Muskat, Zimt und Pfeffer. Die erste Erwähnung des Basler Lebkuchens stammt von 1428. Er gehörte zu den Geschenken, die man Verwandten, Freunden und Vorgesetzten am Neujahrstag überbrachte. Dazu trank man auch den süssen Gewürzwein hypocras.

Während Jahrhunderten beherrschten die Araber den Gewürzhandel von Indien und der Malaiischen Inselwelt bis nach Syrien und Ägypten, wo Genuesen, Venezianer und Katalanen ihnen die Waren abkauften. Die grosse Nachfrage, der hohe Preis, der steigende Verbrauch und die Abhängigkeit des europäischen Marktes von den Arabern waren für die Suche der Europäer nach fernen Kontinenten ebenso ausschlaggebend wie der Hunger nach Gold und Silber. Im 15. und 16. Jahrhundert, als die Seemächte den Handel zu monopolisieren suchten, waren Gewürze das bedeutendste Fernhandelsgut. Mit der Globalisierung der Handelsbeziehungen im 16. Jahrhundert nahm der Konsum an Gewürzen noch weiter zu, vor allem in Nordeuropa. Ab dem 15. bis Mitte des 16. Jahrhunderts war Genf Handelsdrehscheibe für orientalische Gewürze, die über Venedig und Genua nach Europa gelangten. Basel war Umschlagplatz der Gewürze, welche die Portugiesen aus Indien nach Antwerpen und später nach Amsterdam brachten.

Gewürze brachten Geschmack und Farbe in den bis dahin eher eintönigen Speisezettel, sie machten das nicht immer ganz frische Fleisch schmackhaft, waren Statussymbol und sogar Modeerscheinung. Daneben wurde ihnen auch therapeutische Bedeutung nachgesagt; am Ende des Mittelalters wurden sie vor allem als Arzneien importiert. Wegen ihrer verdauungsfördernden und aufputschenden Wirkung hatten sie einen wichtigen Platz in der Ernährungs- und Gesundheitslehre, bevor im 18. Jahrhundert Zucker, Kaffee, Tee und Schokolade ihren Triumphzug antraten. Sinkende Preise ermöglichten im 16. Jahrhundert auch den ärmeren Schichten den Gebrauch von Gewürzen. Gleichzeitig tauchten aber auch Ersatzgewürze wie der spanische Pfeffer aus dem Malaiischen Archipel, der Malagatta-Pfeffer aus Afrika sowie die Pfefferschoten aus Amerika auf. Die allgemeine Verbreitung der Gewürze führte dazu, dass die höheren Schichten die scharf gewürzte Küche aufgaben und im 17. und 18. Jahrhundert die Speisen vermehrt mit Fetten (Butter und Rahm) würzten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts liess die Ethnogastronomie einen grossen Teil der Schweizer Bevölkerung wiederum stark gewürzte Speisen entdecken.

Quellen und Literatur

  • T. Scully, «Du fait de cuisine par Maistre Chiquart, 1420», in Vallesia 40, 1985, 101-231
  • E. Jossen, Mund, 1989
  • M. Liniger-Goumaz, De l'éradication du crétinisme et autres phénomènes remarquables tels qu'on peut les observer dans la région des Alpes pennines, 1989, 47-55
  • A. Spycher, Leckerli aus Basel, 1991
  • A. Radeff, «Gewürzhandel en détail am Ende des Ancien Régime», in Gewürze, 1999, 187-204
  • Histoire de l'alimentation, hg. von J.-L. Flandrin, M. Montanari, 32001
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Piuz: "Gewürze", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.10.2012, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014047/2012-10-04/, konsultiert am 17.01.2025.