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Flösserei

Die Flösserei war vom Mittelalter an bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts die wichtigste und billigste Transportart für Stammholz (Rund- und Vierkantholz). Städte und Dörfer des Mittellandes bezogen ihr Bau- (v.a. Rot- und Weisstanne) und Brennholz aus den Nadelwäldern des Hügel- und Berglandes. Aus den Wäldern der Alpen und Voralpen, des Jura- und Napfraums gelangte das Holz über Holzriesen (Holzleiten, Holzrutschen) oder durch Trift (das Flössen einzelner Stämme auf Wildbächen bei Hochwasser) oder Klusen (Schwemmen der Stämme mittels Stauwasser) zu den Talflüssen. Hier wurden die Stämme zu Flössen zusammengebunden und bei hohem Wasserstand vom Frühjahr bis zum Herbst flussabwärts gesteuert. Auf Seen wurden die Flösse gerudert. Die typischen Gerätschaften des Flössers waren Seil, Axt und Stachel.

Für die Flösserei in der Antike ist ein Weihaltar an Silvanus, der zum Heil der "oberen Flösser" in Genf errichtet wurde, das einzige Zeugnis im Gebiet der heutigen Schweiz. Das Privileg, das dem Kloster St. Gallen 890 den Holztransport auf dem Bodensee gestattete, unterschied nicht zwischen Flösserei und Trift. Mit dem Aufblühen von Bergbau und Städtewesen breitete sich die Flösserei auf allen Flüssen aus (Wasserwege). Wichtigste "Flossstrassen" waren Aare, Rhein, Tessin, Rhone und Inn, unter den vielen Zuflüssen die Emme vor Reuss und Limmat. Die Flösserei diente primär der Versorgung der Städte, die auf kontinuierliche Zufuhr grosser Mengen an Nutz- und Brennholz angewiesen waren. Um ihre Holzversorgung zu sichern, erliessen sie früh Ausfuhrverbote, so Zürich erstmals nach 1250, Luzern 1305 und Basel 1357. Ausserdem regelten sie den Holzmarkt über Tarifordnungen, zum Beispiel Basel ab 1442. Besonders Zürich und Bern zeichneten sich durch eine dem Exporthandel feindliche Konsumentenpolitik aus.

Floss auf der Rhone bei Saint-Maurice. Ausschnitt aus einer Farblithografie von Gabriel Charton, um 1820, Nachdruck einer Aquatinta von Gabriel Lory Père (Bibliothèque de Genève).
Floss auf der Rhone bei Saint-Maurice. Ausschnitt aus einer Farblithografie von Gabriel Charton, um 1820, Nachdruck einer Aquatinta von Gabriel Lory Père (Bibliothèque de Genève).

Holzhandel und Export sind indes ebenso früh belegt (Holzwirtschaft). Holzhandel konzentrierte sich in den Städten an Rhein (Bregenz, Konstanz, Schaffhausen, Basel), Rhone (Genf) und Tessin (Bellinzona, Locarno). Vom 13. Jahrhundert an ging Holz auf Flüssen in die holzarmen Rheinlande, ins Rhonetal und in die Poebene. Auf dem Inn gelangte es bis Innsbruck (Saline Hall) und donauabwärts bis Wien. Vom 16. Jahrhundert an verschlangen Bergbau und Industrie – Salinen in der Waadt, Eisen- bzw. Glashütten im Berner Oberland, Jura und Entlebuch – Unmengen an Triftholz. Die steigende Nachfrage nach Holz zwang vor allem Zürich und Bern ab Ende des 16. Jahrhunderts, zum Schutz der Wälder umfassende Forstgesetze zu erlassen, die zum Teil rigorose Verbote der Holzflösserei enthielten bzw. diese patentpflichtig machten (Bern 1641, 1725, 1747). Da die Flösserei indes nicht nachhaltig kontrollierbar war, blieb der Erfolg dieser Massnahmen begrenzt.

Auf Flüssen war der Warentransport mit Flössen üblich. Die "Oblasten" bestanden aus Brennholz und ganz oder teilweise verarbeitetem Holz (Bohlen, Bretter, Latten, Schindeln usw.). Je nach Landesgegend transportierten die Flösser auch Edelhölzer, Ziegel-, Schiefer- und Lavezsteine, Landesprodukte (Käse, Butter, Kleinvieh) oder Importware (Reis) und selbst Personen. An vielen Brücken und Schiffsländen waren die Flösse samt Oblast zu verzollen (Zölle).

Im Gebiet der Schweiz war die Flösserei im Gegensatz zu deutschen Staaten, wo diese wie zum Beispiel in Baden-Württemberg ein landesherrliches Monopol bildete, frei. Die Flösser fuhren als selbstständige Frachtführer zum Teil im Auftrag von Holzhändlern, zum Teil flössten sie auf eigene Rechnung ohne bestimmte Destination und verkauften Floss und Oblast unterwegs. In den Städten am Rhein und an der unteren Aare schlossen sich Flösser mit anderen Berufsleuten zu Zünften zusammen und kontrollierten faktisch oder dank der Verleihung eines Vorrechts bestimmte Streckenabschnitte. Der "Hausbereich" der Stillemer Flösser lag im 18. und 19. Jahrhundert zwischen Brugg bzw. Stilli und Laufenburg. An Flusshindernissen bildeten sich monopolistische Transportorganisationen. An den Stromschnellen bei Laufenburg zum Beispiel besorgten die zur Zunft der "Lauffenknechte" vereinten Schiffer und Flösser bis 1868/1870 alle Transporte durch die Stromschnellen: Die Flösse wurden ganz oder stammweise durchgelassen, die Oblast dagegen auf Karren an Land geführt (Kehrordnungen 1401-1837). Obligatorische Lotsendienste gab es bei der Brücke von Olten durch einheimische Schiffmeister der Oltner Zunft der Schiffer, Fischer und Flösser. Die Flösserei lag oft bei eingesessenen Familien wie den Meier in Olten von 1560 bis 1856.

Waldarbeiter im Turtmanntal. Fotografie von Pierre Odier, 1910 (Mediathek Wallis, Martigny).
Waldarbeiter im Turtmanntal. Fotografie von Pierre Odier, 1910 (Mediathek Wallis, Martigny). […]

Holzmärkte fanden an Flüssen auf obligaten Anlege- und Stapelplätzen statt, zum Beispiel in Bern im Marzili. An Seen lagen sie oberhalb der Städte, wie in Zürich bei der "Holzschanz", wo sich zum Teil auch Sägereien befanden. Zum Schutz von Ufern und Brücken waren für die Flösse und die Flosszüge – Verbände aus aneinander gehängten Flössen – Masse vorgeschrieben, die aufgrund der Flussbreite und der Beschaffenheit des Flussbetts festgesetzt wurden (1495 für Rheinflösse 12 m Länge, 2,4 m Breite). Im 19. Jahrhundert hob man die Masse an, zum Beispiel für die Aareflösse von 15x4,5 (1837) auf 21x7,5 m (1867). Die erlaubte Maximallänge für Flosszüge stieg von 30 auf 42 m.

Nachdem der Holzhandel in den 1830er Jahren liberalisiert worden war, erlebte die Flösserei in allen Kantonen einen ungeahnten Aufschwung. Ausgelöst wurde diese durch steigende Nachfrage im In- und Ausland, so etwa durch die Eisenwerke in Gerlafingen, Choindez sowie Emmenbrücke oder den Schiffbau in den Nachbarländern. Man flösste sogar Schiffsmasten zu den Meerhäfen. Nach einem Höhepunkt in den 1850er Jahren begann in den 1860er Jahren der Niedergang der Flösserei (Flösse in Basel pro Halbjahr: 1855-1861 bei 2552; 1882-1885 600-800; 1895 82). Hauptgrund für diese Entwicklung waren die neuen Eisenbahnen, die den massenweisen Import von Steinkohle ermöglichten.

Quellen und Literatur

  • F. Häusler, Das Emmental im Staate Bern bis 1798, Bd. 1, 1958, 235-246
  • HRG 1, 1139-1141
  • H. Grossmann, Flösserei und Holzhandel aus den Schweizer Bergen bis zum Ende des 19. Jh., 1972
  • P. Walliser, «Die Flösserei im Kt. Solothurn», in Schweiz. Zs.f. Forstwesen 147, 1996, 887-909
  • A. a Marca, Acque che portarono, 2001
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Flösserei", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.11.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014055/2009-11-05/, konsultiert am 19.03.2024.