25.8.1841 Bern, 27.7.1917 Bern, reformiert, von Büren an der Aare. Sohn des Jakob Alexander, Oberingenieurs des Kantons Bern, und der Maria geborene Wermuth. 1869 Maria Witschi, Tochter des Johannes, Kaufmanns. Nach dem Gymnasium in Burgdorf und dem Medizinstudium in Bern bestand Theodor Kocher 1865 das bernische Staatsexamen und promovierte 1866 zum Dr. med. Ein Semester in Zürich brachte ihn 1865 in Kontakt mit dem Chirurgen Theodor Billroth, der sein Lehrer wurde. 1865-1866 unternahm er eine Studienreise nach Berlin, London und Paris und lernte dabei seine Vorbilder, den Pathologen Rudolf Virchow und den Chirurgen Bernhard von Langenbeck in Berlin sowie Thomas Spencer Wells in London kennen, dessen mit grösster Sauberkeit und daher oft erfolgreich durchgeführte Operationen von Eierstockgeschwülsten Aufsehen erregten. Nach Bern zurückgekehrt, wurde Kocher 1866 Privatdozent für Chirurgie und Assistent bei Georg Albert Lücke. 1869 eröffnete er eine eigene Praxis. Eine neue Methode der Schultereinrenkung, die auf der gründlichen Analyse der anatomischen und mechanischen Verhältnisse beruhte, machte Kocher international bekannt. 1872 wurde er als Nachfolger Lückes zum Ordinarius für Chirurgie ernannt. 45 Jahre lang prägte Theodor Kocher von Bern aus die internationale Chirurgie massgeblich mit und schlug Berufungen ins Ausland aus.
Sein Hauptanliegen war die Senkung der Sterblichkeit bei Operationen mittels Antisepsis und Asepsis, sorgfältigster Blutstillung (sogenannte Kocher'sche Arterienklemme) und Vermeidung eines Operationsschocks. In seiner "Chirurgischen Operationslehre" (1892, 51907) vermittelte er ein sogenanntes System der gefahrlosen Chirurgie. Kocher verfocht lange die Überzeugung, das radikale Wegoperieren eines kranken Körperteils sei grundsätzlich das beste Behandlungsprinzip. Er selbst operierte in allen Bereichen meisterhaft. Dank seiner sorgfältigen Operationstechnik gelang es ihm, den damals in der Schweiz weit verbreiteten Kropf, d.h. die kropfige Schilddrüse, meist vollständig zu entfernen. Zu jener Zeit war allerdings die Funktion der Schilddrüse noch unbekannt. Bei den operativ geheilten Kropfpatienten traten schwere Ausfallserscheinungen auf, die von Stoffwechselstörungen bis zu Wachstumsstillstand und zur Verminderung geistiger Fähigkeit reichten. Eine erste solche Beobachtung teilte der in Zäziwil tätige Landarzt August Fetscherin Kocher 1874 mit. Ausserdem beschrieb der Genfer Chirurg Jaques Louis Reverdin 1882 die Folgen der totalen Schilddrüsenentfernung. Aufgrund systematischer Nachuntersuchungen bei seinen Patienten konnte Kocher 1883 erklären, dass die Totalexstirpation der Schilddrüse eine Cachexia strumipriva (Kräfteverfall bis zum Koma) nach sich ziehe und deshalb nicht mehr ausgeführt werden dürfe. In der Folge beteiligte sich Kocher an allen Aspekten der Schilddrüsen- und Kropfforschung, auch im Hinblick auf eine Verhütung der Kropfbildung. Bei seinen überragenden Verdiensten bleibt es verwunderlich, dass Kocher es nicht über sich brachte, Reverdins Priorität in der Entdeckung der verhängnisvollen Folgen der Radikaloperation anzuerkennen. Bei seinem 40-jährigen Amtsjubiläum 1912 stiftete Kocher 200'000 Fr. zur Förderung der medizinischen Grundlagenforschung. Daraus ging 1950 das Berner Kocher-Institut hervor. 1909 wurde Theodor Kocher für seine Arbeiten zur Physiologie, Pathologie und Chirurgie der Schilddrüse mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.