kurz nach 1450, 1499 als Urner Söldner im Gefecht bei Rheineck, von Luzern. Sohn von Melchior dem Älteren (1493), Stadtschreibers, und der Verena Bühler. Juristische Studien an den Universitäten Basel (1471) und Pavia (1473). Schreiber in der Kanzlei Luzern und an der Tagsatzung. Teilnahme an den Burgunderkriegen. Ab 1480 Luzerner Grossrat, 1483-1485 Landvogt zu Ebikon und 1487-1489 zu Malters. 1479 und 1488 verschuldete Melchior Russ sich unter anderem durch Gesandschaften nach Ungarn, wo ihn König Matthias Corvinus 1479 nach Kämpfen gegen die Türken zum Ritter schlug, seine Pensionsversprechungen gegenüber Russ aber nicht erfüllte. Ein Ehrenhandel mit Schultheiss Ludwig Seiler endete mit der Niederlage und Verbannung von Russ nach Uri: Melchior Russ hatte sich über seine Kompetenzen als Schreiber hinaus für die Wiedereinsetzung von Jost von Silenen als Bischof von Sitten eingesetzt und konnte im folgenden Prozess seine Anschuldigungen gegen Seiler nicht beweisen.
Als Chronist und Historiker wird Melchior Russ von der modernen Forschung vorwiegend negativ beurteilt. Die 1482-1488 von ihm verfasste Chronik Luzerns, angeregt durch das Vorbild des Berners Diebold Schilling, ist zu grossen Teilen bei Konrad Justinger entlehnt; eingestreut sind luzernspezifische Ausschnitte aus teilweise verlorenen städtischen Quellen. Besonders sagenhaft schildert Russ die Frühgeschichte Luzerns. Die eidgenössische Gründungsgeschichte enthält die Tellsage in einer älteren – in Uri mündlich überlieferten – Form als das Weisse Buch von Sarnen. In der Chronik von Russ taucht in der Darstellung der Schlacht von Sempach erstmals ein kampfentscheidender Held als Motiv auf; Petermann von Gundoldingen, dem Russ als Vertreter eines luzernisch-städtischen Standpunkts diese Rolle zuschrieb, vermochte sich aber in der frühen Neuzeit als schweizerische Identifikationsfigur nicht gegen Winkelried zu behaupten.