28.5.1807 Môtier (heute Gemeinde Mont-Vully),14.12.1873 Cambridge (Massachusetts, USA), reformiert, von Bavois. Sohn des Louis Benjamin Rodolphe, Pfarrers in fünfter Generation, und der Rose geborene Mayor. 1) 1833 Cecilie Braun (†1848), wissenschaftliche Zeichnerin, Schwester des deutschen Botanikers Alexander Braun, 2) 1850 Elizabeth Cabot Cary, von Boston (Massachusetts, USA). Vater des Alexandre. Studium der Medizin und Naturwissenschaften in Zürich, Heidelberg und München. 1829 Dr. phil. an der Universität Erlangen. 1830 Dr. med. an der Universität München. Danach hielt sich Louis Agassiz einige Monate in Paris auf, wo er mit Georges Cuvier und Alexander von Humboldt verkehrte. 1832-1846 lehrte und forschte er als Professor für Naturkunde am Gymnasium sowie ab 1838 an der Akademie in Neuenburg. Ein Stipendium des preussischen Königs ermöglichte Agassiz eine Forschungsreise in die USA, wo er nach einer populären Vortragsreihe 1847 zum Professor für Zoologie und Geologie an die Harvard University in Cambridge berufen wurde. Dort lehrte er bis zu seinem Tod. Beide Ehefrauen unterstützten Agassiz bei seiner Forschung. Elizabeth Cabot Cary Agassiz war später Mitgründerin und erste Präsidentin des renommierten Radcliffe College.
Agassiz' Verdienste in Naturkunde fallen in die Neuenburger Periode. Der ehrgeizige junge Forscher produzierte im Durchschnitt ca. 320 Druckseiten und ca. 50 Bildtafeln pro Jahr mit seinen Mitarbeitern, zu denen Edouard Desor, Amanz Gressly, Arnold Guyot und Carl Vogt zählten. Auf weltweite Anerkennung bedacht, publizierte er seine Werke nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Paris, London, Edinburgh, Moskau sowie in Deutschland. Seine Leistungen als Ichthyologe, die ihm 1836 auch die Mitgliedschaft der britischen Royal Society eintrugen, sind unbestritten: Er führte die wissenschaftliche Kategorisierung der Süsswasserfische Brasiliens fort, erforschte die Fische des Genfersees, die Fischfossilien des Glarnerlands und des Monte Bolca (Venetien). Sein Ruf als Glaziologe beruht dagegen vor allem auf seiner Tätigkeit als Propagandist der Eiszeittheorie, die er unter anderem von Jean-Pierre Perraudin, Ignaz Venetz, Jean de Charpentier und Karl Friedrich Schimper übernommen hatte, weshalb gegen ihn auch Plagiatsvorwürfe laut wurden. Gemäss dieser Theorie, welche sich als wegweisend für die moderne Forschung erweisen sollte, waren einst nicht nur die Alpentäler, sondern weite Teile Mitteleuropas von Eis bedeckt gewesen. Durch diese periodischen Eiszeiten habe Gott jeweils alle Lebensformen auf der Erde ausgelöscht, um sie anschliessend in verbesserter Form neu zu erschaffen – in dieser Argumentation sind bereits Elemente des Katastrophismus und des Kreationismus zu fassen, an denen Agassiz zeitlebens festhielt. Wie schon in der Schweiz machte sich Agassiz auch in den USA als Wissenschaftsorganisator (Forschungsreisen zum Oberen See, nach Florida und Südamerika), als Gründer des Museum of Comparative Zoology in Cambridge 1859, das er auch als Direktor leitete, und als Popularisator von wissenschaftlichen Ergebnissen einen Namen. Als Lehrer förderte er die Ausbildung von Frauen.
Kurz nach seiner Ankunft in den USA beschrieb Agassiz in einem Brief an seine Mutter seine Abscheu vor dunkelhäutigen Menschen. Die Begegnungen mit amerikanischen Schwarzen bestärkten Agassiz offenbar in seinen kreationistischen Überzeugungen. Ab Ende 1847 entwickelte er sich in Auseinandersetzung mit den unmittelbaren Vorläufern von Charles Darwin zu "Amerikas führendem Theoretiker der Polygenie" (Stephen Jay Gould). Ausgehend von der These, Schwarze und Weisse seien je in getrennten göttlichen Schöpfungsakten entstanden, postulierte Agassiz im Aufsatz The Diversity of Origin of the Human Races 1850 eine Rassenhierarchie, nach der dunkelhäutige Menschen eine niedrige, kulturunfähige Rasse darstellten, nur zu einfachen Arbeiten fähig seien und auch entsprechend behandelt werden müssten. Diese Einstellung machte Agassiz zu einem gern gesehenen Gast in den Salons von Charleston (South Carolina), einer Hochburg der Sklaverei, wo er sich ab 1847 regelmässig aufhielt und an der angesehenen School of Medicine 1852-1853 Vorlesungen hielt. Er besuchte 1850 Plantagen rund um Columbia (South Carolina), um dort Sklavinnen und Sklaven zu studieren. Die von ihm untersuchten Menschen wurden später, wohl im Auftrag Agassiz', nackt fotografiert (Slave Daguerreotypes). Agassiz sonnte sich in der Anerkennung der Befürworter der Sklaverei, vor allem auch in den 1860er Jahren, als sich seine Harvard-Kollegen im Norden mehrheitlich den 1859 mit Belegen publizierten Thesen von Darwin zuwandten. Durch sein dogmatisches Festhalten an der Polygenismus-Theorie isolierte er sich an der Harvard University zunehmend.
Wiewohl durch und durch Rassist, zählte sich Agassiz in den wenigen überlieferten Selbstzeugnissen zu den Gegnern der Sklaverei. In einem Briefwechsel während des Bürgerkriegs mit Samuel Gridley Howe, einem Mitglied der American Freedman's Inquiry Commission, die von Kriegsminister Edwin M. Stanton mit der Ausarbeitung von Vorschlägen bezüglich der zukünftigen rechtlichen und sozialen Stellung der freigelassenen Sklavinnen und Sklaven betraut worden war, sprach er sich dafür aus, den Schwarzen zwar die Freiheit und die Gleichheit vor dem Gesetz zu gewähren, ihnen aber zugleich die soziale Gleichstellung zu verweigern. Er warnte davor, ihnen allzu weitreichende Privilegien zu gewähren, die man ihnen dann später möglicherweise wieder gewaltsam entziehen müsste. Sein zentrales Anliegen war jedoch, jeglicher Vermischung der Rassen einen Riegel zu schieben. Die Anwesenheit der Schwarzen auf dem amerikanischen Kontinent sei eine unumkehrbare Tatsache, die Pläne Abraham Lincolns, die Schwarzen mit einer Art Rückkehrhilfe in Afrika wieder anzusiedeln, hielt Agassiz für nicht durchführbar. Die Abschaffung der Sklaverei müsse daher von strengen gesetzlichen Vorschriften der Rassentrennung begleitet sein. Nur eine solche Gesetzgebung gewährleiste, argumentierte Agassiz in Umkehr der Täter-Opfer-Relation, dass unbedarfte oder moralisch nicht genügend gefestigte weisse Herren der Triebhaftigkeit ihrer farbigen Hausmädchen zum Opfer fielen und mit diesen minderwertige Mischlinge zeugten, wie das in den Südstaaten jetzt der Fall sei. Eine kompromisslose Durchsetzung der Rassentrennung würde auch garantieren – hier erweist sich Agassiz als früher Eugeniker –, dass die "Mulattinnen" und "Mulatten" wegen ihrer geringeren Fähigkeit zur Fortpflanzung nach und nach von selbst verschwänden. Dazu würde vielleicht auch eine sich allmählich ohnehin einstellende räumliche Trennung beitragen, weil die Weissen sich vor allem im Norden konzentrierten, viele Schwarze sich dagegen im Süden der USA ansiedelten, wo man die Entstehung von "Negerstaaten" hinnehmen müsste.
Agassiz war wie andere Vertreter des sogenannten Scientific Racism ein Vorkämpfer der systematischen Rassensegregation, die ja dann auch nach der Phase der Reconstruction durch viele Gesetze (Jim Crow Laws) und lokale Verwaltungsordnungen in den Gliedstaaten der USA implementiert wurde und die soziale Ausgrenzung der farbigen Bevölkerungsteile für ein Jahrhundert festschrieb. In einer Anspielung auf die "separate but equal"-Doktrin, die auf ein die Rassentrennung rechtfertigendes Urteil des Supreme Court von 1896 zurückgeht, charakterisiert Christoph Irmscher Agassiz' Auffassung, wie der Staat mit den Afroamerikanerinnen und -amerikanern umgehen solle, als "separate and not even close to equal".
Forscherkollegen wie zu Beispiel Asa Gray sprachen Agassiz' rassenkundlichen und gegen die Evolutionstheorie gerichteten Arbeiten schon zu dessen Lebzeiten jegliche Wissenschaftlichkeit ab, während dieser in der breiten Öffentlichkeit weiterhin als Pionier und Autorität der Naturwissenschaften galt. Einflüsse seines rassistischen Gedankenguts lassen sich später bei Eugenikern, Mussolini-Verehrern (Ezra Pound), nationalsozialistischen Rassenhygienikern (Eugen Fischer), Ku-Klux-Klan-Aktivisten (Jon Kasper) und Kreationisten (Stephen C. Meyer) nachweisen.
Nach Agassiz wurden auf der Erde und im Sonnensystem rund 80 Orte (in der Schweiz das Agassizhorn) sowie einige Tierarten benannt. Erst mit dem Erstarken der US-Bürgerrechtsbewegung setzte in den USA die kritische Aufarbeitung von Agassiz' Rassismus ein. In der Schweiz wurde dieser sogar erst in den 2000er Jahren thematisiert, nachdem neue kulturwissenschaftliche Forschungsansätze den Einbezug von denjenigen europäischen Ländern, die nie über Territorien in Übersee verfügten, in die sogenannten Postcolonial Studies theoretisch vorbereitet hatten. Seit 2007 verlangt die Kampagne "Démonter Louis Agassiz" die Umbenennung des Agassizhorns. Der Bundesrat verurteilte zwar in Beantwortung der diesbezüglichen Anfrage von Nationalrat Carlo Sommaruga (SP, Genf) 2007 und 2015 explizit den Rassismus von Agassiz, wandte sich aber gegen die Umbenennung und erklärte sich zudem als nicht zuständig.