Modernisierung bezeichnet Veränderungen der Gesellschaft im Hinblick auf die als modern und fortschrittlich gedachte Zukunft (Fortschritt), die von der traditionellen und rückständigen Vergangenheit unterschieden wird. Geprägt wurden Begriff und Konzept der Modernisierung in den USA in den 1950er Jahren von der historischen Soziologie, welche die Entwicklungsbemühungen der Länder der sogenannten Dritten Welt im Vergleich mit den westlichen Industrienationen untersuchte.
Eine sich primär als Sozialwissenschaft verstehende Geschichtswissenschaft, die den Begriff in den 1970er Jahren übernahm, meint mit Modernisierung – oftmals mit Rückgriff auf die bedeutenden Theoretiker des 19. Jahrhunderts (Ferdinand Tönnies, Emile Durkheim, Georg Simmel, Max Weber, Karl Marx) – eine Entwicklung, die besonders seit dem 19. Jahrhundert vor allem die westliche Welt tiefgreifend umgestaltet hat. Herausragende Modernisierungsprozesse sind die Veränderungen von der Agrar- zur Industriegesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert (Agrarrevolution, Industrialisierung, Mechanisierung, Motorisierung) und von dieser zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft des 20. und 21. Jahrhunderts (Dienstleistungssektor, Informatisierung). Modernisierung wird in der Regel als unilinearer, unumkehrbarer und fortschrittlicher Prozess gedacht, der eine Vielzahl miteinander verwobener Veränderungsprozesse umfasst, namentlich Rationalisierung, Säkularisierung, Individualisierung (Individualismus), Zivilisierung (im Sinne von Norbert Elias), Demokratisierung (Demokratie), Verrechtlichung, Urbanisierung, Technisierung (Technikgeschichte) und Domestizierung (die Nutzbarmachung der Natur).
Kritiker monieren, das Modernisierungsdenken sei evolutionistisch und eurozentrisch, weil es den Entwicklungsgang der westlichen Gesellschaften als Standard für alle Gesellschaften voraussetze. Ein reflexives Konzept von Modernisierung muss berücksichtigen, dass diese vielfältig und nicht unbedingt zielgerichtet und positiv verläuft sowie dass jeder Modernisierungsprozess paradoxerweise auch sein Gegenteil hervorbringt. So vergrössert zwar die Individualisierung die Handlungsspielräume des Einzelnen, macht ihn aber gleichzeitig von abstrakten und anonymen Institutionen abhängig, die im Zuge der Bürokratisierung entstehen. Die Domestizierung wiederum erhöht die menschliche Verfügungsgewalt über die Ressourcen der Natur, verweist die Menschen aber auch auf die technischen Hilfsmittel, mit denen sie die Natur beherrschen.
Inwiefern die Schweiz eine stark oder schwach modernisierte Nation ist, lässt sich nicht allgemein feststellen. Ihr Modernisierungsgrad muss im Hinblick auf eine spezifische Gegend sowie im Vergleich mit anderen Landesteilen und westlichen Nationen bestimmt werden. Selbst Aussagen über die Modernisierung einzelner Bereiche sind schwierig: Die Schweiz wurde beispielsweise im Vergleich mit anderen Staaten früh demokratisiert, führte aber das Frauenstimmrecht spät ein. Früh auch wurden gewisse schweizerische Gegenden industrialisiert, was die Schweiz aber nicht daran hinderte, bis in die jüngste Vergangenheit das Selbstbild einer bäuerlich geprägten, vormodernen Nation zu kultivieren.
Modernisierungsprozesse werden von verschiedenen politischen und weltanschaulichen Gruppen unterschiedlich bewertet. Während der Liberalismus den von ihm als Fortschritt gedeuteten Veränderungen positiv gegenübersteht, lehnt der Konservatismus diese ab, weil sie die als naturgegeben bzw. gottgewollt gedachte Ordnung der Gegenwart oder Vergangenheit bedrohen. Gesellschaftliche Konflikte, die aus unterschiedlichem Positionsbezug gegenüber dem sozialen Wandel resultieren (z.B. Jugendunruhen, Italienerkrawall, Kulturkampf), werden von der historischen Forschung auch als Modernisierungskrisen gedeutet (Krisen), insbesondere auch solche in Zusammenhang mit der Globalisierung.