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Pflegepersonal

Die Geschichte des Pflegepersonals ist eng verbunden mit dem religiösen Leben, das dessen Entwicklung über Jahrhunderte weitgehend bestimmt hat. Sie hängt auch – insbesondere in jüngster Zeit – eng mit der Geschichte der Spitäler zusammen.

Mittelalter und Ancien Régime

Vom Hochmittelalter an gab es in den Klöstern ein Krankenzimmer, das unter der Aufsicht eines Bruders stand. Im 11. Jahrhundert eröffneten Spitalbruderschaften erste Spitäler, die teilweise auf die Behandlung bestimmter Krankheiten spezialisiert waren. So widmeten sich beispielsweise die Antoniter den an Ergotismus (Antoniusfeuer) Erkrankten. In den Städten wurde das ursprünglich im Besitz der Geistlichen stehende Spital oder Hospiz bereits im 14., meist aber im 15. Jahrhundert kommunalisiert. Weltliche Bedienstete kümmerten sich um die Pflege und Ernährung von Bettlern, Wallfahrern, Waisen, Alten, Armen und Hungrigen.

Nach der Glaubensspaltung beschritten die reformierten Kantone neue Wege. Hier bestand das Pflegepersonal meist aus weltlichen Personen, was sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts kaum änderte. Es wohnte im Spital und hatte sich strikt an die Vorschriften der Spitaldirektion zu halten. Im Verlauf der Zeit wurde es zunehmend der Autorität der Ärzteschaft unterstellt, sodass es in mancher Hinsicht den bescheidenen sozialen Status der Dienstboten teilte.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelangte die Ordensgemeinschaft der Hospitaliter in die katholischen Kantone, als die Bürgergemeinden im Bemühen, ihre väterliche Fürsorge und ihre barmherzigen Absichten zu zeigen, ihre Spitäler zu erneuern begannen. Der Wunsch nach aktivem, vielseitigem, möglichst kostengünstigem und sich aufopferndem Personal veranlasste die Behörden, die Spitalschwestern von Besançon zu berufen, die aus der Gemeinschaft von Beaune (1452) hervorgegangen waren. Die Schwestern von Besançon waren jedoch stärker von den Diözesanständen abhängig als die im 17. Jahrhundert in Frankreich gegründeten grossen, zentralistisch geführten Kongregationen wie die Schulschwestern von der göttlichen Vorsehung des heiligen Vinzenz von Paul. Schweizerinnen wurden zunächst in den Mutterhäusern der Freigrafschaft ausgebildet, dann gründeten sie an Schweizer Spitälern autonome Schulschwesternschaften, die während Jahrzehnten die Pflege übernahmen (1765 Pruntrut, 1768 Sitten, 1779 Freiburg, 1784-1788 Solothurn, 1811 Neuenburg unter dem Regime Berthier). In Zahl und Umfang blieben diese Kongregationen bis ins 20. Jahrhundert jedoch begrenzt und auch in ihren beruflichen Möglichkeiten eingeschränkt. Sie waren äusseren Einflüssen kaum zugänglich und für den Nachwuchs ganz auf das lokale Umfeld angewiesen. Zudem verhinderte die Leitung der Bürgerspitäler, die strikten Gehorsam forderte und die Zahl der Schwestern beschränkte, ihre Entwicklung.

Das 19. Jahrhundert, Zeit der Erneuerung

Nach den revolutionären Wirren lebten die karitativen Aktivitäten in den 1820er Jahren wieder auf. Besonders die reformierte Erweckungsbewegung rief zahlreiche gemeinnützige Werke ins Leben. Sie gründete Ambulatorien (Polikliniken), Armenküchen, Hospize, Spitäler und Krankenzimmer. Weil die Zahl dieser Institutionen zunahm, vergrösserte sich die Nachfrage nach entsprechend ausgebildetem Personal. Die Gründung der Schwesterngemeinschaften der Diakonissen kam einer Revolution gleich. Die Schwestern widmeten sich vorwiegend der Krankenpflege, etwa ab 1842 in Saint-Loup oder ab 1844 in Bern (von Sophie Dändliker gegründetes Schwesternhaus). Die Gemeinschaft wuchs langsam, aber stetig. 1851 gab es in Saint-Loup 13 Diakonissen, 1891 waren es 80, 1924 330. Die katholische Seite blieb nicht untätig und vertraute die weitere Entwicklung offensiven Ordensgemeinschaften an. Nachdem die Katholiken in Genf die Niederlassungsbewilligung erhalten hatten, übertrug die Kirchenleitung Anfang des 19. Jahrhunderts die Leitung verschiedener Hilfswerke den Barmherzigen Schwestern. 1810 waren es drei, 1875 gab es bereits mehr als dreissig. 1858 liessen sie sich in Freiburg nieder. Zählt man die Schwesterngemeinschaften von Baldegg (1830), Heiligkreuz bei Cham (1862), Ingenbohl (1856) und weitere kleinere Orden dazu, dominierten Ende des 19. Jahrhunderts die Ordensschwestern den Beruf.

Die Dominanz der religiösen Gemeinschaften liess der Entwicklung einer weltlichen Ausbildung für das Pflegepersonal im 19. Jahrhundert wenig Raum. Die 1859 in Lausanne gegründete Pflegerinnenschule La Source hatte zum Ziel, junge Mädchen auf die freie Ausübung des Berufs vorzubereiten. Die Schule blieb aber wegen des Quasimonopols der Ordensfrauen von geringer Bedeutung. Die katholischen Schwestern hatten den Ruf, zuverlässigere, günstigere und diszipliniertere Arbeitskräfte zu sein als das weltliche Personal. Zudem wurden sie von den konservativen Eliten aus bürgerlichen Kreisen unterstützt, standen unter dem Schutz der Kirchenbehörden und genossen oft das volle Vertrauen der Ärzteschaft, die in den grossen Kantonsspitälern manchmal den Ersatz des weltlichen Personals durch Ordensfrauen verlangte (1883 Lausanne, 1891 Genf).

Krankenpflegerin und Schülerin bei der Säuglingspflege. Fotografie, 1928 (Archiv Gosteli-Foundation, Worblaufen).
Krankenpflegerin und Schülerin bei der Säuglingspflege. Fotografie, 1928 (Archiv Gosteli-Foundation, Worblaufen). […]

Unabhängige Ausbildungsgänge, die aus der Bewegung des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) entstanden waren, setzten sich nur mit Mühe durch. Während im übrigen Europa gemäss dem 1859 formulierten Wunsch Henry Dunants überall Kurse im Bereich der Gesundheitspflege durchgeführt und Pflegerinnenschulen eingerichtet wurden, hinkte die Schweiz hinterher. Gewiss wurden da und dort Kurse durchgeführt, doch gingen von diesen nur unregelmässig stattfindenden und unkoordinierten Unternehmungen kaum Impulse aus. Nach seiner Reorganisation 1898 setzte sich das SRK für die Gründung der Pflegerinnenschulen in Bern (1899) und Zürich (1901) ein. 1903 erhielt es die Anerkennung der Eidgenossenschaft und wurde zur offiziellen Zentralinstanz für die Pflegeausbildung in der Schweiz ernannt; von nun an erhielten die Schwesternschulen Bundessubventionen, wenn ihr Programm von den Gremien des SRK kontrolliert und genehmigt worden war. Um die Jahrhundertwende setzte sich die Idee durch, dass die Berufsausbildung den Fortschritten der Medizin und Chirurgie angepasst werden müsste. Das Erstellen von Normen war ein Schritt auf dem Weg zu einheitlichen Berufsanforderungen. Der Bereich der sozialen Gesundheitsfürsorge blieb jedoch punkto Ausbildung, beruflichem Status und Selbstverständnis des Pflegepersonals äusserst vielfältig (Ordensfrauen, Samariter, Freiwilligenarbeit, vom SRK diplomierte Pflegerinnen, weltliches Personal).

Das 20. Jahrhundert

Nach den konfessionellen Konflikten des 19. Jahrhunderts verzeichneten die religiösen Gemeinschaften in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen regen Zustrom. Der Entwicklung des Berufs förderlich waren aber auch die Vergrösserung und die Modernisierung des schweizerischen Spitalnetzes (1936 529 Krankenhäuser). Um die steigende Nachfrage nach Arbeitskräften zu decken, wurden weiterhin konfessionelle Schwestern angestellt: 1945 gab es in der Schweiz 264 als Krankenschwestern tätige Barmherzige Schwestern und 1947 413 Diakonissen von Saint-Loup. Auch die Modernisierung der Ausbildung trug zum Aufschwung bei. Mit Hilfe oder unter der Leitung der Ordensschwestern wurden 1913 in Freiburg, 1937 in Luzern und 1944 in Sitten Schwesternschulen gegründet. Angesichts dieser Dynamik bekundeten die weltlichen Schwestern (und auch das männliche Pflegepersonal) Mühe, sich zu behaupten. Oftmals wurden sie auf subalterne Stellen abgeschoben, arbeiteten unter beinahe klösterlichen Bedingungen, erhielten nur bescheidene Löhne und waren vom Gesetzgeber kaum geschützt. Es gab kein eidgenössisches Diplom und der erste Normalarbeitsvertrag für diplomierte Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen wurde erst 1947 ausgehandelt. Die wirtschaftlichen Krisen der 1920er und 1930er Jahre verunmöglichten es den Spitalverwaltungen, die Löhne anzuheben. Ausserdem bekundete der heterogene Berufsstand Mühe, sich zu organisieren und gemeinsame Forderungen zu stellen. Aus diesem Grund wurde der Beruf zunehmend unbeliebt. Zwar liessen sich in der Zwischenkriegszeit zahlreiche Frauen an den Schulen des SRK ausbilden – dieses schrieb gemäss den Richtlinien von 1925 eine dreijährige Ausbildung vor –, besuchten die Samariterausbildung und Kurse für die Hauspflege oder Privatschulen, doch gaben sie nun ihre Stellen wegen der aufreibenden Arbeitsbedingungen, der mangelnden Aussicht auf Beförderung und der niedrigen Löhne auf. Vermutlich litten die Pflegeberufe auch unter der Konkurrenz durch andere Berufe, die nun auch den Frauen offen standen und als attraktiver galten. Am Ende des Zweiten Weltkriegs litt die Schweiz unter einer noch nie dagewesenen Knappheit an Pflegepersonal.

Zwischen 1940 und 1960 verbesserten sich die Arbeitsbedingungen dank des grösseren Zusammenhalts innerhalb des Berufsstands allmählich. 1944 gründeten der Nationalverband der Schwestern anerkannter Pflegerinnenschulen der Schweiz (1937) und der Schweizerische Krankenpflegebund (1911) den Schweizerischen Verband diplomierter Krankenschwestern und Krankenpfleger. Diese gründeten 1978 mit dem Schweizer Personal für Nerven- und Gemütskranke (1925, dann Schweizerischer Verband diplomierter Psychiatrieschwestern und -pfleger) und dem Schweizer Verband der Wochen- und Säuglingspflegerinnen den Schweizerischen Berufsverband der Krankenschwestern und Krankenpfleger (heute: Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner). Die Besserstellung des Pflegepersonals war auch das Resultat von Werbekampagnen des SRK, der Einführung sozialer Vorsorgewerke (AHV) und des wirtschaftlichen Aufschwungs der Nachkriegszeit. Nun wurde es möglich, die nötigen Geldmittel für eine angemessene Entlöhnung der ausgebildeten Berufsleute aufzubringen. Hingegen litten die christlichen Gemeinschaften an Nachwuchsmangel, weshalb die konfessionellen Schwestern zunehmend aus dem Arbeitsmarkt verschwanden, was dem weltlichen Personal neue Perspektiven eröffnete. Gemäss Schätzungen waren 1956 rund 70% des Pflegepersonals weltliche Berufsleute, 16% waren Diakonissen und 14% Nonnen.

Aufgrund der andauernden Personalknappheit wurden zahlreiche Ausländer (u.a. Frankokanadier, Österreicher, Deutsche) angestellt. 1975 gab es in der Schweiz 32'927 Pflegerinnen (davon 7916 Ausländerinnen) und 4620 Pfleger (davon 1367 Ausländer) sowie zusätzlich 16'153 Hilfskräfte (2405 Männer, 13'748 Frauen). Der Beruf blieb weiterhin eine Frauendomäne. Eine Ausnahme bildeten die psychiatrischen Institutionen, die mehr Männer beschäftigten. 2008 waren 49'169 Personen als Pflegende in Spitälern tätig, dazu kamen etwa 49'000 Personen, die im ambulanten Bereich arbeiteten.

Die zunehmende Komplexität des Gesundheitssystems, die eine Ausbildung zwingend voraussetzt, eröffnete verschiedenartige und attraktive Karrieren. Parallel zur Hierarchisierung und Spezialisierung des Berufs entwickelten sich im Verlauf der Jahre unterschiedliche und spezifische Aus- und Weiterbildungen (u.a. seit 2000 Institut für Pflegewissenschaften an der Universität Basel, Fachhochschulen), die den Ausbildungs-, Verantwortungs-, Erfahrungs- und Entlöhnungsniveaus Rechnung tragen. Entsprechend haben sich auch die Berufsbezeichnungen geändert (Oberschwester bzw. Leiterin Pflegedienst, diplomierte Krankenschwester bzw. diplomierte Pflegefachfrau, Hilfsschwester bzw. Pflegeassistentin, Schülerin bzw. Studentin).

Quellen und Literatur

  • R. Lang, M. Comtesse, Unsere Krankenpflege in Gegenwart und Zukunft, 1959
  • B. Dätwyler, U. Ladrach, Professionalisierung der Krankenpflege, 1987
  • J. Guillermand, Histoire des infirmières, 2 Bde., 1988-91
  • A. Fritschi, Schwesterntum, 1990 (Neuaufl. 2006)
  • La croix et la carrière, hg. von E. Valsangiacomo, 1991
  • P. Gobet, La construction sociale de l'activité soignante, 2002
  • Pflege – Räume, Macht und Alltag, hg. von S. Braunschweig, 2006
Weblinks

Zitiervorschlag

Joëlle Droux: "Pflegepersonal", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.01.2011, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016316/2011-01-11/, konsultiert am 14.12.2024.