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Ministerialität

Dienstadel

Ministerialität bezeichnet einerseits die Dienstabhängigkeit der persönlich-rechtlich unfreien Dienstleute (güterrechtliche Beschränkungen, Ehebeschränkungen) von ihrem Herrn, andererseits die Gruppe der Dienstleute selbst. Als Institution kam die sich ab dem 11. Jahrhundert formierende Ministerialität nur im Heiligen Römischen Reich vor. Man unterscheidet zwischen der Reichsministerialität, der Ministerialität der Reichskirche, der Reichsfürsten und der Ministerialität des Adels allgemein. Nach dem Schwabenspiegel durften nur Könige und Reichsfürsten Dienstleute haben, allein die Urkunden widerspiegeln eine andere Wirklichkeit. Während der Begriff Ministeriale (ministerialis) ab der Spätantike als ständisch unspezifische Bezeichnung für einen königlichen Amtsinhaber erscheint, schränkt er sich im Hochmittelalter auf die Gruppe der unfreien, hofrechtlich gebundenen Dienstleute ein. Indem sich die Ministerialen auf Hof-, Verwaltungs- und Kriegsdienste (gerichtliche und Verwaltungsaufgaben durch grundherrliche Meier; Hofämter wie Truchsess, Marschall usw.) konzentrierten, schlossen sie sich im Laufe des 11. Jahrhunderts als qualifizierte Sondergruppe von der übrigen herrschaftlichen familia ab und erhielten ein besonderes Recht, das Dienstrecht. 1064 wurde den Dienstleuten des Klosters Einsiedeln das St. Galler Dienstrecht gewährt, 1166 bekamen die St. Galler Ministerialen ein Sonderrecht.

Die Dienstleute geistlicher Grundherrschaften, so zum Beispiel des Fraumünsters und Grossmünsters (beide Zürich), der Klöster St. Gallen und Luzern, fungierten als Mittler zwischen den Gotteshausleuten und dem Abt oder der Äbtissin. Sie verfügten über grosse Selbstständigkeit gegenüber den Landleuten wie etwa die Meier des Fraumünsters in Uri, deren Ämter nach der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden. Ihre Aufgabe bestand im Einziehen der Grundzinse und der an sie verpachteten Zehnten. Zudem nahmen sie polizeiliche und richterliche Funktionen wahr. In Uri gelang einzelnen Meiern über ihre Amtsfunktion hinaus ein politischer und sozialer Aufstieg in der Talgemeinde. Die sankt-gallischen Meier gehörten bereits 1050 zur Ritterschaft; ihre grundherrlichen Pflichten delegierten sie an die Kellner. Insbesondere die Partizipation am Kriegsdienst und damit am ursprünglich adlig geprägten Rittertum beschleunigte den ständischen Wandel. Im 12. Jahrhundert waren die Ministerialen häufig Ritter, und zumindest eine obere Schicht hatte neben den Dienstlehen echte, vasallitische Lehen erworben. Führend bei diesem Aufstiegs- und Umschichtungsprozess waren die Reichsministerialen unter den Saliern und Staufern. Die Erblichkeit des ministerialen Status und die Einbeziehung ins Lehnswesen machten die Ministerialität zu einer geburtsständischen Institution mit eigener Gerichtsbarkeit. In dieser Zeit erscheint die Ministerialität als geschichtetes, heterogenes Sozialgebilde, in das möglicherweise vereinzelt auch Freie eingetreten sind.

Im Gebiet der Schweiz erschienen Ministerialen erstmals kurz vor der Wende zum 13. Jahrhundert im Gefolge der Herzöge von Zähringen, aber auch von Hochadelsgeschlechtern wie den Grafen von Neuenburg, nach 1220 zum Beispiel auch denjenigen von Kyburg, Habsburg, Frohburg, Rapperswil und Toggenburg sowie den Herren von Regensberg. Bei der kyburgischen Ministerialität auffallend ist die nur schwache Abhängigkeit von der Herrschaft, was auf die heterogene Herkunft aus lenzburgischem und zähringischem Erbe, nicht zuletzt aber auf das Fehlen der faktischen Macht zur Herrschaftsdurchsetzung zurückzuführen ist. Gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts kann im süddeutschen und schweizerischen Raum von eigenständiger Ministerialität nicht mehr gesprochen werden; sie war mit der (ritter)adligen Führungsschicht verschmolzen.

Quellen und Literatur

  • J.P. Ritter, Ministérialité et chevalerie, 1955
  • Sablonier, Adel
  • M. de Tribolet, «Fidélité et seigneurie», in ZRG GA 97, 1980, 283-295
  • T. Zotz, «Die Formierung der Ministerialität», in Die Salier und das Reich 3, hg. von S. Weinfurter, 1991, 3-50
Weblinks

Zitiervorschlag

Franziska Hälg-Steffen: "Ministerialität", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 24.11.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016369/2009-11-24/, konsultiert am 19.03.2024.