Der Begriff Angestellte wurde in der Schweiz erst im späten 19. Jahrhundert gebräuchlich. Zuvor existierten diverse Bezeichnungen für moderne kaufmännische und technische Berufe, die nun in Arbeitswelt und Alltagsgebrauch zunehmend in Überschreitung der Berufsgrenzen als «Angestellte» zusammengefasst wurden. Das Obligationenrecht von 1881 als erste landesweite Kodifizierung des Vertragsrechts kannte noch keine Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten; erst die Fassung von 1911 führte diese ein. Betriebliche Dienstordnungen und seit 1918 auch Gesamtarbeitsverträge hielten in lockerer Form fest, was die Angestellten auszeichnete, nämlich ein Katalog von Privilegien gegenüber den Arbeitern: längere Kündigungsfristen, monatliche Gehaltsform der Entlöhnung, Gehaltsfortzahlung im Falle der Krankheit oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung, Gewährung von Ferien. Indes bleibt festzuhalten, dass der Angestelltenbegriff in der Schweiz nie eine mit Deutschland vergleichbare, zum Beispiel in der Sozialversicherung verankerte Trennschärfe erhielt. In Alltag, Sozialpolitik und beruflichen Organisation ergaben sich dennoch beträchtliche Unterschiede, die bis in die Gegenwart fortleben, allerdings seit den 1960er Jahren deutlich abgenommen haben. In der modernen Sozialgeschichte kommt neben dem auf das Erwerbsleben bezogenen und vertragsrechtlich definierten Begriff des Angestellten auch eine erweiterte Definition als soziale Gruppe mit mittelständischen Lebensformen, Selbstverständnis und entsprechenden Fremdbildern bezüglich Arbeiterschaft und Bürgertum zur Anwendung.
Umfang und Gliederung
Grösse und Struktur der Angestelltenschaft werden seit 1900 von den schweizerischen Volkszählungen in zunehmender Differenziertheit erfasst. Für die Zeit davor ist man auf Schätzungen angewiesen. Ausgehend von einem Anteil von wenigen Prozent der Erwerbstätigen um 1900 wies diese Beschäftigtengruppe ein enormes langfristiges Wachstum auf, das allerdings keineswegs gleichförmig erfolgte: Die Periode 1890-1920 war durch ein besonders starkes Wachstum gekennzeichnet; der Zeitraum 1920-1945 durch eine wesentliche Verlangsamung (ausgenommen die zweiten Hälfte der 1920er Jahre). Die Zeit nach 1945 sah erneut eine massive Erhöhung der Angestelltenzahlen, sodass diese gegen Ende der 1970er Jahre die Zahl der Arbeiter überstiegen. Seit den 1960er Jahren erteilten allerdings immer mehr Arbeitgeber den Angestelltenstatus an darauf drängende, qualifizierte Arbeitergruppen, weshalb die Daten der Volkszählungen von 1970 und 1980 an Aussagekraft verlieren. Die Volkszählung 1990 verzichtete darum erstmals seit 1900 auf die getrennte Erhebung von Arbeitern und Angestellten und wies stattdessen Arbeiter und untere Angestellte gemeinsam aus. So ist man, wie für das späte 19. Jahrhundert, auf die Erfassung einer nun allerdings kräftig erhöhten Zahl verschiedener Berufe angewiesen, deren Summe eine nur noch wenig aussagekräftige Grösse ergibt. Darin spiegelt sich ein wichtiges Stück der historischen Entwicklung: die allmähliche Herausbildung einer zunächst heterogenen und unscheinbaren, dann an Grösse und Geschlossenheit gewinnenden Sozialgruppe, deren Konturen sich nach dem Zweiten Weltkrieg, bei noch beschleunigtem zahlenmässigen Wachstum, wieder verwischen.
Umfang und Gliederung der Angestellten 1900-1980
Jahr | 1900 | 1920 | 1941 | 1960 | 1980 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Angestellte insgesamt | 134 224 | 264 598 | 348 142 | 633 470 | 1 324 592 | |
Anteil am Total der Erwerbstätigen | 9,1% | 14,9% | 17,5% | 25,2% | 42,8% | |
Nach Branchen und Sektoren | ||||||
Industrie | 39 582 | 69 179 | 107 110 | 234 979 | 379 890 | |
Handel | 26 359 | 49 525 | 63 409 | 124 791 | 254 002 | |
Banken/Versicherungen | 5 635 | 18 776 | 26 927 | 45 950 | 118 327 | |
Verkehr/Kommunikation | 13 943 | 33 170 | 29 708 | 53 266 | 93 796 | |
Nach Berufsgruppen und Geschlecht | ||||||
Kaufmänn./verwaltende Angestellte | 32 640 | 72 572 | 99 800 | 195 050 | 360 516 | |
davon weiblich | 12,6% | 29,5% | 32,1% | 42,8% | 61,5% | |
Verkaufspersonal | 17 420 | 32 246 | 36 534 | 71 899 | 129 552 | |
davon weiblich | 90,0% | 84,0% | 89,2% | 87,7% | 83,8% | |
Techniker, Ingenieure, Architekten, Chemiker | -a | -a | 16 752 | 35 162 | 52 830 | |
davon weiblich | - | - | 0,3% | 0,5% | 1,8% | |
Zeichner | -a | -a | 6 754 | 22 014 | 33 340 | |
davon weiblich | - | - | 4,2% | 4,7% | 17,8% |
a nicht erhoben
Arbeitswelt und Bildung
Angestelltentätigkeiten sind nur mit Mühe allgemein zu fassen und von Arbeitertätigkeiten abzugrenzen. Angestellte sind in der Regel eher in der Bearbeitung von Informationen, in der Aufsicht und Kontrolle über Untergebene oder im Verkauf tätig. Doch ergibt sich aus diesen erwerbsbezogenen Kriterien allein keine Gewissheit über die soziale Zuordnung der Angestellten. So bestanden bis zum Ersten Weltkrieg Zweifel im Hinblick auf die Verkaufstätigkeit, die in der Schweiz (im Unterschied zu anderen Ländern) ganz überwiegend von Frauen ausgeübt wurde und daher besonders geringen Status genoss. Die definitive Weichenstellung erfolgte erst unter sozialpolitischem Druck, als sich nach dem Ersten Weltkrieg die gewerkschaftliche Organisation einer Minderheit grossstädtischer Verkäuferinnen abzeichnete. Nun erfolgten gezielte Anstrengungen in der Berufsbildung sowie von Seiten des Schweizerischen Kaufmännischen Vereins (SKV, Schweizerischer Kaufmännischer Verband), die Verkaufsberufe aufzuwerten und als Angestellte zu reklamieren, um sie von den sozialistischen Gewerkschaften fernzuhalten. Auch bei Werkmeistern war die Zugehörigkeit zur Angestelltenschaft, infolge ihres Aufstiegs aus der Arbeiterschaft und ihrer Nähe zu den Werkstätten, nicht von vornherein gegeben. Hier allerdings schufen die aus der direkten Befehlskompetenz hervorwachsenden Spannungen zu den Untergebenen mit der Verschärfung des Klassenkampfs zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern zunehmend klare Grenzlinien nach unten und ein Bedürfnis zur Anlehnung an sozial verwandte Gruppen. Den Kern der qualifizierten Angestelltenberufe machten die kaufmännischen und verwaltenden sowie die gehobenen technischen Angestellten aus. Die Büros nahmen allerdings während der Phasen starken Wachstums einen hohen Anteil von Angelernten auf, darunter nach 1900 immer mehr Frauen. Die qualifizierten Gruppen absolvierten eine Berufslehre oder Handelsschule. Schwerer zugänglich, daher auch höher angesehen und besser entlöhnt, waren die Berufe der technischen Spezialisten, der Techniker HTL oder der Ingenieure und Chemiker. Diese naturwissenschaftlich gebildeten Berufsleute vermochten zudem die Frauen nahezu vollständig aus ihren Reihen fernzuhalten, woran sich bis in die Gegenwart wenig geändert hat.
Waren Techniker, Ingenieure und Chemiker ursprünglich vielfach als technische Pioniere und Innovatoren, jedenfalls aber als Vorgesetzte tätig, so änderte sich ihre Stellung in den technischen Büros der grossen exportindustriellen Unternehmen bereits vor 1914. Sie wurden zum Teil zu «Bürotechnikern», die im arbeitsteiligen Prozess oft eng umschriebene Aufgaben erfüllten. Ausgeprägter noch war dies der Fall in der kaufmännischen Verwaltung, wo in den grössten Unternehmen bis 1920 Abteilungen von mehreren hundert Personen entstanden. Hier waren berufliche Spezialisierung und Arbeitsteilung an der Tagesordnung, wobei sich allerdings die gelernten Kaufleute gute Aufstiegschancen ausrechnen konnten, da die unteren Positionen in den Funktionshierarchien in hohem Mass von (meist weiblichen) Angelernten eingenommen wurden. Einschränkend ist zudem festzuhalten, dass die grosse Verwaltung bis heute eine Ausnahmeerscheinung geblieben ist, die Masse der kaufmännischen und technischen Berufsleute war in mittleren und kleineren Einheiten tätig. Die Autoritätsbeziehungen blieben dort vielfach persönlich gefärbt, der Arbeitszusammenhang überschaubar, und bürokratische Aspekte der Arbeitsordnung hielten sich in Grenzen. Das starke Wachstum der Verwaltungen in Industrie und Dienstleistungen ging einher mit beschleunigter Arbeitsteilung, Formalisierung der betrieblichen Abläufe und periodischen Wellen der Rationalisierung, die den Beschäftigten hohe Anpassungsleistungen abforderten. Vielfach erfolgte diese Anpassung im beruflichen Generationenwechsel, was zur Entschärfung der Spannungen beitrug. Zudem wiesen die Unternehmen die besonders belastenden und monotonen Routinearbeiten häufig Frauen zu, die dieser Tätigkeit nur begrenzt, bis zur Heirat, nachgingen, was ihre beruflichen Erwartungen reduzierte. Festzuhalten ist zudem, dass bei Rationalisierungen den Verlierern stets auch Gewinner gegenüberstanden, sodass die Interessenwahrnehmung uneinheitlich blieb. Kamen allerdings sinkende Reallöhne für die Mehrheit und sozialpolitische Unrast hinzu, wie 1917-1920, so entwickelte sich zeitweilig breite Unzufriedenheit vor allem unter jüngeren Berufsangehörigen, die sich in ihren Erwartungen zurückgesetzt sahen. Daraus resultierten wichtige Anstösse zur Umformung der verbandsmässigen Organisation (Angestelltenorganisationen). Von einem längerfristigen, an der Einkommensentwicklung ablesbaren Prozess der «Proletarisierung», d.h. einer generellen Annäherung an die Lebenslage der Arbeiterschaft, kann insgesamt keine Rede sein. Sie war allenfalls in bestimmten Perioden, für die Individuen auch zu Beginn ihrer Berufslaufbahn, zu verzeichnen und wurde von den Zeitgenossen vielfach überschätzt oder gab zu falschen Prognosen Anlass. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Annäherung von Arbeitern und Angestellten (z.B. im Hinblick auf den Ferienanspruch) in der Phase starken Wachstums am ausgeprägtesten; sie wurde von Seiten der Angestellten und ihrer Standesvertreter, im Unterschied zur Zwischenkriegszeit, kaum mehr als Problem wahrgenommen, da sie als Besserstellung der bisher Benachteiligten und nicht als Privilegienverlust der bisher Bevorzugten erschien.
Lebensformen
Lebenshaltung, Wohnen, Konsum und Freizeit der Angestellten orientierten sich zum Teil an mittelständischen oder bürgerlichen Vorbildern, zum Teil auch nur an einer bestimmten, von der Tradition überlieferten Vorstellung von dem, was als «standesgemäss» galt. Bei der Mehrheit der jüngeren Angestellten war das Einkommen allerdings so bescheiden, dass nur begrenzter Spielraum zur soziokulturellen Gestaltung der Lebensform blieb. Eine eigene Wohnung lag erst nach dem Eheschluss, der mit leichter zeitlicher Verzögerung gegenüber der Arbeiterschaft erfolgte, im Bereich des Möglichen. Für weibliche Angestellte, die zumeist in enger Bindung an die Herkunftsfamilie lebten, blieb dieser Anspruch bis in die 1950er Jahre sogar häufig dauerhaft unerfüllt. Zusätzlicher Aufwand galt typischerweise eher der Kleidung, was zum Teil auch vom Beruf erzwungen war, und dem Wohnen als zum Beispiel der Ernährung (wie in der Arbeiterschaft üblich). Bezüglich des Wohnkomforts überholten Angestellte in der Zwischenkriegszeit die kleinen Selbstständigen, da sie – als Mieter – die Neubauquartiere der Städte bezogen. Um den beanspruchten Lebensstandard erreichen zu können, reduzierten Angestellte früher als die Familie der Arbeiterschaft oder des Bürgertums ihre Kinderzahl, indem sie systematisch zu Formen der Familienplanung übergingen.
Die Lebensform der Angestellten ist nicht einfach als bürgerlich oder kleinbürgerlich zu bezeichnen, obwohl bürgerliche Vorbilder (bezüglich Kleidung, Wohnen, Kultur) verbreitet eine Rolle spielten. Die angestrebte soziale Abgrenzung nach «unten» liess solche Vorbilder bedeutsam werden. Ansonsten aber hatten Angestellte schon früh Anteil an den neuen Tendenzen des Massenkonsums, an neuen Medien oder Freizeitformen. Sie wurden damit in den 1920er und 1930er Jahren zum Teil zu Pionieren von Lebensformen, die erst mit Verzögerung auf Arbeiterschaft und Bürgertum übergriffen, wo traditionelle Bindungen bzw. begrenzte wirtschaftliche Möglichkeiten den Bewegungsradius einengten. Für die Verbreitung der neuen Lebensformen dürfte den weiblichen kaufmännischen Angestellten eine zentrale Rolle zugekommen sein: Sie stammten häufiger aus der Arbeiterschaft als die männlichen Kollegen, heirateten auch häufiger in die Arbeiterschaft und trugen somit zur Aufweichung der Klassengrenzen bei. In der Zwischenkriegszeit verstärkte sich die Tendenz zu familiären Verbindungen zwischen Arbeiter- und Angestelltenschaft: Gelernte (männliche) Arbeiter wurden den Angestellten ähnlicher und diese wiederum übernahmen zum Teil Einstellungen, die bis dahin auf die Arbeiterschaft begrenzt gewesen waren.
Politische und soziale Orientierungen
Als Arbeitnehmer und «kleine Leute» gehörte die Mehrheit der Angestellten politisch jenem breiten liberal-demokratischen Feld an, das seit Gründung des Bundesstaates einen dominanten Einfluss ausübte, wobei sie eher zum linken, reformerischen Flügel neigten. Im Unterschied zur Arbeiterschaft, die sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts aus diesem Feld herauszulösen begann und eigene politische und gewerkschaftliche Organisationen bildete, blieben die Angestellten den liberal-demokratischen Positionen treu. Ein Teil der qualifizierten Berufsleute sah sich auch als Unternehmergehilfen und angehende Selbstständige, was durchaus nicht unrealistisch war. Mit den aufkommenden Klassenkämpfen fanden sich die Angestellten zwar nicht vorbehaltlos auf der Seite der Unternehmer (z.T. strebten sie nach einer Haltung vorsichtiger Neutralität), da sie auch eigene Interessen als Arbeitnehmer zu wahren hatten. Ab etwa 1905 traten diese allmählich deutlicher hervor; namentlich die sozialpolitisch bewegten Jahre 1917-1920 aber drängten die Angestellten zu einem verstärkten Arbeitnehmerbewusstsein. Eine wesentliche Annäherung an die Arbeiterschaft unterblieb jedoch weiterhin, da diese in denselben Jahren unter dem Einfluss radikaler Kräfte weiter nach links rückte. Erst ab den späten 1920er Jahren und während der Weltwirtschaftskrise kam es zu einem vorsichtigen punktuellen Zusammengehen der Angestelltenorganisationen mit den Arbeitergewerkschaften.
Politisch partizipierten Angestellte, im Gegensatz zum Klischee vom «unpolitischen Kleinbürger», stets stärker als der Durchschnitt der Arbeiterschaft. Nur fiel dies weniger auf, da sich ihr Engagement weniger auf ein bestimmtes politisches Lager konzentrierte. Zudem waren die Unterschiede in der sozialen Lage innerhalb der Angestelltenschaft gross und nahmen mit der Zeit noch zu, insbesondere seit der Herausbildung einer eigentlichen Spitzengruppe leitender Angestellter. Was zum Beispiel die Stimmbeteiligung betraf, waren die Unterschiede zwischen leitenden und nichtleitenden Angestellten um einiges grösser als jene zwischen nichtleitenden Angestellten und qualifizierten Arbeitern. Indes hatte die soziale Auffächerung innerhalb der Angestelltenschaft nur begrenzt Konsequenzen für die politischen und sozialen Orientierungen. Der Aufstieg in die Ränge der mittleren und höheren Kader war vor allem für die qualifizierten und männlichen Berufsangehörigen keineswegs eine unrealistische Perspektive. Aufstieg durch Bildung, individuelle Leistung und ein gemässigter Fortschrittsglaube blieben somit zentrale Merkmale im Angestelltenbewusstsein. Namentlich die qualifizierten Kerngruppen kaufmännischer und technischer Angestellter orientierten sich sehr stark an solchen Werten. Die grosse Zahl der weniger Begünstigten, die keinen wesentlichen sozialen Aufstieg zu erwarten hatten, vermochte sich dem Einfluss dieser Vorbilder nicht zu entziehen.
Öffentliche Angestellte
Für die Angestellten im öffentlichen Dienst (Verwaltung, Verkehr, Kommunikation, Energie, Bildung, Gesundheit) ist die Forschung sehr lückenhaft, was mit der Heterogenität und den unklaren Abgrenzungen dieser Gruppen zu tun haben dürfte. Unscharf ist die Abgrenzung zu den Beamten, aber auch zu den Arbeitern. Zudem verteilt sich das Personal auf Gemeinden, Kantonen und Bund. Beschäftigungsmässig rückten seit 1950 die zuvor hinter dem Bund und den Gemeinden an dritter Stelle liegenden Kantone zum wichtigsten Arbeitgeber auf (1991 ca. 40%), was unter anderem durch die Delegation von Bundesaufgaben bedingt war (Vollzugsföderalismus). Die folgenden Bemerkungen beziehen sich primär auf das Bundespersonal; für Kantone und Gemeinden gilt Ähnliches.
Einheitlich rechtliche Regelungen, wer ein Angestellter im öffentlichen Dienst war, fehlten lange Zeit. Parallel zum Beamtengesetz von 1927 erliess der Bundesrat 1928 eine «vorläufige Angestelltenordnung». 1947 ersetzte eine allgemeine, seither mehrmals erneuerte Angestelltenordnung den Wirrwarr früherer Bestimmungen. Das Personal der Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe (PTT) und der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) blieb jedoch weiterhin Sonderregelungen unterstellt.

Von den Beamten unterschieden sich die Angestellten unter anderem durch die Anstellung auf unbestimmte Dauer (im Gegensatz zur Ernennung auf Zeit) und die gestaffelten Kündigungsfristen. Einer besonderen Treuepflicht und dem seit 1927 geltenden Streikverbot waren beide Gruppen unterworfen. Zentral für die Abgrenzung zu den im Tag- oder Stundenlohn tätigen Arbeitern (als Kategorie 1968 aufgehoben) war die monatliche Entlöhnung. Die Einstellung als Angestellter war oft die Vorstufe der Wahl zum Beamten. Die Art der Einstufung war weniger eine Frage der Tätigkeit als der politischen Kräfteverhältnisse: Während der Beratung des Beamtengesetzes in den 1920er Jahren übte beispielsweise der 1903 gegründete Föderativverband eidgenössischer Beamter, Angestellter und Arbeiter (seit 1931 Föderativverband des Personals öffentlicher Verwaltungen und Betriebe) starken Druck für eine Höherbewertung gewisser Berufskategorien aus. Auch umgekehrt konnte die Zuteilung als Sparmassnahme temporär geändert werden: Der Anteil der Beamten sank 1930-1944 von 71% auf 53%, jener der Angestellten stieg von 15% auf über 20%, derjenige der Arbeiter von 13% auf 22%.
Die politisch bedingte Abgrenzung unterschied die Angestellten im öffentlichen Dienst von jenen der Privatwirtschaft, wo soziale und berufliche sowie Einflüsse des Marktes stärker waren. Als «dauernde Angestellte», die also nicht Beamte werden konnten, galten um 1930 zum Beispiel die Verwalter von Post- und Telegrafenbüros auf dem Land, Landbriefträger, Schrankenwärterinnen und Bürogehilfinnen. Die Verwendung ähnlicher Begriffe wie in der Privatwirtschaft täuscht: Beamte wie Angestellte des Bundes waren aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit und Entlöhnung faktisch vielfach Arbeiter. Auf politischem Entscheid beruhte auch die vielfach praktizierte Diskriminierung der weiblichen Arbeitskräfte. Bestand Arbeitskräftemangel, wie zum Beispiel 1870-1888 im Telegrafendienst, konnten Frauen auch Beamtinnen werden.
Die Entlöhnung orientierte sich an der Privatwirtschaft. Indes waren die Löhne infolge der politischen Fixierung unflexibler, was den Angestellten im öffentlichen Dienst in Zeiten der Krise einen Vorteil, während der Hochkonjunktur einen relativen Nachteil brachte. Wichtig war die hohe Sicherheit des Arbeitsplatzes sowie die frühe Einführung sozialer Sicherheiten, die in der Privatwirtschaft fehlten. Ab 1921 bestand für Arbeiter, Beamte und Angestellte des Bundes eine Altersversicherung mit einem Rentenmaximum von 70% des versicherten Lohns.
Quellen und Literatur
- H. Durrer, Die Entwicklung des Personalbestandes im öffentl. Dienst der Schweiz, 1967
- E. Lobsiger, Personalpolitik und Personalrecht der schweiz. Eidgenossenschaft seit Gründung des Bundesstaates, 1975
- H. Dickenmann, Das Bundespersonal in der Wirtschaftskrise 1931-1939, 1983
- M. König et al., Warten und Aufrücken, 1985, (mit Bibl.)
- Y. Bühlmann, K. Zatti, Frauen im schweizer. Telegrafen- und Telefonwesen 1870-1914, 1992
- M. König, «Die Angestellten neben der Arbeiterbewegung», in Sozialgesch. und Arbeiterbewegung, hg. von B. Studer, F. Valloton, 1997, 119-135, (Literaturber. mit Bibl.)