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Geheimbünde

Geheimbünde sind Vereinigungen, deren Ziel und Zweck nur einem exklusiven Kreis Eingeweihter oder Erleuchteter offenbart werden. Als geschlossene Gruppen gewähren sie den Zutritt aufgrund geheimer Abstimmung und initiationsähnlicher Aufnahmeriten. Die Mitglieder eines Geheimbundes teilen meist ein theoretisches, moralisches, mythisches, politisches oder religiöses Wissen. Erstreben Geheimbünde politische bzw. wirtschaftliche Macht, werden die Mitglieder gezielt in den entsprechenden Kreisen rekrutiert. Die Grenzen zu Freikirchen und Sekten, zu chiliastischen und politischen, aber auch zu kriminellen Bewegungen mit ähnlichen Strukturen sind fliessend. Gemeinsam ist allen, dass sie zumindest zeitweise vom Staat oder von den Kirchen wegen ihres dissidenten Charakters und angeblicher Verschwörungspraktiken verboten waren und verfolgt wurden.

Viele Geheimbünde führen ihre Entstehung auf mittelalterliche Bünde wie den Ritterorden der Templer, die Rosenkreuzer oder die Illuminaten zurück. Der Illuminatenorden, 1776 im bayrischen Ingolstadt gegründet, wollte Gesellschaft und Kirche nach den Grundsätzen der Aufklärung erneuern. Er zog auch Mitglieder aus dem Kreis der Helvetischen Gesellschaft an, unter anderem den Bündner Thomas de Bassus. Ebenfalls im 18. Jahrhundert erlangten Geheimbünde mit humanitär-gemeinnützigen und pädagogischen Zielsetzungen Bedeutung. Ab 1736 war die Freimaurerei mit einer ersten Loge in Genf vertreten. 1845 entstand in Sonvilier die Philanthropische Union, 1871 in Zürich die erste Niederlassung des Ordens der Schweizerischen Odd Fellows. Auch Dissidente organisierten sich wiederholt in Geheimbünden: 1834-1850 war die Schweiz Zentrum der jungen deutschen Arbeiterbewegung, die unter dem Einfluss des 1834 von deutschen Emigranten in Bern gegründeten Jungen Deutschland stand. Die geheimbündlerische, politisch radikale Bewegung deutscher Intellektueller und Handwerksgesellen verstand sich als Sektion von Giuseppe Mazzinis Jungem Europa. Die auch als Geheimbünde wirkenden deutschen Arbeitervereine wurden bis 1850 mehrmals verboten und ihre Mitglieder ausgewiesen.

Im 19. Jahrhundert galt die Schweiz als Drehscheibe einheimischer und zugezogener religiöser Freikirchen, so etwa der Täufer bzw. der Mormonen (ab 1850). Das 1928 in Spanien gegründete Opus Dei mit katholischen, integralistischen aber auch finanzpolitischen Zielen gewann Mitglieder – Akademiker aus wirtschaftlichen und politischen Führungskreisen – in der katholischen Schweiz. Aus französischen okkulten Bewegungen hervorgegangen, endete der in der Westschweiz domizilierte Sonnentempler-Orden im kollektiven Selbstmord bzw. Mord seiner Anhänger in Cheiry und Salvan (1994), im französischen Vercors (1995) und im kanadischen Quebec (1997). Zu den Geheimbünden mit kriminellen Zwecken gehört die Mafia, die auch in der Schweiz aktiv ist.

Quellen und Literatur

  • E. His, Die Vereinsfreiheit und die sog. Geheimen Ges. in der Schweiz, 1936
  • W. Schieder, Anfänge der dt. Arbeiterbewegung, 1963
  • LexMA 4, 1172; 8, 534-537
  • P. Ranc, Le bonheur à tout prix?, 1997
  • J.-F. Mayer, Der Sonnentempel, 1998
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Geheimbünde", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.08.2005. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016422/2005-08-17/, konsultiert am 03.12.2024.