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Konsumenten

Unter Konsumenten versteht man Individuen, die durch Nachfrage auf dem Markt ihre Bedürfnisse nach Konsumgütern befriedigen. Diese im nationalökonomischen Marktmodell gewonnene Bedeutung, die sich im 20. Jahrhundert durchsetzte, umfasst Kauf bzw. Aneignung, Gebrauch und Verbrauch von Gütern. Konsumentensouveränität und Konsumfreiheit meinen in Anlehnung an die politische Souveränität des Staatsbürgers Marktbeeinflussung durch Konsumentscheidungen sowie Wahlfreiheit (Konsumverhalten). Die Produktewahl des Konsumenten wird seit den 1960er Jahren besonders stark von der Werbung beeinflusst.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten sich sozialistisch und philanthropisch motivierte Konsumvereine und -genossenschaften, die als Selbsthilfeorganisationen ihre Mitglieder mit Gütern des täglichen Bedarfs zu tiefen Preisen versorgten. In der Zwischenkriegszeit setzten sich in der Schweiz neben der Genossenschaftsbewegung auch Frauenverbände und Gewerkschaften für Konsumenteninteressen ein. Konsumentenpolitik als breite Forderung nach Konsumentenschutz, Konsumenteninformation und Mitsprache auf politischer und wirtschaftlicher Ebene artikulierte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Konsumgesellschaft entwickelte sich ausgehend von den USA in den 1950er und 1960er Jahren in allen westlichen Industrieländern im Zusammenhang mit Wirtschaftswachstum, steigendem Lebensstandard, expandierender Konsumgüterökonomie und der Individualisierung von Lebensstilen. Die wissenschaftliche Forschung (Markt-, Konsumforschung) nahm sich der Konsumenten an. Mit verschiedenen Massnahmen – Konsumentenerziehung und -information, Marktbeobachtung, Preiskontrolle, Warendeklarationspflicht, Warentests – sollten negative Auswirkungen des Konsums und ein Übergewicht auf der Anbieterseite verhindert werden. Das 1948 gegründete Schweizerische Institut für Hauswirtschaft (SIH) in Zürich setzte sich früh konsumentenpolitisch ein. Es folgte unter anderem die Aktionsgemeinschaft der Arbeitnehmer und Konsumenten, die erste gesamtschweizerische Vereinigung, welche 1955 vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), der Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände (VSA), dem Schweizerischen Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) und dem Verband schweizerischer Konsumvereine (VSK) gegründet wurde. Als Dachverbände konstituierten sich 1959 die Commission romande des consommatrices (heute: Fédération romande des consommateurs) und 1961 das Konsumentinnenforum der deutschen Schweiz und des Kantons Tessin. 1964 richtete die Aktionsgemeinschaft der Arbeitnehmer und Konsumenten die Stiftung für Konsumentenschutz ein, die mit Warentests an die Öffentlichkeit gelangte. 1964 wurde der vor allem vom Konsumentinnenforum und von der Commission romande des consommatrices getragene Schweizerische Konsumentenbund gegründet. Die Ende 1963 vom EVD eingesetzte Studienkommission für Konsumentenfragen, in der alle namhaften Konsumentenorganisationen vertreten waren, lieferte Ende 1964 ihren Bericht zur allgemeinen Lage der Konsumenten ab. Sie forderte eine Bundesstelle für Konsumentenfragen. Daraufhin wurden 1965 die Eidgenössische Kommission für Konsumentenfragen und das Eidgenössische Büro für Konsumentenfragen eingerichtet.

Plakat aus den 1990er Jahren für das Publikationsorgan der Westschweizer Konsumentenschutzorganisation Fédération romande des consommateurs (Plakatsammlung der Schule für Gestaltung Basel, Münchenstein).
Plakat aus den 1990er Jahren für das Publikationsorgan der Westschweizer Konsumentenschutzorganisation Fédération romande des consommateurs (Plakatsammlung der Schule für Gestaltung Basel, Münchenstein).

Der Konsumentenschutzartikel (Artikel 97 Bundesverfassung 1999) wurde 1981 in der eidgenössischen Volksabstimmung angenommen und bietet im internationalen Vergleich einen niedrigen Schutz. Seit der ersten nationalrätlichen Motion zur Schaffung eines Verfassungsartikels im Jahr 1967 hatten sich die politischen Interessen um die Schlagworte Partizipation der Konsumenten bzw. Handels- und Gewerbefreiheit gruppiert. Seit den 1970er Jahre wurde die bis anhin eher schwerfällige, verbandsorientierte Konsumentenpolitik durch neue Formen und Inhalte (Migros-Frühling, Dritte-Welt-Läden, Ökologiebewegung, Opposition gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel) belebt. Die 1979 von Konsumentenverbänden eingereichte Initiative «zur Verhinderung missbräuchlicher Preise» führte 1985 zum Preisüberwachungsgesetz (Preisüberwachung). Fragen von Konsumenten werden seit den 1980er Jahren in den elektronischen Medien und in eigens dafür konzipierten Zeitschriften («K-Tip», «J'achète mieux», «Borsa della spesa») behandelt. Von Nichtregierungsorganisationen initiierte Boykotte einzelner Produkte (z.B. von Shell und Benetton) wurden Ende des 20. Jahrhunderts von grossen Gruppen der Konsumenten befolgt.

Quellen und Literatur

  • Ber. der Studienkommission für Konsumentenfragen, 1965
  • A. Dörler, Konsumentenpolitik in der Schweiz, 1981
  • M. Heister, Gottlieb Duttweiler als Handels- und Genossenschaftspionier, 1991
  • Gesch. der Konsumgesellschaft, hg. von J. Tanner et al., 1998
  • S. Brändli, Der Supermarkt im Kopf, 2000
Weblinks

Zitiervorschlag

Sibylle Brändli: "Konsumenten", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.08.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016474/2007-08-28/, konsultiert am 16.04.2024.