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Christlichnationaler Gewerkschaftsbund der Schweiz (CNG)

Der Christlichnationale Gewerkschaftsbund der Schweiz (CNG) war eine gesamtschweizerische Arbeitnehmerorganisation, die sich in ihren Zielen und Aktionsmitteln von der christlichen Sozialethik und -lehre leiten liess. Sie umfasste im Jahr 2000 sechs christliche Berufsverbände und kantonale christliche Gewerkschaftsvereinigungen. Der Sitz des CNG war ab 1953 in Bern. Mit 102'274 Mitgliedern war dieser 1999 die zweitstärkste Kraft der schweizerischen Arbeiterbewegung. Zusammen mit der Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände (VSA) ging der CNG Anfang 2003 in der neuen Dachorganisation Travail.Suisse auf.

In St. Gallen entstanden 1899 als nicht-sozialistische Antwort auf die sozialen Probleme der Industrialisierung ein erster katholischer Arbeiter- sowie ein Arbeiterinnenverein, Selbsthilfeinstitutionen und eine christliche Gewerkschaft. Diese Bewegungen wurden durch die Sozialenzyklika «Rerum novarum» (1891) Papst Leos XIII. und die Entstehung ähnlicher Organisationen im Deutschen Reich angeregt. Obwohl sich die neuen Vereinigungen apolitisch und interkonfessionell gaben, dominierte das katholische Element. In der Ostschweiz und in Zürich bildeten sich in allen wichtigen Industriezweigen rasch weitere christliche Gewerkschaften. In Abgrenzung zum klassenkämpferischen Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) gründeten sie 1907 ihre erste Dachorganisation, den Christlichsozialen Gewerkschaftsbund der Schweiz (CSG) mit rund 4500 Mitgliedern. Nach einer Krise gelang der 1921 in CNG umbenannten Organisation die Konsolidierung als eigenständiger Teil der schweizerischen Arbeiterbewegung, der sich definitiv ins katholisch-konservative Lager integrierte. In der Westschweiz konnten sich die christlichen Gewerkschaften ab 1916 ebenfalls etablieren, im Tessin folgten nach einer ersten Gründung im Jahr 1918 ab 1920 weitere christlichsoziale Gewerkschaften.

Wichtigste Ziele des CNG waren soziale Schulung, die Schaffung eines Unterstützungswesens und die genossenschaftliche Selbsthilfe. Trotz heftiger Auseinandersetzungen mit dem SGB über Inhalte und Mittel der Gewerkschaften kam es während des Ersten Weltkriegs zu einer pragmatischen Zusammenarbeit der beiden Organisationen. Hauptstreitpunkt blieb die Frage des Streiks, der gemäss CNG nur ein Ausnahmemittel war. Entsprechend distanzierte sich der CNG 1918 vom Streikaufruf des Oltener Aktionskomitees. Zur Erhöhung seiner Einflussmöglichkeiten lehnte er sich an den Christlichsozialen Arbeiterbund (CAB) an, der 1919 gegründet wurde. Mit dessen Umwandlung in den Dachverband Christlicher Sozialbewegung der Schweiz (CSB) übernahm der CNG die Führung der gesamten Bewegung. Inhaltlich setzte er sich ab den 1930er Jahren für eine berufsständisch-korporative Neuordnung ein. Während der Hochkonjunktur der 1960er Jahre kamen zunehmend allgemeine, über eigentliche Arbeitnehmerfragen hinausführende Bereiche hinzu. 1971 lancierte er erstmals gemeinsam mit dem SGB und dem Schweizerischen Verband evangelischer Arbeitnehmer (SVEA) eine Initiative, welche die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb forderte. Wichtigen Stellenwert hatten in den 1980er Jahren die Humanisierung der Arbeit und die Arbeitsplatzsicherheit (Initiative für verbesserten Kündigungsschutz 1981). In den 1990er Jahren wurden wieder sozialpolitische Forderungen und Zielsetzungen prioritär, wie die Sicherung der Arbeitsplätze, Beschäftigungs- und familienbezogene Sozialpolitik. Der CNG pflegt eine enge Zusammenarbeit mit dem christlichsozialen Parteiflügel der CVP. Die Stellung innerhalb der Partei ist jedoch schwach und die Bindung hat sich in den 1990er Jahren weiter gelockert.

1941 zählte die Gewerkschaft rund 36'000 Mitglieder, 1951 50'000, 1961 84'000, 1975 106'000 und 1990 116'000 (Höchststand). 1982 trat der SVEA mit rund 4000 Mitgliedern dem CNG bei. Aufgrund der wirtschaftlichen Stagnation und der Schrumpfung der traditionellen Organisationsbereiche ― bedingt durch den beschleunigten Strukturwandel ― sank die Mitgliederzahl bis 1997 auf 93'100. Der Christliche Holz- und Bauarbeiterverband (CHB), die Christliche Gewerkschaft für Industrie, Handel und Gewerbe (CMV), die Schweizerische Grafische Gewerkschaft (SGG) sowie der Landesverband Freier Schweizer Arbeitnehmer (LFSA) – der mit rund 18'000 Mitgliedern vorher nicht zu den christlichen Gewerkschaften gehört hatte – schlossen sich 1998 zur Syna (ca. 80'000 Mitglieder) zusammen, die sich unter das Dach des CNG stellte. Damit konnte der CNG seine Mitgliederzahl wieder auf ca. 102'000 erhöhen. Im Jahr 2000 fusionierten die Gewerkschaften des christlichen Verkehrs- und Bundespersonals zum Verband Transfair, der ebenfalls rund 18'000 Mitglieder zählt. Der durch das Zusammengehen von CNG und VSA entstandene Travail.Suisse vertritt – parteipolitisch und konfessionell unabhängig – die Interessen von zwölf Einzelorganisationen, die 2003 rund 167'000 Personen zählten.

Quellen und Literatur

  • Jahresber. CNG
  • SPJ, 1965-
  • R. Ruffieux, Le mouvement chrétien-social en Suisse romande, 1969
  • U. Altermatt, Der Weg der Schweizer Katholiken ins Ghetto, 1972 (31995)
  • R. Fluder et al., Gewerkschaften und Angestelltenverbände in der schweiz. Privatwirtschaft, 1991
  • R. Fluder, Interessenorganisationen und kollektive Arbeitsbeziehungen im öffentl. Dienst der Schweiz, 1996
  • NZZ, 14.12.2002
Weblinks
Kurzinformationen
Variante(n)
CNG
Kontext Christliche Gewerkschaften

Zitiervorschlag

Wolfgang Göldi: "Christlichnationaler Gewerkschaftsbund der Schweiz (CNG)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.04.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016485/2012-04-11/, konsultiert am 11.04.2024.