Die Gleichstellung geht von der grundsätzlichen Gleichheit der Menschen aus und impliziert das Engagement gegen die im Recht verankerte und alle gesellschaftlichen Institutionen prägende Vorstellung, dass Frauen und Männer vom Wesen her verschieden und daher ungleich zu behandeln seien. Die Gleichstellung zielt auf eine Verbesserung der Stellung der Frau im Verfassungs-, Arbeits-, Bürger- und Stimmrecht sowie in der Zivil- und Sozialgesetzgebung ab. Sie bezieht sich aber ebenso auf die tatsächliche Stellung der Frauen bzw. Mädchen in Familie, Bildung, Ausbildung, Beruf und Politik (Politische Rechte), weil die formalrechtliche Gleichstellung nicht automatisch auch die faktische garantiert.
Anfänge
In der Aufklärung wurden mit dem Rekurs auf das Naturrecht einerseits die Gleichheit aller Menschen postuliert, andererseits aber auch die Geschlechterdifferenzen als wesenhafte neu konstruiert (Geschlechterrollen). Konkret stellte sich die Frage nach der Gleichstellung der Geschlechter 1789 mit der Erklärung der Menschenrechte und der Abschaffung der ständischen Privilegien, die in aufgeklärten Kreisen rezipiert wurden. Schweizerische Gelehrte gaben sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts unter Berufung auf die «alten Väter» der Eidgenossenschaft zwar als überzeugte Verfechter der Gleichheit, beharrten als Republikaner jedoch auf dem traditionellen Ausschluss der Frauen aus den politischen Institutionen. In der Helvetik wurden die Männer dann aus der hausväterlichen Vormundschaft entlassen und einander rechtlich gleichgestellt, während den Frauen die zivilrechtliche Mündigkeit weiterhin verweigert wurde. Dass die Kantone nach dem Scheitern der Helvetischen Republik wiederum die verfassungsmässige Zuständigkeit für die Setzung des Privatrechts erlangten, war der Emanzipation nicht förderlich. Die in die herkömmliche Familienwirtschaft eingebundenen Frauen strebten vorerst weder individuelle Rechte noch die Zulassung zu neuen oder ehemals zünftigen Berufen an. In den Debatten über die kantonalen Verfassungsrevisionen, die während der Regeneration geführt wurden, wiesen zwar einzelne Männer auf die Ungleichbehandlung der Frauen hin, aber erst später forderten auch Frauen mit Petitionen die Handlungsfähigkeit und die zivilrechtliche Gleichstellung (Frauenbewegung).
Die Gleichstellungsdebatte bis zum Ersten Weltkrieg
Die allgemeine Schulpflicht, die auf kantonaler Ebene seit Beginn des 19. Jahrhunderts und auf Bundesebene 1874 verankert wurde (Schulwesen), galt auch für Mädchen. In der Sekundarschule wurden die Mädchen, je nach Kanton in unterschiedlichem Masse, noch nach dem Zweiten Weltkrieg auf Kosten anderer Fächer zum Unterricht in Handarbeit und Hauswirtschaft verpflichtet (Mädchenerziehung). In den meisten Kantonen – die Ausnahmen waren das Tessin, die Waadt und Bern – wurde Frauen die Ausbildung zu Lehrerinnen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ermöglicht. Damals öffneten auch gymnasiale Lehrgänge, die den höheren Töchterschulen angegliedert wurden, oder der Besuch der bis anhin Knaben vorbehaltenen Gymnasien den Frauen die Türen zur Universität (Studenten) und zum Polytechnikum. Während für Männer die Berufslehre subventioniert war, wurde für Frauen nur gerade die hauswirtschaftliche Ausbildung vom Staat unterstützt. Spezifische Artikel im eidgenössischen Fabrikgesetz von 1877 dienten ebenso dem Schutz der Frau wie der Zementierung der «Sonderkategorie Frau» auf dem Arbeitsmarkt, welche die geschlechtersegregierende und geschlechtshierarchische Arbeitsteilung sowie die aus dieser resultierende Lohnungleichheit rechtfertigten (Lohn).
Bereits vor der Jahrhundertwende forderten Arbeiterinnenvereine (Schweizerischer Arbeiterinnenverband, SAV) und einzelne Frauenorganisationen vergeblich «Gleichen Lohn für gleiche Arbeit». Die erste Juristin der Schweiz, Emilie Kempin-Spyri, zog ihren Anspruch auf Ausübung des Anwältinnenberufs auf Grund der verfassungsmässig garantierten Gleichheit aller Schweizer bis ans Bundesgericht, das diese erste Gleichstellungsklage 1887 ablehnte. Erfolge verbuchten die Frauenverbände dagegen mit ihrer Intervention beim Schweizerischen Kaufmännischen Verein, der 1899 gezwungen wurde, die Frauen zur Lehre zuzulassen.
Die Geschlechtervormundschaft für volljährige alleinstehende Frauen blieb in einzelnen Kantonen bis zum eidgenössischen Gesetz über die Rechts- und Handlungsfähigkeit von 1882 bestehen. Für verheiratete Frauen galt sie sogar bis 1987. Auch die Einführung des Zivilgesetzbuchs 1912 änderte nichts an der grundsätzlichen Unterordnung unter den Ehegatten, obwohl die lokalen Frauenorganisationen und der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen (BSF) schon während der Vorberatung die Gleichstellung der Geschlechter verlangt hatten.
Der lange Weg zur rechtlichen Gleichstellung
Nach dem Ersten Weltkrieg verstärkten die Frauen die Anstrengungen zur Verbesserung ihrer beruflichen Stellung. 1930 wurden auch weibliche gewerbliche Berufe dem eidgenössischen Berufsbildungsgesetz unterstellt. Die Ausbildungsgänge in den sogenannten Frauenberufen wie zum Beispiel der Sozialarbeit oder Krankenpflege (Pflegepersonal) unterstanden allerdings bis Ende des 20. Jahrhunderts nicht der Oberaufsicht des Bundes. Der Zugang zu höheren Fachschulen blieb für Frauen limitiert; die Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt dauerte weiter an. Das Übereinkommen Nr. 100 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), das die unterzeichnenden Staaten zu einem Abbau der Unterschiede zwischen den Männer- und den Frauenlöhnen verpflichtete, wurde in den 1950er Jahren vom eidgenössischen Parlament noch abgelehnt und erst 1973 ratifiziert.
1971 wurde das Frauenstimmrecht auf eidgenössischer Ebene eingeführt. Die vom Frauenkongress 1976 eingereichte Volksinitiative «Gleiche Rechte für Mann und Frau» in Gesellschaft, Familie, Arbeitswelt und Ausbildung wurde zugunsten des moderateren Gegenvorschlags des Bundesrats zurückgezogen, dem 1981 zugestimmt wurde. Die Formulierung «Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit» (Artikel 4 alte Bundesverfassung, Artikel 8 Bundesverfassung) zog zahllose Lohnklagen, insbesondere im Bereich des Gesundheits- und Erziehungswesens nach sich, und Gewerkschafterinnen prozessierten gegen frauenfeindliche Bestimmungen in Gesamtarbeitsverträgen. Dem 1986 eröffneten Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann folgten ähnliche Institutionen in einzelnen Kantonen und öffentlichen Verwaltungen, und auch Grossunternehmen wie die Swissair, Schweizerische Kreditanstalt (SKA) und Asea Brown Boveri (ABB) schufen Fachstellen für die innerbetriebliche Frauenförderung. Der 1991 ausgerufene Frauenstreik erzeugte den notwendigen Druck zur Umsetzung des Verfassungsartikels von 1981 auf Gesetzesebene. 1996 trat das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Mann und Frau, das verschiedene Formen der Diskriminierung im Wirtschaftsleben, darunter insbesondere auch die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ahndet, in Kraft.
Während das neue Kindesrecht (1978) und das neue Eherecht (1988), das den Müttern die elterliche Gewalt zubilligt und die innerfamiliäre Gleichstellung der Geschlechter garantiert, umstritten waren, wurde die Beseitigung der die Frauen privilegierenden Bestimmungen fast widerspruchslos akzeptiert und rasch umgesetzt. Die verschiedenen, unter dem Druck der Neuen Frauenbewegung (Frauenbefreiungsbewegung, FBB) unternommenen Versuche zur Realisierung einer Mutterschaftsversicherung – der Familienartikel, der die Schaffung einer solchen Institution vorsieht, datiert aus dem Jahr 1945 (Artikel 34 quinquies alte Bundesverfassung) – wurden an der Urne 1984, 1987 und 1999 jeweils verworfen. Im September 2004 wurde an der Urne die Revision des Erwerbsersatzgesetzes gutgeheissen, womit die Mutterschaftsentschädigung auf den 1. Juli 2005 in Kraft trat (Mutterschaft). Bis 1996 blieben Frauen auch in den Krankenkassen diskriminiert. Der Anspruch auf eine eigene Rente für Ehefrauen, die der BSF forderte, wurde erst durch die Einführung des Splittings und der Betreuungsgutschrift mit der 1997 in Kraft tretenden 10. AHV-Revision erfüllt; zur Wahrung der sogenannten Kostenneutralität wurde aber zugleich auch das Rentenalter der Frauen von 62 auf 64 Jahre erhöht (Alters- und Hinterlassenenversicherung, AHV). Frauen erhalten in der Regel wegen der niedrigeren Löhne – viele Frauen haben nur Teilzeitstellen inne – und des sich deshalb stärker auswirkenden Koordinationsabzugs von den Pensionskassen erheblich kleinere Renten, auch wenn ihre Stellung im Ruhestand durch den im neuen Scheidungsrecht von 2000 verankerten Rentenanspruch verbessert wurde (Ehescheidung). Kompensiert wurde diese Verbesserung aber durch die Entlastung des Ehemannes bei der Alimentenzahlung. Ausserdem konnte mit dem neuen Scheidungsrecht in der Scheidungspraxis die elterliche Gewalt auch geteilt werden; seit 2014 ist dies der gesetzlich vorgesehene Regelfall. Zudem werden die Kinder häufiger als zuvor dem Vater zugesprochen. Als Menschenrechts- und Gleichstellungsfrage wird seit 1980 auch die Gewalt gegen Frauen thematisiert. Dies führte zur allmählichen Sensibilisierung öffentlicher Institutionen wie Fürsorge und Polizei und zur strafrechtlichen Ahndung der Vergewaltigung in der Ehe, der das Volk 1992 in der Abstimmung über die Revision des Sexualstrafrechts zustimmte. Seit April 2004 werden Gewaltdelikte in Ehe und Partnerschaft (einfache Körperverletzung, wiederholte Tätlichkeiten, Drohung, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung) neu von Amts wegen verfolgt.
Stand zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Obwohl die rechtliche Gleichstellung erreicht ist, werden Frauen zu Beginn des 21. Jahrhunderts in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens weiterhin benachteiligt. Sie sind in politischen Institutionen auf allen Ebenen, unter den Hochschul- und Fachhochschullehrern sowie in den Kadern von Verwaltung und Unternehmen stark untervertreten. Lohnklagen haben in einer Zeit, in der Löhne zunehmend individuell und aufgrund der Marktbedingungen ausgehandelt werden, nicht immer Erfolg. Zwar befürworten die Arbeitgeber wegen des akuten Mangels an qualifizierten Kräften neuerdings die Einrichtung von Kinderkrippen, aber nur eine Minderheit der Unternehmen unterstützt durch Arbeitszeitregelungen, die eine gewisse Flexibilität ermöglichen, oder durch die gezielte Schaffung von Teilzeitstellen die innerfamiliäre Arbeitsteilung. Kaderstellen im Jobsharing sind weiterhin äusserst selten. Die Vereinbarkeit von der Familien- mit der Berufsarbeit oder einer politischen Tätigkeit bleibt das Hauptproblem der Gleichstellung. Gewalt und Armut sind nach wie vor zentrale Kategorien der Frauendiskriminierung.
Quellen und Literatur
- Schnegg, Brigitte; Simon, Christian: «Frauen in der Helvetik. Die Helvetik in frauen- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive. Überlegungen zu einem brachliegenden Forschungsgebiet», in: Simon, Christian (Hg.): Sozioökonomische Strukturen. Frauengeschichte – Geschlechtergeschichte, 1997, S. 131-149 (Dossier Helvetik, 2).
- Joris, Elisabeth: «Geschlechtshierarchische Arbeitsteilung und Integration der Frauen», in: Studer, Brigitte (Hg.): Etappen des Bundesstaates. Staats- und Nationsbildung der Schweiz, 1848-1998, 1998, S. 187-201.
- Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (Hg.): Frauen, Macht, Geschichte. Frauen- und gleichstellungspolitische Ereignisse in der Schweiz 1848-1998, 1998-1999.
- Gosteli, Marthe (Hg.): Vergessene Geschichte. Illustrierte Chronik der Frauenbewegung 1914-1963, 2 Bde., 2000.
- Redolfi, Silke: Frauen bauen Staat. 100 Jahre Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, 2000.