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Bund Schweizerischer Frauenorganisationen (BSF)

Alliance F

Die Präsidentinnen der fortschrittlichen Frauenvereine von Bern (Helene von Mülinen), Zürich (Emma Boos-Jegher), Lausanne (Marguerite Duvillard-Chavannes) und Genf (Camille Vidart), die sich mit Ausbildungs- und Rechtsfragen beschäftigten, versuchten als Initiantinnen des Ersten Schweizerischen Frauenkongresses von 1896, alle Frauenvereine (Vereine) in einem schweizerischen Dachverband zusammenzufassen. Ihr Aufruf von 1899 zur ein Jahr später erfolgten Gründung des Bundes Schweizerischer Frauenvereine (BSF, ab 1971 Bund Schweizerischer Frauenorganisationen) nannte als Ziel die gegenseitige Anregung, die gemeinsame Einflussnahme auf politische Entscheidungsgremien sowie die angemessene Vertretung der Schweizer Frauen in der internationalen Frauenbewegung. Neben den Gründungsvereinen interessierten sich vorerst die Fachvereine der Lehrerinnen und der Hebammen für die neue Organisation. Bis 1945 schlossen sich 250 Frauenvereine verschiedenster Ausrichtung dem BSF an.

Delegiertenversammlung 1950 in Bern unter der Präsidentin Michelle Cuénod (Archiv Gosteli-Foundation, Worblaufen).
Delegiertenversammlung 1950 in Bern unter der Präsidentin Michelle Cuénod (Archiv Gosteli-Foundation, Worblaufen).

Bei der Schaffung des Zivilgesetzbuchs (1912) versuchte der BSF, allerdings weitgehend erfolglos, das System der Gütertrennung zu verankern und die Stellung des unehelichen Kindes (Illegitimität) zu verbessern. Die Ausgestaltung neuer Gesetze wurde zu einem der Tätigkeitsschwerpunkte: Sittlichkeitsparagrafen (Sittlichkeitsbewegung) im neuen Strafgesetzbuch (Strafrecht), Mutterschutz (Mutterschaft) sowie Berücksichtigung der Frauen in Krankenkassen und der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). Die Öffentlichkeitsarbeit für das Frauenstimmrecht überliess der BSF nach 1909 dem neu gegründeten Schweizerischen Verband für Frauenstimmrecht (SVF), den er jedoch stark unterstützte.

Weitere Schwerpunkte bildeten die Bereiche Frauenerwerbsarbeit, Ausbildung und Hauswirtschaft. Mit Enqueten wurden die Arbeitsbedingungen im Gewerbe und im Dienstleistungssektor untersucht. Durch Mitarbeit an den Heimarbeits- und Fabrikgesetzen versuchte der BSF, der Ausbeutung weiblicher Arbeitskräfte entgegenzuwirken. Das Verhältnis zwischen Hausfrau und Dienstmädchen wollte er mit Verträgen regeln. Er engagierte sich für die obligatorische hauswirtschaftliche Ausbildung und die generelle Anerkennung der Hausarbeit als Beruf. Auf Initiative des Zweiten Schweizerischen Kongresses für Fraueninteressen wurde 1923 die Schweizerische Zentralstelle für Frauenberufe eröffnet, die neben der Beratung vor allem mittels Eingaben politischen Einfluss nahm, da Frauenerwerbsarbeit trotz des Erfolgs der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit Saffa 1928 in Krisenjahren gefährdet war.

Mit der Mitarbeit in der Landesverteidigung (Militärischer Frauendienst, MFD) und in Kommissionen für Fürsorge und Ernährung während des Zweiten Weltkriegs avancierte der BSF in Frauenfragen zum wichtigsten Gesprächspartner des Bundes. Der BSF vertrat die Schweiz in internationalen Frauenorganisationen, zudem arbeitete er im Völkerbund und nach 1945 in der Unesco mit.

Die Statutenänderungen von 1949 ermöglichten dem BSF die Aufnahme gemischter Organisationen wie der Frauenstimmrechtsvereine und die Angliederung des 1943 gegründeten Frauensekretariats. Die Kampagne «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit» und die Saffa 1958 mit ihrem Plädoyer für das Dreiphasenmodell (Ausbildung und Beruf, Mutterschaft und Familie, Wiedereinstieg in den Beruf) prägten die Zeit der Hochkonjunktur (Gleichstellung). Der BSF verfolgte die Besserstellung der Frauen auch mit der Aufwertung der Hausfrauenarbeit und der Mitarbeit am Kindes- und Eherecht. Ab 1970 musste der BSF einen Bedeutungsverlust verzeichnen, wozu unter anderem die Einstellung des Schweizer Frauenblattes und der Presse- und Dokumentationsdienste sowie eine gewisse Abschottung gegenüber der Infragestellung der tradierten Geschlechterrollen beitrugen. Auch durch die 1975 bzw. 1996 initiierten vierten und fünften Schweizerischen Frauenkongresse liess sich diese Entwicklung nicht aufhalten. Einen Teil der Funktionen übernahm die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen, trotz anfänglicher Skepsis des BSF. Die 1986 erfolgte Übersiedlung des Sekretariats nach Worblaufen neben das Archiv der schweizerischen Frauenbewegung (Gosteli-Stiftung) gab dem BSF neue Impulse. 1999 entschied sich der BSF für die Umbenennung in Alliance F. Die vom Fünften Schweizerischen Frauenkongress gegründete Arbeitsgemeinschaft Frauen 2001 (Argef 2001) strebte nach einer Revision des Dreiphasenmodells. Durch die gesamtschweizerische Verbreitung des «Tessiner Modells» im Vorschul- und Primarschulbereich sollten Erwerbsarbeit und Mutterschaft vereinbar werden.

Quellen und Literatur

  • Woodtli, Susanna: Gleichberechtigung. Der Kampf um die politischen Rechte der Frau in der Schweiz, 1975 (19832).
  • Schnegg, Brigitte; Stalder, Anne-Marie: «Zur Geschichte der Schweizer Frauenbewegung», in: Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (Hg.): Die Stellung der Frau in der Schweiz. Bericht der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen, Bd. 4, 1984, S. 5-28.
  • Mesmer, Beatrix: Ausgeklammert ― Eingeklammert. Frauen und Frauenorganisationen in der Schweiz des 19. Jahrhunderts, 1988.
  • Mesmer, Beatrix: «Die Organisationsstruktur der schweizerischen Frauenbewegung bis zur Reorganisation von 1949», in: Prongué, Bernard (Hg.): Passé pluriel. En hommage au professeur Roland Ruffieux, 1991, S. 107-116.
  • Hardmeier, Sibylle: Frühe Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz (1890-1930). Argumente, Strategien, Netzwerk und Gegenbewegung, 1997.
  • Broda, May B.; Joris, Elisabeth; Müller, Regina: «Die alte und die neue Frauenbewegung», in: König, Mario (Hg.): Dynamisierung und Umbau. Die Schweiz in den 60er und 70er Jahren, 1998, S. 201-226 (Die Schweiz 1798-1998, 3).
  • Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (Hg.): Frauen, Macht, Geschichte. Frauen- und gleichstellungspolitische Ereignisse in der Schweiz 1848-1998, 2 Mappen, 1998-1999.
  • Gosteli, Marthe (Hg.): Vergessene Geschichte. Illustrierte Chronik der Frauenbewegung 1914-1963, 2 Bde., 2000.
  • Redolfi, Silke Margherita; Lasserre-Jomini, Nelly; Müller, Annina: Frauen bauen Staat. 100 Jahre Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, 2000.
Weblinks

Zitiervorschlag

Elisabeth Joris: "Bund Schweizerischer Frauenorganisationen (BSF)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.12.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016500/2010-12-16/, konsultiert am 21.04.2024.