Die Frauenbefreiungsbewegung (FBB) war die grösste Trägergruppe der Frauenbewegung nach 1968 in der Schweiz. Sie stand anfänglich auch als Pars pro toto für sämtliche Gruppen und Netzwerke der sogenannten Neuen Frauenbewegung. Im Februar 1969 bezeichnete sich erstmals eine Gruppe von Frauen in Anlehnung an das amerikanische Women’s Liberation Movement an einer Kundgebung in Zürich als «Frauenbefreiungsbewegung». Die Aktivistinnen hatten sich im Nachgang der Studentenrevolten (Jugendunruhen) zusammengeschlossen und waren bereits im November 1968 mit einer Störaktion anlässlich der 75-Jahr-Feierlichkeiten des Frauenstimmrechtsvereins Zürich (Frauenstimmrecht) medial wahrgenommen worden. In verschiedenen Städten der deutschen, französischen (Mouvement de libération des femmes, MLF, ab 1970) und italienischen Schweiz (u.a. Movimento femminista ticinese, MFT, ab 1972) folgten bald weitere Gründungen autonomer Gruppen, die sich unabhängig von bestehenden Frauenverbänden sowie von linken Gruppierungen und Parteien organisierten und jede hierarchische Funktionsweise ablehnten. Untereinander lose vernetzt, entstanden bis 1977 schweizweit Zusammenschlüsse an 16 Orten; allein in Zürich zählten mehr als 400 Frauen zum Umfeld der FBB. Die meisten von ihnen waren zwischen 21 und 36 Jahre alt, unverheiratet sowie kinderlos, verfügten über einen höheren Bildungsabschluss und arbeiteten überwiegend in intellektuellen oder künstlerischen Berufen. Als Exponentinnen der grundsätzlich kollektiv organisierten Bewegung traten in der Deutschschweiz etwa die Soziologiestudentinnen Andrée Valentin und Claudia Honegger – Letztere hatte später einen Lehrstuhl an der Universität Bern inne –, die Bühnenbildnerin und spätere Filmregisseurin Gertrud Pinkus, die Buchhändlerin Lilo König, die Künstlerinnen Doris Stauffer und Vreni Voiret sowie die Gestalterin Helen Pinkus-Rymann in Erscheinung. Gret Haller, 1985-1988 Schuldirektorin der Stadt Bern, war die erste Vertreterin der Neuen Frauenbewegung in einem Exekutivamt. In Genf gehörten Rosangela Gramoni, bekannt für ihre Arbeit im Dispensaire des femmes und in der Association Viol-Secours, sowie die Architektin Suzanne Lerch, die sich im Rahmen von EFI – Espace Femmes International für Migrantinnen engagierte, zu den Aktivistinnen der ersten Generation.
In bewusster Anlehnung an die Befreiungsbewegung der sogenannten Dritten Welt wurde die Befreiung der Frauen aus den Zwängen der Kleinfamilie postuliert (Geschlechterrollen). Mit der Übernahme des transnationalen Slogans «Das Private ist politisch» verknüpfte die Frauenbefreiungsbewegung Kapitalismus- mit Patriarchatskritik. Sie forderte Kindertagesstätten, den freien Zugang zu Verhütungsmitteln und insbesondere den straflosen Schwangerschaftsabbruch. Organisiert in Arbeitsgruppen mit gänzlicher Planungs- und Handlungsfreiheit, hinterfragten die Aktivistinnen die scheinbar selbstverständliche Stellung der Frau in der Gesellschaft und die herrschende Sexualmoral (Sexualität), die sie in öffentlichen und provokativen Aktionen skandalisierten. Mitglieder der FBB Zürich erkämpften 1974 das erste Frauenzentrum der Schweiz, dem bald weitere folgten. 1975 koordinierten sich FBB und MLF erstmals national für die Veranstaltung eines «Gegenkongresses» in Bern, an dem auch Feministinnen der italienischen Schweiz teilnahmen. Damit protestierten sie gegen den parallel stattfindenden Schweizerischen Frauenkongress, den der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen (BSF) zusammen mit rund 80 weiteren Vereinen zum Thema «Partnerschaft» organisierte. Der 8. März wurde von nun an zum Anlass für schweizweite Aktionen und Demonstrationen, an denen FBB und MLF beteiligt waren. In Zürich und Genf erschienen 1975 die Bewegungszeitungen Fraue-Zitig bzw. L’Insoumise. Ab 1972 entstanden in Zürich und, mitinitiiert von Alexa Lindner Margadant, in St. Gallen, später in Basel, Bern, Frauenfeld, Schaffhausen und Uster Informationsstellen von Frauen für Frauen (Infra); in Lugano wurde 1977 ein Frauenzentrum mit Beratungsstelle eröffnet. Diese Angebote funktionierten nach dem Prinzip der solidarischen Selbsthilfe und boten Frauen etwa in Abtreibungsfragen Unterstützung an. Mit dem bereits erwähnten Dispensaire des femmes schufen die Genferinnen 1978 die erste feministische Frauengesundheitspraxis der Schweiz (Gesundheitswesen). Zu den Initiantinnen zählte Rina Nissim, die den Frauengesundheitsverlag Editions Mamamélis gründete; 1974 hob Annemarie Pfister in Basel den ersten Frauenbuchladen aus der Taufe. Die FBB-Arbeitsgruppe zu Gewalt, der die Anwältin Jeanne Dubois angehörte, eröffnete 1979 das erste Frauenhaus für gewaltbetroffene Frauen in Zürich. Innerhalb von FBB und MLF formulierten lesbische Frauen Kritik an der Heteronormativität der Gesellschaft und schlossen sich zu Arbeitsgruppen zusammen. Ihre Positionen vertraten sie ab 1975 in der Lesbenfront (später Frau ohne Herz) bzw. ab 1981 in CLIT 007, Concentré Lesbien Irrésistiblement Toxique (später CLIT International, Homosexualität); Ende der 1970er Jahre baute die Soziologin Ursula Streckeisen in der Berner FBB die Gruppe der Radikalfeministinnen auf.
Trotz ihrer Abgrenzung zur institutionellen Politik beteiligte sich die FBB an der Initiative für die «Straflosigkeit der Schwangerschaftsunterbrechung», die ein fünfköpfiges, bewegungsfernes Komitee im Dezember 1971 einreichte. Auch die Gleichstellungsinitiative, die 1975 am Schweizerischen Frauenkongress von den Frauenverbänden lanciert wurde, wäre ohne die Unterstützung von FBB, MLF und progressiver Frauen (POCH) kaum zustande gekommen (Gleichstellung). In den 1980er Jahren ging die Frauenbefreiungsbewegung in der Vielfalt des Feminismus auf. Südlich der Alpen verlief sich die Bewegung bereits 1978-1979. Die FBB löste sich 1988, die MLF 1991 offiziell auf.