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Sozialpartnerschaft

Unter Sozialpartnerschaft versteht man das System institutionalisierter Beziehungen zwischen Interessenvertretungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Der seit den 1950er Jahren verbreitete Begriff blieb wegen seines auf Harmonie zielenden Gehalts umstritten. Sozialpartnerschaft verlangt voneinander unabhängige Parteien, was aufseiten der Arbeitnehmer stabile, überbetrieblich verankerte Gewerkschaften voraussetzt. In Verhandlungen werden zu vorwiegend quantitativ fassbaren Themen (Lohn, Arbeitszeit usw.) Kompromisse geschlossen und in Gesamtarbeitsverträgen (GAV) festgehalten. Sozialpartnerschaft kann sich auch auf den politischen Bereich, vor allem auf Wirtschafts- und Sozialpolitik, erstrecken, etwa durch tripartite Institutionen (Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Staat) wie die Internationale Arbeitsorganisation. Trotz zeitweise hohem ideologischem Stellenwert als der schweizerischen Wesensart (Treu und Glauben) angemessenes Beziehungssystem erreichte die Sozialpartnerschaft in der Schweiz nie die gleiche Bedeutung wie in einigen Pionierländern. Die Mitbestimmung blieb bescheiden, Angestellte wurden erst spät einbezogen und tripartite Institutionen fristen ein bescheidenes Dasein. In einigen Gewerben wie dem Buchdruck entstanden zwar schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts sozialpartnerschaftliche Institutionen (Schiedsgerichte, paritätischen Arbeitsnachweis usw.), und in der Weltwirtschaftskrise vertiefte sich die Kooperation zur Arbeitsbeschaffung. Die Exportindustrie weigerte sich aber bis 1945, GAV abzuschliessen. Das Friedensabkommen von 1937 (Arbeitsfrieden) etwa widersprach mangels materieller Normen dem Grundgedanken der Sozialpartnerschaft. Diese fand ihre breiteste Anerkennung in der Hochkonjunktur nach Mitte des 20. Jahrhunderts. Seit dem wirtschaftlichen Einbruch der 1970er Jahre wurde immer wieder eine Krise der Sozialpartnerschaft thematisiert, wobei als Ursachen unter anderem Globalisierung, Ausdehnung des gesetzlichen Bereichs auf Kosten der GAV, abnehmende Repräsentativität der beteiligten Organisationen, unflexible GAV oder der verzögerte Einbezug neuer Arbeitnehmerkategorien genannt wurden.

Quellen und Literatur

  • P. Katzenstein, Small states in world markets, 1985
  • H. Ruf, Krise der Sozialpartnerschaft?, Liz. Zürich, 1985
  • Vom Wert der Arbeit, hg. von V. Boillat et al., 2006
  • A. Mach, La Suisse entre internationalisation et changements politiques internes, 2006
Weblinks

Zitiervorschlag

Bernard Degen: "Sozialpartnerschaft", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.01.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016536/2012-01-05/, konsultiert am 16.03.2025.