Der deutsche Historiker Gerhard Oestreich führte Sozialdisziplinierung (auch "Fundamentaldisziplinierung") 1968 als historiografisches Konzept zur Deutung langfristiger Lern- und Transformationsprozesse im frühneuzeitlichen Europa in die historische Forschung ein und knüpfte dabei an "disciplina" als zentrale handlungsleitende Maxime der neustoizistischen Sozial- und Morallehre (Justus Lipsius, 1547-1606) an. Als Sozialdisziplinierung begriff Oestreich die "geistig-moralische und psychologische Strukturveränderung des politischen, militärischen, wirtschaftlichen Menschen" durch den "frühmodernen" Staat. Die Selbstdisziplinierung des Einzelnen und die von den staatlichen Eliten angeleitete Disziplinierung von Adel, Ständen, Hof (Zeremoniell), Bürokratie (Leistungsprinzip), Militär (Drill) und Untertanen wirkten in einem zielgerichteten, säkularen Prozess der Umformung zusammen: Demzufolge wurde die Lebensführung christlicher Moralvorstellungen angepasst, das Arbeiten gesteigerten Effizienzkriterien unterworfen und die Bevölkerung zur Befolgung, ja letztlich zur Verinnerlichung eines Tugendkanons erzogen, der Fleiss und Nützlichkeit, Pflichterfüllung und Gehorsam, Zucht und Ordnung zentral stellte bzw. Müssiggang, Verschwendung und "Liederlichkeit" sowie überhaupt abweichendes Verhalten kulpabilisierte. Historische Indikatoren der Sozialdisziplinierung waren für Oestreich die fiskalische, militärische und bürokratische Stärkung des "frühmodernen" Staates und die Mediatisierung konkurrierender adlig-kirchlicher Gewalten. Der Erfolg des Begriffs der Sozialdisziplinierung in der Forschung gründete darin, daß er eine "sozialgeschichtliche Version von Absolutismus" (Winfried Schulze) darstellte, d.h. im Gegensatz zum verfassungsgeschichtlichen Konzept des Absolutismus das Beobachtungsfeld auf das Soziale, Sozialpsychologische, Kulturelle und Mentale ausdehnte und die aus den Policey-, Sitten- und Kirchenordnungen erwachsenden Institutionen und Massnahmen integrierte. Sozialdisziplinierung konvergierte dabei zum Teil mit dem jüngeren Konzept der Konfessionalisierung, welches die Bedeutung von Religion bzw. Konfession als Instanzen der Sozialdisziplinierung betont.
Mit der These, dass die frühneuzeitliche Sozialdisziplinierung eine Bedingung der "Fundamentaldemokratisierung" darstellte, schliesst das Konzept an die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an. Für diesen Zeitraum sind Erziehungs- und Homogenisierungsdiskurse bzw. -vorgänge in der Sozialpädagogik und Sozialpolitik, im Gesundheits- und Hygienewesen, aber auch hinsichtlich der Durchsetzung der Fabrikdisziplin bei den Industriearbeitern als sozialdisziplinierend gedeutet worden; neben der Rolle von Staat und Kirche wurde zunehmend auch jene der Naturwissenschaften und der Medizin als Agenturen der Sozialdisziplinierung herausgestellt und die Ambivalenz thematisiert, die sichernde Leistungen mit Verhaltensanforderungen, Schutz mit Kontrolle, Hilfe mit Repression verbindet.
Oestreichs Konzept ist im Zusammenhang mit dem Disziplinbegriff in Max Webers Rationalisierungsthese zu sehen. Seine Rezeption wurde aber auch durch die Diskussion um Norbert Elias' These vom Prozess der Zivilisation und Michel Foucaults Studien zur Disziplinargesellschaft befördert, denen bei vielfältigen Unterschieden im theoretischen Ansatz, in der empirischen Ausführung und in der Interpretation der Disziplinierung gemeinsam bleibt, dass sie nach dem langfristigen Wandel gesellschaftlicher Strukturen sowie menschlicher Verhaltensweisen und Handlungsdispositionen im Entstehen der Moderne fragen.
Oestreich hat selbst auf die unterschiedliche soziale Reichweite und das Fragmentarische aller Sozialdisziplinierung hingewiesen. Fortschrittskritische Vorbehalte sind gegenüber der Sozialdisziplinierung als teleologischem Konzept angebracht worden, das Modernisierungsvorgänge gegenüber den beharrenden Zügen der Epoche hervorhebt. Wie alle Begriffe mit hohem Abstraktionsgrad steht Sozialdisziplinierung "in der Gefahr der Einseitigkeit" und droht, zu einem Realfaktor der historischen Entwicklung übersteigert zu werden (Schulze). Das Konzept ist auch wegen seiner theoriegeschichtlich-normativen Grundlegung und etatistischen Sichtweise kritisiert worden, welche die Ordnungs- und Disziplinierungsmächte der traditionalen Gesellschaft (lokales Recht, Brauchtum) ausblendet, das Selbstregulierungsvermögen von Gemeinden, Nachbarschaften, Häusern/Familien sowie deren spezifischen Ordnungsvorstellungen in den Hintergrund rückt und die Untertanen einseitig als Objekte der staatlichen Sozialdisziplinierung wahrnimmt. Die Kritik hat auch die Überschätzung der erzieherischen, akkulturierenden Impulse von Staat und Eliten auf die populare Kultur moniert und die Grenzen betont, die dem Staat bei der Umsetzung sozialdisziplinierender Erziehung und Repression gesetzt waren.