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Johann Baptista vonTscharner

20.1.1751 Chur, 1.10.1835 Chur, reformiert, von Chur. Sohn des Johann Baptista (->). 1) Anna Barbara Schucan, von Zuoz, 2) Elisabeth von Salis-Maienfeld. Johann Baptista von Tscharner besuchte die Schulen in Chur sowie 1763-1767 Seminar von Martin von Planta in Haldenstein und studierte 1768-1770 Geschichte und Recht an der Universität Göttingen. 1771 reiste er nach Paris. Dank der Protektion seines Vaters durchlief Tscharner rasch die traditionelle Ämterlaufbahn in Chur: Er war 1772 Zunftmeister, 1775-1777 Podestà in Tirano, 1782 Oberstzunftmeister in Chur, 1783-1785 Landvogt von Maienfeld, 1787 Stadtrichter, 1788 Stadtvogt, 1793 Bürgermeister, 1794-1795 Bundspräsident und 1797-1798 Standespräsident. 1799 amtierte er vier Monate als helvetischer Regierungsstatthalter des Kantons Bern.

Vom aufgeklärten Idealismus und Erneuerungsgeist der Physiokraten beseelt, setzte sich Tscharner für Reformen ein. Auf politischem Gebiet strebte er Verbesserungen der bündnerischen Staatsverfassung und der Verwaltung der Untertanenlande an, auf wirtschaftlichem die Gewerbefreiheit, den Abbau der Zölle sowie landwirtschaftliche Reformen. 1786 gründete er in Chur eine Armenanstalt. Die Anregung zu solchem Tun schöpfte Tscharner aus seiner religiösen Anschauung, gemäss der er die moralische, zum Handeln für den Gemeinnutz verpflichtenden Prinzipien der Religion akzeptierte, während er deren dogmatische Seite ablehnte. Seine Absichten erläuterte Tscharner in diversen Publikationen; die praktische Verwirklichung war aber wenig erfolgreich. Tscharner zögerte, eindeutig für die Mitbestimmung der Veltliner Bevölkerung Stellung zu beziehen, was allein das Veltlin für Graubünden hätte retten können; er liess seinen Weggefährten, den radikalen Reformer Gaudenz von Planta, im Stich. Seine Idee, eine dritte Kraft zwischen der französischen Salispartei und der österreichischen Plantapartei zu bilden, war unrealistisch. Zwar organisierten sich die Patrioten zur Fortschrittsgruppierung, zu der 1793 die von Planta stiessen, den Wechsel zur Franzosenpartei einleitend, während gleichzeitig die von Salis die Schwenkung in umgekehrter Richtung vollzogen. Und eine Volkserhebung brachte Tscharner 1794 an die Spitze der sogenannten Standesversammlung, die radikale Reformen durchführen sollte. Aber streng dem Legalitätsprinzip verschrieben und wohl auch aus Rücksicht auf seinen aristokratischen Umkreis, förderte Tscharner das Reformwerk zu unentschlossen. So versagte er 1797, als er sich nicht um den Vollzug des Gemeindemehrens kümmerte, das ein Einlenken auf die Veltliner Wünsche befürwortete; damit überliess er der Salispartei das Feld, die mit allerlei List den Volkswillen manipulierte und den Verlust des Veltlins verschuldete.

Tscharners Verdienste liegen vor allem auf kulturellem Gebiet: 1786 hatte er auf dem Erbgut seiner zweiten Frau in Jenins eine Privatschule gegründet, die nach dem Vorbild des bis 1777 in Igis von Ulysses von Salis-Marschlins geführten Philanthropinums die staatsbürgerliche Erziehung junger Leute anstrebte. 1793 beteiligte sich Tscharner am Kauf des Schlosses Reichenau, wo er das Philantropinum neu einrichtete und unter die Leitung Johann Peter Nesemanns stellte. Die Schule ging 1798 ein. Danach übernahm Johann Baptista von Tscharner zwar noch einzelne politische Aufgaben, unter anderem in Bern, zog sich dann aber ab 1800 aus der Politik zurück und widmete sich, von Phasen der Depression heimgesucht, fortan privaten historischen Studien.

Quellen und Literatur

  • A. Rufer, Johann Baptista von Tscharner, 1751-1835, 1963
  • Bedeutende Bündner aus fünf Jahrhunderten 1, 1970, 353-363
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Zitiervorschlag

Martin Bundi: "Tscharner, Johann Baptista von", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.01.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017005/2014-01-07/, konsultiert am 12.01.2025.