de fr it

Strafgericht

Der Begriff Strafgericht wird im Folgenden eingegrenzt auf Graubünden abgehandelt. Im Dreibündenstaat kam die höchste und abschliessende strafgerichtliche Gewalt allein den Gerichtsgemeinden zu. Eine übergeordnete Justizinstitution fehlte. Für die Beurteilung von Strafrechtsfällen, die mehrere Gerichtsgemeinden, ganze Talschaften oder das gesamte Graubünden betrafen, musste deshalb in jedem Streitfall neu eine Entscheidungsinstanz in Form eines sogenannten unparteiischen Gerichts, des Strafgerichts, geschaffen werden. In der frühen Neuzeit, insbesondere während der Bündner Wirren mit dem Veltliner Mord, gab es in Graubünden eine Vielzahl solcher Gerichte.

In engem Zusammenhang mit dem Strafgericht stand der sogenannte Fähnlilupf. Hinter der aufgerichteten Fahne (der Gerichtsgemeinde oder des Hochgerichts) versammelte sich in oft eigenmächtiger Weise die Miliz des Gerichts oder zumindest ein Teil derselben, um – vielfach mit anderen Fähnli zusammen – gegen einen politischen Widersacher vorzugehen. Mit einem möglichst grossen Aufmarsch wurde damit auf Amtspersonen, Parteiführer, Diplomaten oder auf andere Gerichtsgemeinden Druck ausgeübt, oft auch um die Einsetzung eines Strafgerichts zu erzwingen (Soziale Konflikte).

Nachdem es von 1529 an zu einer Reihe von Fähnlilupfen und anschliessenden Strafgerichten gekommen war, verboten die Drei Bünde 1574 im Dreisieglerbrief "mit Fähnlein, Wehr und Waffen zusammenzulaufen". Das Verbot blieb indessen wirkungslos.

Die bedeutenderen Strafgerichte des 17. und 18. Jahrhunderts hatten allesamt eine zentrale partei- und machtpolitische Dimension. Vorab während der Bündner Wirren löste oft ein von einer Partei in Szene gesetztes Strafgericht sogleich eines der Gegenpartei aus. Über ihre rechtliche Zuständigkeit ist bis zum Untergang des Dreibündestaats 1798 in beinahe jedem Fall aufs Neue gestritten worden.

Quellen und Literatur

  • S. Färber, «"Fähnlilupfe" und Strafgerichte», in HbGR 2, 124-127
  • R.C. Head, Demokratie im frühneuzeitl. Graubünden, 2001, 192-202, 232-248
Weblinks

Zitiervorschlag

Silvio Färber: "Strafgericht", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.11.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017185/2013-11-26/, konsultiert am 19.01.2025.