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Französische Revolution

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts führten die Gegensätze zwischen den veralteten politischen Strukturen und der wirtschaftlichen Dynamik auch in der Schweiz zu Spannungen. Das Land bot deshalb einen günstigen Nährboden für neue Ideen. Auslöser des Wandels war die Französische Revolution, deren Wirkung auf die Schweiz durch die engen Beziehungen der beiden Länder verstärkt wurde (Allianzen, Fremde Dienste).

Gegensätzliche Reaktionen und erste Unruhen (1789-1792)

Die Ereignisse von 1789 (Bastillesturm am 14. Juli, Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte am 26. August) entfachten öffentliche politische Debatten, wie es sie zuvor ausser in Genf, dem «Laboratorium für Revolutionen» (Genfer Revolutionen), kaum gegeben hatte. In Wirtshäusern und in den Clubs (Zirkel), die aus den Lesegesellschaften entstanden waren, bildeten die Ereignisse in Frankreich das Gesprächsthema. Kolporteure verteilten Druckschriften (Abhandlungen, Broschüren, Pamphlete und Liedtexte) und Gebrauchsgegenstände (Kartenspiele oder Uhrenzifferblätter in den Revolutionsfarben), die zur Verbreitung der neuen Ideen beitrugen. Reisende und Söldner, die aus Frankreich zurückkehrten, hielten die informationshungrige Öffentlichkeit auf dem Laufenden. Auch die Presse berichtete, obwohl sich die Zensur rasch einschaltete (z.B. in Bern im September 1790). Parallel zu diesen spontanen Aktionen entwickelte sich eine gezieltere, im Ausland organisierte Propaganda. An ihrer Spitze stand der Club helvétique in Paris (1790-1991), dessen Einfluss auf die Schweiz aber beschränkt blieb.

Die Untertanengebiete, die sich mit ihrer politischen Zurücksetzung zunehmend schwer taten (u.a. Waadt, Aargau), nahmen die neuen Ideen mit Begeisterung auf. Die vom Kaufmanns- und Handelsbürgertum geprägten Stadtkantone (Zürich, Basel, Schaffhausen) waren der Revolution zunächst eher günstig gestimmt; selbst in den herrschenden Kreisen fand diese Verfechter. Auch in den Heimindustriegebieten, in denen ein wohlhabendes, mit der Aufklärung vertrautes ländliches Bürgertum entstanden war, fiel das Gedankengut der Revolution auf fruchtbaren Boden. Die agrarisch ausgerichteten Patrizierorte (Bern, Freiburg, Solothurn, Luzern) und die Urschweiz hingegen übernahmen schon bald die Führung der Gegenrevolution. Mit der Unterstützung der Kirche und der bäuerlichen Bevölkerung ergriffen die Obrigkeiten Zwangsmassnahmen (Überwachung durch die Polizei, Zensur, Unterdrückung der Unruhen) gegen jegliche Änderungsbestrebung. Sie liessen es zu, dass ein militärisches Gericht gegen die Meuterer des Schweizerregiments von Châteauvieux (im August 1790 in Nancy) exemplarische Strafen (Erhängen, Galeerenstrafe, Ausschluss aus der Armee) verhängte, und missbilligten die Begnadigung durch die französische Nationalversammlung. Flüchtigen Aristokraten und eidverweigernden Priestern bereiteten sie einen warmen Empfang; allein Freiburg nahm über 2000 Geistliche auf. Die antirevolutionären Umtriebe gewisser Emigrés vergifteten lange Zeit die Beziehungen zu Frankreich.

Vorzeichen der Helvetischen Revolution, die kaum in Zusammenhang mit den traditionellen ländlichen Unruhen des 18. Jahrhunderts standen, waren Protestbewegungen und Revolten sozialer und politischer Natur, die das ganze Land, besonders aber die Heimindustrie- und Weinbauregionen, erschütterten. Im Frühling 1790 erhoben sich die Hallauer Bauern gegen die wirtschaftlichen Privilegien der Stadt Schaffhausen. 1790 und 1791 lehnten sich die Untertanen des Unterwallis gegen die Vögte des Oberwallis auf. In der Waadt veranstaltete man 1791 Bankette zum 2. Jahrestag des Bastillesturms. In allen Fällen ging die Obrigkeit mit äusserster Härte vor (Todesurteile, Gefängnisstrafen).

Neutralität und gute Nachbarschaft (1792-1795)

Auch während der konstitutionellen Monarchie wurden die offiziellen Beziehungen zu Frankreich aufrechterhalten (Einsetzung des neuen französischen Ambassadors François de Barthélemy im Januar 1792), sie verschlechterten sich aber mit der Ausrufung der Republik. Nach der Kriegserklärung Frankreichs an Österreich und an Preussen im April 1792 (Koalitionskriege) erklärte sich die Schweiz neutral und mobilisierte an der Grenze bei Basel. Der Tuileriensturm vom 10. August 1792 und die Massaker vom folgenden September setzten dem Solddienst in Frankreich ein einstweiliges Ende. Die Regimenter wurden am 20. August aufgelöst, die diplomatischen Beziehungen am 15. September abgebrochen.

Ein Ausschnitt aus Le Triomphe du peuple français sur la monarchie. Zeichnung von Jacques-Louis David, 1794 (Musée Carnavalet, Paris).
Ein Ausschnitt aus Le Triomphe du peuple français sur la monarchie. Zeichnung von Jacques-Louis David, 1794 (Musée Carnavalet, Paris). […]

In der Schweiz verschärften die tragischen Ereignisse den Zwist zwischen der Partei, die in den Krieg gegen Frankreich eintreten wollte (Bern, Solothurn, Freiburg, Innerschweiz) und den weniger frankreichfeindlichen Kantonen (Zürich, Basel, Luzern), die zur Neutralität neigten. Letztere setzten sich schliesslich durch; es gelang ihnen, die Beziehungen zu Barthélemy aufrechtzuerhalten. Trotz der Terrorherrschaft unter Robespierre (1793-1794) normalisierten sich die Kontakte zu Frankreich gar, da die Schweiz als Heimat Rousseaus und Wilhelm Tells eine gewisse Hochschätzung genoss. Solange Frankreich von Feinden umzingelt war, lag die Neutralität der Schweiz zudem in seinem Interesse.

Gegen aussen hin verbesserte sich die Lage, aber im Innern waren die Regierungen der einzelnen Orte mit permanenten Unruhen beschäftigt. Besonders in der Ostschweiz bestanden Unruheherde. Im Stäfner Memorial (November 1794) verlangten die wohlhabenden Handels- und Gewerbeleute vom Zürichseeufer vergeblich die wirtschaftliche Gleichheit zwischen Stadt und Land (Stäfnerhandel). Auch die zugewandten Orte waren von der Französischen Revolution direkt oder indirekt betroffen: Der Norden des Fürstbistums Basel wurde im April 1792 von Frankreich besetzt, das einen Aufstand gegen den Fürstbischof unterstützte. In Genf hielt die Revolution im Dezember 1792 Einzug, und in Graubünden wurde die aristokratische Partei 1794 gestürzt. Die Untertanen des Abtes von St. Gallen waren ebenfalls – zumindest zeitweilig – erfolgreich, als sie 1795 mit ihrem Souverän den Gütlichen Vertrag schlossen.

Von der Isolation zur letzten Tagsatzung (1795-1797)

Offensichtlich unfähig zu erkennen, dass die zahlreichen Unruhen den Keim der Revolution in sich bargen, waren die kantonalen Obrigkeiten bald mit den Eroberungsgelüsten Frankreichs konfrontiert. Der Frieden von Basel (April 1795) befreite Frankreich von der preussischen Gefahr, trieb aber die Schweiz, die unter äusserem Druck die Emigranten auswies und die Republik im Mai 1796 anerkannte, noch mehr in die Isolation. Die Erfolge Bonapartes in Italien schwächten im gleichen Jahr die Stellung der Schweiz weiter, weil sie nun zu drei Vierteln von Frankreich oder dessen Satellitenrepubliken umgeben war. Der Zwischenfall am Brückenkopf von Hüningen um den Jahreswechsel 1796/1797 und das bernische Wohlwollen gegenüber dem britischen Agenten William Wickham verschlechterten die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zunehmend. Im Herbst 1797 überstürzten sich die Ereignisse: Nach dem Staatsstreich vom 18. Fructidor (4. September) gelangte ein Direktorium an die Macht, das keine Freunde der Schweiz mehr enthielt. Barthélemy und Lazare Carnot waren ausgeschaltet worden, und der leitende Kopf, Jean-François Reubell, war sogar ein Gegner der Eidgenossenschaft. Mit dem Frieden von Campoformio (17. Oktober) verlor die Schweiz die einzige ihr noch verbliebene Schutzmacht, Österreich. Das Direktorium und Bonaparte, der sich die Alpenübergänge sichern wollte, waren sich in expansionspolitischen Fragen einig. Dies und die Umtriebe der Patrioten Peter Ochs und Frédéric-César de La Harpe führten zu verschiedenen Aggressionen gegen die Schweiz: Annektion des Veltlins (Confisca) sowie der Vogteien von Bormio und deren Zuteilung zur Cisalpinischen Republik (Oktober), Bonapartes Triumphzug durch die Westschweiz zum Rastatter Kongress (Ende November), Anschluss der südlichen Täler des Fürstbistums Basel ans Département du Mont-Terrible (Mitte Dezember) und letztendlich der Franzoseneinfall. Jedesmal mussten die eidgenössischen Behörden machtlos zusehen.

An der letzten Tagsatzung vom 26. Dezember 1797 bis zum 31. Januar 1798 zeigte sich nochmals, wie gelähmt die Regierungen der einzelnen Orte waren und dass ihr Zaudern eine geeinte Reaktion der gesamten Eidgenossenschaft verunmöglichte. Die alte Eidgenossenschaft war nicht fähig, sich aus eigener Kraft zu reformieren. Die grundlegenden Ideen der Französischen Revolution (Menschenrechte, Gewaltenteilung, repräsentative Demokratie, Gleichheit) wurden ein erstes Mal in der von Frankreich oktroyierten, kurzlebigen Helvetischen Republik verankert und fanden später Eingang in die Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts (Verfassung, Bundesverfassung, Kantonsverfassungen).

Quellen und Literatur

  • L. Delcros, Il Ticino e la Rivoluzione francese, 2 Bde., 1959-61
  • Braun, Ancien Régime, 256-313
  • La Suisse et la Révolution française, Ausstellungskat. Lausanne, 1989
  • U. Im Hof, «Wirkungen der Französischen Revolution auf die schweiz. Öffentlichkeit», in Französische Revolution und dt. Öffentlichkeit, hg. von H. Böning, 1992, 27-45
  • De l'Ours à la Cocarde, 1998, 221-228, 349-362
  • H. Böning, Der Traum von Freiheit und Gleichheit: Helvet. Revolution und Republik (1798-1803), 1998
Weblinks

Zitiervorschlag

Damien Bregnard: "Französische Revolution", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 24.09.2013, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017216/2013-09-24/, konsultiert am 19.03.2024.