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Freizonen

In der Freihandelszone, einer schon im Altertum bekannten Einrichtung, sind die Zölle aufgehoben. Die Bündner Gemeinde Samnaun ist noch heute eine solche Zone, Jestetten in Baden-Würtemberg war es 1840-1935. Für die Stadt Genf spielte die Zollfreiheit Hochsavoyens und der Landschaft Genf eine so grosse Rolle, dass dort der Begriff "Zones franches" wie ein Toponym zur Bezeichnung dieser Gebiete verwendet wird.

Bis 1815 bildete das Genfer Territorium einen Flickenteppich; Freibriefe und Privilegien waren deshalb für die Versorgung der Stadt unerlässlich. Der nach der Escalade (Dezember 1602) ausgehandelte Vertrag von Saint-Julien mit Savoyen (Juli 1603, Frieden von Saint-Julien) und auf französischer Seite die Lettres patentes von Poitiers (Mai 1602) für das Pays de Gex anerkannten die Genfer Privilegien, ohne dass diese dadurch von Anfechtungen gefeit gewesen wären. 1790, nach der Französischen Revolution, wurde der Zoll an der politischen Grenze wieder eingeführt, 1792 auch an der Grenze zu dem von Frankreich annektierten Savoyen. Das französische Direktorium konnte deshalb die Republik Genf durch eine Zollsperre wirtschaftlich abwürgen und sich ihrer schliesslich bemächtigen; der Vereinigungsvertrag vom 26. April 1798 bestätigte die Angliederung. Bis Dezember 1813 gehörte Genf als Hauptort des Departments Léman zum französischen Staatsgebiet.

Nach der Wiedergewinnung der Unabhängigkeit gelangten die Genfer mehrheitlich zur Ansicht, dass das Schicksal des Stadtstaates von der vollständigen Angliederung an das Corpus helveticum abhinge. Dieses grundlegende Ziel war ohne die Bildung eines zusammenhängenden und mit der Eidgenossenschaft verbundenen Gebietes, ohne eine militärisch verteidigbare Grenze und ohne genügenden Wirtschaftsraum nicht zu verwirklichen. Um diese drei Voraussetzungen zu schaffen, führte Charles Pictet-de Rochemont komplexe Verhandlungen mit den europäischen Staaten; diese waren nicht zuletzt deshalb heikel, weil zahlreiche Genfer gegen die Aufnahme der katholischen Bevölkerung der Communes réunies, die für die Befreiung der Stadt aus der Isolation notwendig war, grosse Vorbehalte hatten. Auf der militärischen Ebene stärkten die Abkommen von 1814-1815 den Status der schweizerischen Neutralität; ausserdem wurde auch Hochsavoyen als neutral erklärt (die Provinzen Chablais und Faucigny, das Gebiet nördlich von Ugine sowie die Arrondissements Chambéry und Annecy) und damit Sardinien der Schutz gewährt, den das Haus Savoyen seit der Verlagerung seines Herrschaftsschwerpunkts von Chambéry nach Turin vergeblich gesucht hatte. Auf wirtschaftlicher Ebene erhielt Pictet-de Rochemont ohne Gegenleistung der Schweiz die Errichtung dreier französischer und sardinischer Freihandelsgebiete zugesprochen: Die Zone um Gex, die auf dem Pariser Vertrag (Artikel 1, § 3) vom 20. November 1815 beruhte und 396 km2 gross war, die sardinische bzw. savoyische Zone, die auf dem Turiner Vertrag (Artikel 3) vom 16. März 1816 basierte und 151 km2 umfasste, sowie schliesslich durch Beschluss der Rechnungskammer von Sardinien vom 9. September 1829 das kleine Gebiet von Saint-Gingolph.

Die Einführung der schweizerischen Zölle zwischen 1849 und 1851 veranlasste die Regierungen in Turin und Paris, Erleichterungen für die aus den Freizonen in die Schweiz importierten Produkte zu verlangen. Die Eidgenossenschaft gab, obwohl sie die Anwendbarkeit des Gegenseitigkeitsprinzips bestritt, diesen Forderungen in den folgenden Handelsabkommen teilweise nach. Mit der Angliederung Savoyens an Frankreich, die mit der Volksabstimmung 1860 ratifiziert wurde, wuchs die Bedeutung der Zollausschlussgebiete für die Genfer bzw. die schweizerische Wirtschaft erheblich, weil die Grande Zone – so wurde das Gebiet, das Napoleon III. den Savoyern zugestanden hatte, später bezeichnet – jetzt 3790 km2 umfasste.

1917 ersetzte Frankreich die Gendarmen an den Zollposten durch Zöllner. Dieser Austausch, der als Ordnungsmassnahme dargestellt wurde, offenbarte den Willen Frankreichs, die Auflagen von 1815 bezüglich Savoyens abzuschütteln. Die Eidgenossenschaft, die ja nie – nicht einmal während der Spannungen, die infolge der Annäherung Savoyens an Frankreich entstanden waren (Savoyerhandel) – von ihrem Besatzungsrecht auf dieses Gebiet Gebrauch gemacht hatte, wurde eingeladen, sich an den Arbeiten der Pariser Konferenz über diesen Punkt zu beteiligen. Sie nahm schliesslich die Aufhebung der Neutralität Hochsavoyens hin; im Gegenzug wurde die schweizerische Neutralität feierlich anerkannt. Die Eidgenossenschaft musste sich auch der einseitig verfügten Aufhebung der Grande Zone von 1860 beugen, wahrte aber durch die Note vom 5. Mai 1919, die dem Artikel 435 des Versailler Vertrags beigefügt wurde, ihre Ansprüche auf die kleinen Zonen von 1815 und 1816 .

Die direkten französisch-schweizerischen Verhandlungen endeten nach Schwierigkeiten am 7. August 1921 mit einem Kompromiss. Die Eidgenossenschaft akzeptierte die Verschiebung der Zolllinie an die politische Grenze gegen die Einführung eines besonderen Systems für den regionalen Austausch während zehn Jahren. Genf und die Deutschschweiz waren entrüstet. In der Referendumsabstimmung vom 18. Februar 1923, der ersten über ein internationales Abkommen, fegte das Volk das Abkommen von 1921 vom Tisch und machte damit die Anrufung des ständigen internationalen Gerichtshofs von Den Haag als Schiedsstelle notwendig. Dieser gab nach einem langen Verfahren, das zeitweilig von der Rückkehr an den Verhandlungstisch unterbrochen wurde, dem schweizerischen Standpunkt Recht. Am 7. Juni 1932 ordnete er mit sechs gegen fünf Stimmen die Wiedereinrichtung der kleinen Zonen von Hochsavoyen, des Pays de Gex sowie des Gebiets von Saint-Gingolph an und verpflichtete die Schweiz zur Vorzugsbehandlung von aus den Zonen importierten Produkten als Gegenleistung. Das Zonensystem, das durch den Schiedsspruch von Territet am 1. Dezember 1933 geregelt wurde, überlebte den Zweiten Weltkrieg, die Errichtung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die Entwicklung anderer Formen der grenzüberschreitenden Regionalpolitik. Es regelt heute vor allem die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte aus den Zonen in die Schweiz. 1998 entsprachen diese einem Wert von nahezu 47,3 Mio. Franken, während sich die Exporte verschiedener Waren in die Zonen auf ca. 2,3 Mio. Franken beliefen.

Quellen und Literatur

  • DDS 7/1-10
  • R. Jouvet, Le problème des zones franches de la Haute-Savoie et du Pays de Gex, 1943
  • D. Bourgeois, La neutralité de la Savoie du Nord et la question des zones franches, in SQ 8, 1982, 7-48
  • Encycl.GE 1, 109-111
  • J.-C. Favez, C. Raffestin, «Il sistema delle "zone" dal 1815 ai giorni nostri», in La frontiera da stato a nazione, hg. von C. Ossola et al., 1987, 289-301
Weblinks

Zitiervorschlag

Jean-Claude Favez: "Freizonen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.02.2015, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017225/2015-02-10/, konsultiert am 28.05.2023.