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Heilige Allianz

Am 26. September 1815, nach dem Sturz Napoleons und dem Abschluss des Wiener Kongresses, unterzeichneten der russische Zar Alexander I., der österreichische Kaiser Franz I. und der preussische König Friedrich Wilhelm III. eine Absichtserklärung mit dem Ziel, die Prinzipien der christlichen Religion zur Grundlage der Politik des europäischen Mächtesystems zu machen. Das als Sainte-Alliance betitelte Abkommen ging auf die Initiative des von tiefer Religiosität geprägten Zaren zurück. Die oft vertretene Auffassung, die auch in der Schweiz predigende «Erweckte», Baronin Barbara Juliane von Krüdener, hätte massgeblich an der Abfassung des Textes mitgewirkt, lässt sich nicht belegen.

Während Zar Alexander I. eine friedliche Konfliktregulierung mittels kooperativer Mechanismen einer alliance solidaire anstrebte – modern gesprochen hatte er ein System kollektiver Sicherheit vor Augen – sahen nüchterne Machtpolitiker wie der österreichische Aussenminister Klemens Wenzel von Metternich darin eine «Verrücktheit» des Zaren. Es gelang dann Metternich, die religiös-romantische Proklamation in ein Interventionsinstrument zur Stützung der 1815 etablierten Staatenordnung umzuwandeln, wodurch die Heilige Allianz zum Inbegriff der Restauration wurde.

Russland bemühte sich in der Folge um den Beitritt der anderen europäischen Staaten. Bis auf Grossbritannien und den Heiligen Stuhl schlossen sich alle der Heiligen Allianz an. Am 23. Juli 1816 überbrachte der russische Geschäftsträger in der Schweiz, Baron Paul von Krüdener (ein Sohn der Baronin), den Antrag an den eidgenössischen Vorort Zürich. Der Präsident der Tagsatzung gab bereits am 29. Juli Mitteilung über die russische Einladung an die eben in Zürich versammelte Tagsatzung. Abgesehen von einigen, zum Teil kritischen, aber mehrheitlich positiven Wortmeldungen konnte die Tagsatzung das Geschäft nicht behandeln, da entsprechende Instruktionen fehlten.

Das Geschäft wurde folglich an die Kantone gewiesen. Zugleich beauftragte der Zürcher Rat am 7. August die beiden Bürgermeister Hans von Reinhard und David von Wyss, beim russischen Vertreter nähere Erläuterungen über den Zweck der Heiligen Allianz einzuziehen. Von Krüdener machte gegenüber den eidgenössischen Vertretern nochmals die vom Zaren angestrebten Ziele klar und verneinte die Möglichkeit zukünftiger Interventionen in die innereidgenössischen Angelegenheiten sowie der Schmälerung der Neutralität.

Auf der Grundlage des von den beiden Abgesandten verfassten Berichts vom 10. August redigierte der Zürcher Rat ein Kreisschreiben an die Stände, dem ein Entwurf der Beitrittserklärung beigelegt war. Der Text war vorsichtig abgefasst, betonte die Anerkennung der Prinzipien der Heiligen Allianz als «les plus salutaires et les plus nécessaires au bonheur des nations» und fügte diesen unverbindliche Erklärungen die Vorbehalte der Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz an.

Für die meisten Kantone war der Beitritt unbedenklich, während sie aus einer Ablehnung Nachteile fürchteten. Nur zwei sprachen sich gegen den Entwurf aus: Basel, das noch stärkere Vorbehalte verlangte, und Neuenburg, das jegliche Vorbehalte aus der Erklärung streichen wollte. Dem Vorort Zürich gelang es, die beiden Kantone zur Rücknahme ihrer Anträge zu bewegen. Nachdem die verfassungsmässig erforderliche Zweidrittelsmehrheit zustande gekommen war, übergab der neue Vorort Bern dem russischen Vertreter am 27. Januar 1817 die schweizerische Beitrittserklärung. Sie wurde am 3. März 1817 an Österreich und Preussen nachgereicht.

Die Umformung der Heiligen Allianz zu einem repressiven Instrument führte zu Interventionen in innereidgenössische Angelegenheiten. Die an den Kongressen der Heiligen Allianz von Troppau (Opava) 1820, Laibach (Ljubljana) 1821 und Verona 1822 zum Ausdruck kommende Kritik an der liberalen Asylpolitik (Asyl) und an der Freimütigkeit der inländischen Presse gipfelte am 31. März 1823 in der Drohung Metternichs, die Schweiz würde bei Nichtbeachtung der Forderungen der Heiligen Allianz ihre Neutralität verlieren. Daraufhin beschloss die Tagsatzung am 14. Juli 1823 das Presse- und Fremdenkonklusum. Als die Heilige Allianz nach 1825 an den gegensätzlichen Interessen der Grossmächte allmählich zerbrach, konnte die Tagsatzung 1829 das Konklusum wieder aufheben, ohne ausländische Reaktionen befürchten zu müssen.

Quellen und Literatur

  • W. Näf, Zur Gesch. der Heiligen Allianz, 1928
  • Bonjour, Neutralität 1
  • W. Pyta, «Idee und Wirklichkeit der "Heiligen Allianz"», in Neue Wege der Ideengesch., hg. von F.-L. Kroll, 1996, 315-345
Weblinks

Zitiervorschlag

Michele Luminati: "Heilige Allianz", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.03.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017226/2011-03-09/, konsultiert am 06.10.2024.