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Zimmerwalder Bewegung

Titelseite des ersten Bulletins der Internationalen sozialistischen Kommission, 21. September 1915 (Schweizerische Nationalbibliothek).
Titelseite des ersten Bulletins der Internationalen sozialistischen Kommission, 21. September 1915 (Schweizerische Nationalbibliothek). […]

Der Erste Weltkrieg spaltete die internationale Sozialdemokratie entlang nationaler Grenzen (zwischen Entente und Mittelmächten) und innenpolitischer Fronten (zwischen Burgfrieden und Klassenkampf). Was der Zweiten Internationalen nicht gelungen war, schaffte Robert Grimm: Er gewann prominente sozialistische Kriegsgegner aus zwölf Ländern, neben den Schweizern Fritz Platten, Charles Naine und Carl Vital Moor unter anderem Lenin, Grigori Jewsejewitsch Sinowjew, Leo Trotzki, Karl Radek, Georg Ledebour (Deutschland), Arthur (eigentlich Alphonse) Merrheim (Frankreich) und Giacinto Menotti Serrati (Italien) für eine geheime internationale Konferenz, die vom 5. bis 9. September 1915 in Zimmerwald tagte. Zugute kam ihm dabei, dass er die «Berner Tagwacht» früh für Oppositionelle aller sozialistischen Parteien geöffnet hatte und er sich als Bürger eines neutralen Landes auf beiden Seiten der Front bewegen konnte. Die Konferenzteilnehmer verabschiedeten ein Manifest, das die Unterstützung der Kriegsführung durch die sozialistischen Parteien kritisierte und zum Kampf gegen den Krieg und zur Aufkündigung des Burgfriedens aufrief. Die Veröffentlichung erregte nicht zuletzt wegen der Unterschriften deutscher, französischer, italienischer und russischer Sozialisten beträchtliches Aufsehen. Zudem richtete die Konferenz eine Internationale Sozialistische Kommission (ISK) mit Sekretariat in Bern unter der Leitung von Grimm ein. Die Zimmerwalder Bewegung sollte nach Auffassung der Mehrheit Aktivitäten der sozialistischen Kriegsgegner koordinieren, während die Linke um Lenin sie zum Kern einer neuen, revolutionären Internationale machen wollte. Am Aarauer Parteitag 1915 stellte sich die Sozialdemokratische Partei der Schweiz hinter die Zimmerwalder Bewegung und war deshalb 1916 auf deren nächster Tagung, der Kientaler Konferenz, offiziell vertreten. Das dort verabschiedete Manifest fand wegen der breiteren Abstützung und der allgemein gewachsenen Ablehnung des Kriegs stärkeren Widerhall, so dass die Kientaler Konferenz zum eigentlichen Höhepunkt der Zimmerwalder Bewegung wurde. In der Folge verschärften sich die Differenzen zwischen der Mehrheit und der revolutionären Linken um Lenin. Pass- und Visaverweigerungen der Regierungen behinderten zudem die Kontakte, der Kriegseintritt der USA, die Revolution in Russland sowie die Grimm-Hoffmann-Affäre, die Grimm die führende Stellung in der Bewegung kostete, untergruben die gemeinsame Basis der Zimmerwalder Bewegung endgültig. Die nach Stockholm umgezogene ISK organisierte dort vom 5. bis 12. September 1917 die sogenannte Dritte Zimmerwalder Konferenz, die aber keine Bedeutung mehr erlangte.

Quellen und Literatur

  • Die Zimmerwalder Bewegung, hg. von H. Lademacher, 2 Bde., 1967
  • M. Mattmüller, Leonhard Ragaz und der religiöse Sozialismus 2, 1968, 164-199
  • Y. Collart, Le parti socialiste suisse et l'Internationale, 1969
  • A. Blänsdorf, Die Zweite Internationale und der Krieg, 1979
  • Zimmerwald und Kiental, hg. von B. Degen, J. Richers, 2015
  • Le conferenze di Zimmerwald e Kiental e l'opposizione alla Grande guerra, Ausstellungskat. Mailand, 2017
Weblinks

Zitiervorschlag

Bernard Degen: "Zimmerwalder Bewegung", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.11.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017330/2017-11-28/, konsultiert am 09.12.2024.