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Obersten-Affäre

Von Beginn des Ersten Weltkriegs an belieferten die Generalstabsobersten Friedrich Moritz von Wattenwyl und Karl Egli den dt. und den österr.-ungar. Militärattaché aufgrund von Absprachen zwischen den Generalstäben der Schweiz und der Zentralmächte mit dem Tagesbulletin des Generalstabs und diplomat. Depechen, die der schweiz. Nachrichtendienst entschlüsselt hatte. Es handelte sich um Informationen unterschiedl. Bedeutung und Vertraulichkeit.

Der Bundesrat erfuhr im Dez. 1915 davon. In der Hoffnung, die Affäre diskret beilegen zu können, liess General Ulrich Wille beide Offiziere versetzen. Auf Druck von Parlamentariern, Presse und Öffentlichkeit ordnete jedoch der Bundesrat am 11.1.1916 eine Administrativuntersuchung an. Widerwillig stimmte Wille dem Erscheinen der Offiziere vor einem Militärgericht am 18. Januar zu. Obwohl er sie für schuldig hielt, lehnte er ihre Verurteilung aus Furcht um den Ruf der Armee ab. Am 19. Januar beschloss der Bundesrat, ein vollständiges Gerichtsverfahren einzuleiten. Am 28. Februar erklärte das Divisionsgericht 5 in Zürich die beiden Offiziere strafrechtlich für nicht schuldig und wies sie zur disziplinar. Beurteilung an die Militärbehörde zurück. Wille verurteilte sie zu zwanzig Tagen scharfem Arrest, der Bundesrat enthob sie ihrer Funktionen.

Während die O. in der Deutschschweiz heruntergespielt wurde, schlug sich die Enttäuschung über die Milde des Urteils und der Sanktionen in der Westschweiz in der Presse nieder und löste eine Vertrauenskrise aus. Die Westschweizer Bürgerlichen lenkten zwar ein, ihr Vertrauen aber war erschüttert. Die Sozialisten wiederum übten einhellig Kritik an Armee und Regierung. Das Gefühl, ein tiefer Graben trenne Sprachregionen und soziale Klassen, verstärkte sich in der Bevölkerung. Intellektuelle und Politiker lancierten eine Debatte um den Wert der Neutralität, die durch den offenen Ausgang des Krieges verschärft wurde. Die deutschfreundl. Haltung der Armeespitze wurde kritisiert, wodurch die Affäre die tiefen Meinungsverschiedenheiten zwischen General und Bundesrat in Bern bestätigte.

Quellen und Literatur

  • F. Bonjour, Souvenirs d'un journaliste 2, 1931, 191-212
  • J. Schoch, Die Oberstenaffäre, 1972, (mit Bibliogr.)
  • M. Mittler, Der Weg zum Ersten Weltkrieg, 2003, 769-782
Weblinks

Zitiervorschlag

Catherine Guanzini: "Obersten-Affäre", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.10.2009, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017332/2009-10-08/, konsultiert am 17.04.2024.