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Moeckli-Affäre

Die M. bezeichnet die Vorgänge rund um die Weigerung des bern. Grossrats, die Bau- und Eisenbahndirektion dem aus dem Jura stammenden Regierungsrat Georges Moeckli anzuvertrauen. Sie brachte die Jurafrage in zugespitzter Form wieder auf das polit. Tapet und gilt als das erste einer langen Kette von Ereignissen, die später in die Gründung des Kt. Jura mündeten.

Nach dem Tod des Regierungsrats Ernst Reinhard wollte der Sozialdemokrat Moeckli, der von 1938 an der Armenfürsorge vorgestanden hatte, das Baudepartement übernehmen, das aber Reinhards Nachfolger, der Oberländer Sozialdemokrat Samuel Brawand, ebenfalls beanspruchte. Am 9. Sept. 1947 folgte der Gr. Rat mit 92 gegen 62 Stimmen dem Vorschlag der BGB und wies Brawand an Stelle des von der Regierung favorisierten Moecklis die Baudirektion zu; die Festlegung der Prioritäten in der regionalen Wirtschafts- und Verkehrspolitik sollte seiner Auffassung nach den deutschsprachigen Altbernern vorbehalten bleiben. Nachdem der Gr. Rat am 17. September einen Wiedererwägungsantrag knapp abgelehnt hatte, vereinigten sich am 20. September 2'000 Personen zu einer Protestdemonstration in Delsberg. Sie verlangten die Bildung eines Komitees zur Verteidigung der Rechte und Interessen des Juras, welches ein Forderungs- und Aktionsprogramm aufstellen sollte. Am 2. Oktober wurde das Comité de Moutier konstituiert, dessen grösster Erfolg die formelle Anerkennung des jurass. Volkes neben demjenigen des alten Kantonsteils in der bern. Verfassung von 1950 wurde. Der Protesttag vom 20. September entwickelte aber eine Eigendynamik: Einer der Redner, der Industrielle Daniel Charpilloz, verlangte die Schaffung eines Kt. Jura. Diese Forderung wurde von dem am 30. November gegr. Mouvement séparatiste jurassien weiterverbreitet. Die M., die sich in einer Phase latenter Missstimmung (Germanisierungsversuche, alte Klagen über Verkehrs- und Kulturfragen) zwischen der jurass. Minderheit und dem altbern. Kantonsteil ereignete, stand nicht am Ursprung der Jurafrage; sie hat aber die Rolle eines Katalysators gespielt.

Quellen und Literatur

  • R. Béguelin, Le réveil du peuple jurassien, 1947-1950, 1952
  • M. Hauser, Le Comité de Moutier, 1979
  • F. Kohler, «Le témoignage posthume de Georges Moeckli», in Actes SJE, 1997, 105-125
Weblinks

Zitiervorschlag

François Wisard: "Moeckli-Affäre", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.01.2008, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017345/2008-01-23/, konsultiert am 09.06.2023.