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Schweizerische Volkspartei (SVP)

Wahlplakat für die Parlamentswahlen vom Oktober 2007, gestaltet von der Werbeagentur Goal AG für Werbung und Public Relations (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Wahlplakat für die Parlamentswahlen vom Oktober 2007, gestaltet von der Werbeagentur Goal AG für Werbung und Public Relations (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

Die im frühen 20. Jahrhundert gegründete Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB), die sich 1971 in SVP umbenannte, agierte lange Zeit als parteipolitische Vertreterin der Bauern und des Gewerbes und hat seit 1929 Einsitz im Bundesrat. In den frühen 1990er Jahren machte die SVP einen Transformationsprozess von einer konservativen Mitte-rechts- zu einer rechtspopulistischen Partei durch und zählt seither in der ländervergleichenden Forschung zu dieser europäischen Parteienfamilie (Parteien).

Die Anfänge: Von den Kantonalparteien zur nationalen Partei

In reformierten Kantonen war die Bauernschaft traditionell durch die FDP vertreten, in katholischen Kantonen stimmten die Bauern für die Konservative Volkspartei (seit 1970 CVP). Während des Ersten Weltkriegs entfremdete sich der Bauernstand von der FDP, der er eine industrie- bzw. konsumentenfreundliche Politik vorwarf. 1917 formierte sich im Kanton Zürich die Bauernpartei und 1918 im Kanton Bern die Bauern- und Bürgerpartei, die auch stark in ländlichen und städtischen Gewerbekreisen verankert war und sich 1921 in BGB umbenannte. Gründungen von weiteren Bauernparteien folgten in den Kanton Schaffhausen 1918, Aargau 1920, Tessin und Waadt 1921 sowie Basel-Landschaft 1925. Nach der Einführung des Wahlproporzes kamen diese neuen Parteien in den Nationalratswahlen von 1919 auf 30 Sitze, 1922 auf 34 Sitze. Bis zur Gründung der Landespartei 1937 war es in erster Linie die Bundeshausfraktion, welche die verschiedenen bäuerlich-gewerblichen Kantonalparteien zusammenhielt. Stark vertreten waren Bauernparteien in der Zwischenkriegszeit vor allem in den Kantonsparlamenten von Bern, Zürich, Thurgau, Schaffhausen und Aargau.

Juniorpartnerin im Bundesrat (1929-1970)

Rudolf Minger (in der Mitte mit Zigarre), 1930-1940 Bundesrat, Vertreter des Bauernstands und Mitglied der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, besucht im Mai 1944 eine Obstanlage in Burgdorf © KEYSTONE/Photopress.
Rudolf Minger (in der Mitte mit Zigarre), 1930-1940 Bundesrat, Vertreter des Bauernstands und Mitglied der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, besucht im Mai 1944 eine Obstanlage in Burgdorf © KEYSTONE/Photopress. […]

Die Wahl von Rudolf Minger 1929 in den Bundesrat war Ausdruck der Vormachtstellung der Berner Kantonalpartei und Beginn der bis 1980 dauernden Tradition eines bernischen BGB- bzw. SVP-Vertreters im Bundesrat. Mit dieser Wahl begründete die BGB ihre Juniormitgliedschaft im Bundesrat und festigte ihre Rolle als loyale Partnerin der FDP und der Konservativen Volkspartei im sogenannten Bürgerblock. Primär in bäuerlichen, gewerblichen und kleinbürgerlichen Milieus verankert, vertrat die BGB eine rechtskonservative Weltanschauung und wandte sich zum einen gegen die Grossindustrie und multinationale Unternehmen, zum anderen gegen sozialistische Kreise und deren Internationalismus und Antimilitarismus.

Ambivalent war das Verhältnis der BGB zu den ab 1933 aufkommenden Fronten (Frontenbewegung). Einerseits warf sie diesen eine unschweizerische Haltung vor und ging aus parteitaktischen Gründen auf Distanz. Wie zum Beispiel Artikel im einflussreichen Parteiorgan «Neue Berner Zeitung» und Stellungnahmen prominenter BGB-Vertreter wie des Nationalrats Eugen Bircher zeigen, bestanden andererseits Sympathien für die rechtsextremen Gruppierungen und antisemitische Tendenzen. Herausgefordert wurde die BGB Mitte der 1930er Jahre auch durch die Bauernheimatbewegung, die mit ihrem wirtschafts- und finanzpolitischen Programm Teile der Bauernschaft hinter sich zu scharen vermochte und 1935 im Gegensatz zur BGB die Kriseninitiative unterstützte. Im gleichen Jahr erlitt die BGB eine empfindliche Niederlage in den Nationalratswahlen, als sich ihr Wähleranteil von 15,3 auf 11,0% verringerte.

Parteipräsidenten der BGB/SVP

1937-1945Rudolf Reichling
1946-1952Rudolf Weber
1953-1957Karl Renold
1957-1965Walter Siegenthaler
1965-1976Hans Conzett
1976-1984Fritz Hofmann
1984-1987Adolf Ogi
1988-1996Hans Uhlmann
1996-2008Ueli Maurer
2008-2016Toni Brunner
2016-Albert Rösti
Parteipräsidenten der BGB/SVP -  Parlamentsdienste

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmte eine föderalistische Struktur den Parteiaufbau der BGB; so hielten einzelne Kantonalparteien an ihrer Bezeichnung als Bauernpartei fest, wie die Schaffhauser Partei, die sich erst ab 1956 BGB nannte. Die BGB reihte sich in das Konkordanzsystem der Nachkriegszeit ein und konsolidierte mit der Einführung der Zauberformel 1959 ihre Einervertretung im Bundesrat. Während sich die Partei besonders in der Agrarpolitik und der Gewerbepolitik engagierte, teilte sie unverändert mit den beiden anderen bürgerlichen Parteien die programmatischen Hauptlinien, vor allem bezüglich Fragen der bewaffneten Neutralität, der Finanz- und der Sozialpolitik. Wahlpolitisch bestand deshalb für die BGB wenig Spielraum im bürgerlichen Lager, sodass sich ihr Wähleranteil zwischen 11,0 und 12,6% bewegte und ihre Stellung als viertstärkste Partei gewahrt blieb.

Ausbau und Öffnung zur Mitte (1971-1991)

Das Jahr 1971 stellte eine wichtige Zäsur in der Geschichte der Partei dar: Zum einen schlossen sich ihr die Demokratischen Parteien der Kantone Glarus und Graubünden an, zum anderen änderte sie ihren Parteinamen in SVP. Fusion und Namenswechsel waren Ausdruck einer Öffnung hin zur Mitte, was auch der traditionell sozial-liberalen Linie der beiden Demokratischen Parteien entsprach und sich im französischen Parteinamen Union démocratique du centre niederschlug. Mit der Bezeichnung «Volkspartei» reagierte die SVP auf die Erosion ihrer ländlichen Stammwählerschaft, eine Folge des beschleunigten Strukturwandels in der Landwirtschaft, und zielte auf eine Erweiterung ihrer Wählerbasis unter Angestellten, Arbeitern und Angehörigen der unteren Mittelschicht. Diese Neuorientierung zeigte sich im neuen Parteiprogramm von 1977, das Themen wie Ökologie, Konsumentenschutz und Menschenrechte enthielt. Dennoch gelang es der SVP nicht, ihren Wähleranteil bei den Nationalratswahlen zu erhöhen, der in den 1970er und 1980er Jahren weiterhin zwischen 9,9 und 11,6% fluktuierte.

Die neue programmatische Ausrichtung der SVP, welche die Berner Kantonalpartei, die weitaus wählerstärkste Sektion, vorantrieb, rief parteiinterne Kritik hervor, vor allem von Seiten der Zürcher SVP. Diese begann nach der Wahl von Christoph Blocher zum Kantonalparteipräsidenten 1977 einen von der Landespartei autonomen Kurs zu verfolgen und integrierte die Überreste der Republikanischen Bewegung, die 1978 nach dem Rücktritt von Parteipräsident James Schwarzenbach zusammengebrochen war. In ihren Kampagnen konzentrierte sich die Zürcher SVP vermehrt auf Themen wie Asyl-, Drogen- und Sicherheitspolitik und setzte dabei auf einen konfrontativen Politikstil. Sie investierte auch in die Verbesserung der Parteiorganisation (Parteikaderkurse, Jungmitgliederförderung, Medienarbeit, Ausweitung der Parteiauftritte usw.), was die Grundlage für die zentrale Rolle bildete, welche die Zürcher Kantonalpartei für die Entwicklung der nationalen SVP in den 1990er Jahren spielen sollte.

Wandel zur rechtspopulistischen Partei und Aufstieg (seit 1992)

Ab 1992 machte die SVP unter der Führung der Zürcher Kantonalpartei und deren Präsident Blocher erneut einen grundlegenden Wandel durch. 1992 lancierte sie erstmals in ihrer Parteigeschichte eine eidgenössische Volksinitiative («Gegen die illegale Einwanderung», 1996 abgelehnt) und begann damit, eine durch Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit geprägte Migrationspolitik zu verfolgen. Im gleichen Jahr schwenkte die SVP bei der Abstimmung über den EWR-Vertrag ins ablehnende Lager über und etablierte sich in der Folge als vehemente Gegnerin jeglicher aussenpolitischer Öffnung. Wie andere rechtspopulistische Parteien Westeuropas setzte die SVP fortan auf eine Politik, die nationalistische und identitätspolitische Forderungen in Migrations- und Europafragen und neoliberale Positionen in der Wirtschafts- und Steuerpolitik mit einer populistischen Antiestablishment-Rhetorik verband. Gegen den neuen Kurs des Zürcher Flügels regte sich parteiinterner Widerstand, insbesondere aus den Kantonen Bern und Graubünden, wobei es vor allem um Fragen des Stils und des Auftretens und weniger um politische Inhalte und ideologische Ausrichtungen ging.

Sitze und Stärke der BGB/SVP bei nationalen Wahlen 1919-2015

JahrStänderatNationalratWähleranteil in %
191913015,3
192213416,1
192513015,3
192833115,8
193133015,3
193532111,0
193942214,7
194342211,6
194742112,1
195132312,6
195532212,1
195942311,6
196342211,4
196732111,0
197152311,1
19755219,9
197952311,6
198352311,1
198742511,0
199142511,9
199552914,9
199974422,5
200385526,7
2007a76228,9
201155426,6
201556529,4

a 2008 Austritt von 1 Ständerat und 4 Nationalräten aus der SVP und Übertritt in die BDP

Sitze und Stärke der BGB/SVP bei nationalen Wahlen 1919-2015 -  Bundesamt für Statistik

Strukturell gelang es der SVP, eine für das schweizerische föderalistische Parteiensystem aussergewöhnliche «Nationalisierung» der Partei durchzuführen. Sie gründete 1991-2001 zwölf neue Kantonalparteien, baute die nationale Parteiorganisation aus, profilierte eine gemeinsame politische Agenda und vereinheitlichte die eidgenössischen Wahl- und Abstimmungskampagnen. Dank bedeutender Ressourcen, die teils aus intensiv geführten Spendenaktionen, teils aber von finanzstarken Parteimitgliedern stammten, nutzte sie die Mittel der direkten Demokratie ausgiebig und professionalisierte ihr politisches Marketing. Mit provokativen Plakaten und Inseraten erreichte sie regelmässig hohe mediale Aufmerksamkeit. Nach über fünfzigjähriger Stagnation steigerte die SVP ihren Wähleranteil in den Nationalratswahlen von 11,9% 1991 auf 28,9% 2007, eine einmalige Entwicklung seit der Einführung des Wahlproporzes 1919. Sie stieg damit zur wählerstärksten Partei und grössten Fraktion in der Bundesversammlung auf und war für eine grundlegende Veränderung des schweizerischen Parteiensystems verantwortlich. Auch in kantonalen Parlamentswahlen steigerte sich die Partei von 297 Sitzen 1991 auf 563 Sitze 2011. Nachdem die SVP traditionell als reformierte, in der Deutschschweiz verankerte Partei gegolten hatte, gelang ihr der Durchbruch in den katholischen Kantonen und in der Westschweiz, wo sie zuvor besonders stark bäuerlich geprägt war. Hingegen konnte sie in Ständeratswahlen kaum Erfolge verbuchen. Die Gewinne in den Nationalratswahlen gingen zum einen zu Lasten der beiden rechtspopulistischen Splitterparteien der Schweizer Demokraten und der Freiheits-Partei, zum anderen der FDP und CVP. 2003 erlangte die SVP mit der Wahl Blochers auf Kosten der CVP einen zweiten Sitz im Bundesrat.

Anstelle des polarisierenden Amtsinhabers Blocher wurde 2007 die Bündnerin Eveline Widmer-Schlumpf in den Bundesrat gewählt. Deren Wahlannahme veranlasste die Parteileitung zum Ausschluss der Bündner Sektion samt der Bundesrätin aus der nationalen SVP, worauf die Anhänger Widmer-Schlumpfs und weitere Gegner des Zürcher Parteiflügels zunächst in Graubünden und Bern und dann in anderen Kantonen sowie auf nationaler Ebene die Bürgerlich-Demokratische-Partei (BDP) gründeten. Da sich der Berner Bundesrat Samuel Schmid für den Beitritt zur BDP entschied, stellte die SVP von Juni bis Dezember 2008 keinen Bundesrat und nahm damit für kurze Zeit de facto eine Oppositionsrolle ein. Trotz der Abspaltung scheint die SVP, die 2008 einen Ständerats- und vier Nationalratssitze an die BDP verlor, nicht wesentlich geschwächt worden zu sein, erreichte aber in den Wahlen 2011 den Wähleranteil von 2007 nicht mehr.

Resultate der SVP bei den Nationalsratswahlen 1971-2015 (in Prozent)
Resultate der SVP bei den Nationalsratswahlen 1971-2015 (in Prozent) […]

Das Sozialprofil der SVP-Wählerschaft war im Lauf der 1990er und 2000er Jahre bedeutend vielfältiger geworden. Neben der traditionellen Wählerschaft (männlich, alte Mittelschicht, Selbstständigerwerbende, ländliche Gebiete) stimmten nun auch Wähler aus der Arbeiterschaft, unteren Einkommensklassen und städtischen Gebieten für die Partei, darunter auch viele Jungwähler. Wie die Wahlforschung betont, nutzte die SVP systematisch den sogenannten Öffnungs-Abgrenzungs-Konflikt, der seit den 1990er Jahren das Wahl- und Abstimmungsverhalten der Stimmbürger bestimmt, wobei sie mit der Politisierung von Themen wie Migration und europäischer Integration massgeblich zum Aufbrechen dieser neuen Konfliktlinie (cleavage) beigetragen hatte.

Quellen und Literatur

  • B. Junker, Die Bauern auf dem Wege zur Politik, 1968
  • E. Gruner, Die Parteien in der Schweiz, 21977
  • H. Hartmann, F. Horvath, Zivilgesellschaft von rechts, 1995
  • W. Baumann, P. Moser, Bauern im Industriestaat, 1999
  • Der Aufstieg der SVP, hg. von H. Kriesi et al., 2005
  • H.U. Jost, «Tradition und Modernität in der SVP», in Traverse, 2007, H. 1, 25-44
  • D. Skenderovic, «Das rechtspopulist. Parteienlager in der Schweiz», in Traverse, 2007, H. 1, 45-63
  • O. Mazzoleni, Nationalisme et populisme en Suisse, 22008
  • D. Skenderovic, The Radical Right in Switzerland, 2009
  • P. Gottraux, C. Péchu, Militants de l'UDC, 2011
Weblinks
Kurzinformationen
Variante(n)
SVP
Kontext Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB)

Zitiervorschlag

Damir Skenderovic: "Schweizerische Volkspartei (SVP)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.03.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017389/2017-03-20/, konsultiert am 18.03.2024.