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Sozialdemokratische Partei (SP)

Plakat von Carl Scherer für die eidgenössischen Wahlen von 1919 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat von Carl Scherer für die eidgenössischen Wahlen von 1919 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).

Die Sozialdemokratische Partei (SP) entstand – vor dem Hintergrund der Industrialisierung und der sozialen Frage – in einem langen Prozess im Rahmen der Arbeiterbewegung und blieb bis Ende des 20. Jahrhunderts eng mit den Gewerkschaften verbunden. Im 20. Jahrhundert entwickelte sie sich von einer sozialistischen (Sozialismus) zu einer sozialreformerischen Partei. Seit 1959 ununterbrochen im Bundesrat vertreten, steht die SP trotzdem mitunter in Opposition zu den anderen Regierungsparteien.

Anfänge

Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts tauchten meist auf lokaler Ebene Gruppierungen auf, die politische Anliegen der Arbeiter vertraten. Es handelte sich nicht um Parteien, sondern um Organisationen, bei denen Bildung, gegenseitige Unterstützung, Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder Geselligkeit im Vordergrund standen und die bei Wahlen und Abstimmungen vorübergehend eine Parteifunktion übernahmen. Dabei traten sie unter verschiedenen Bezeichnungen auf, oft schlicht als Arbeiterpartei, aber auch als Sozialdemokraten, Sozialisten oder Kommunisten – Begriffe, die anders als im 20. Jahrhundert keine ideologische Differenzierung erlaubten. Pierre Coullery (1849) in Bern sowie Johann Jakob Treichler (1850) und Karl Bürkli (1851) in Zürich schafften als erste Vertreter der Arbeiterbewegung den Einzug in ein Kantonsparlament. Eigene Schwäche und das Mehrheitswahlrecht erlaubten bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts Sitzgewinne meist nur mit Wahlbündnissen. Dabei ergab sich mit dem bürgerlichen Radikalismus einerseits früh eine zum Teil anhaltende Zusammenarbeit, hatten dessen Vertreter doch die Verwirklichung der populärsten Forderungen ausländischer sozialdemokratischer Parteien – vor allem das allgemeine, gleiche direkte Stimm- und Wahlrecht für Männer – mit der Bundesverfassung von 1848 durchgesetzt. Andererseits bildete sich unter diesen Bedingungen eine eigenständige Arbeiterpartei erst relativ spät; die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, die Vorgängerin der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, war 1875 aus dem 1863 gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein und der 1869 gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands (SDAP) hervorgegangen. Ein vom deutschen Vorbild angeregter Gründungsversuch scheiterte 1870. Nach Auflösung des Schweizerischen Arbeiterbunds 1880 gelang wohl die Gründung des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds; die parallel dazu ins Leben gerufene SP, die sich am Eisenacher Programm der SDAP von 1869 orientierte, scheiterte dagegen. Parteiähnliche Arbeitervereine bestanden damals in Genf, Bern, Basel, Zürich, Glarus, Graubünden und in der Uhrenregion Jura.

Die durch die fehlende SP bedingte politische Lücke wurde in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts von zwei Seiten geschlossen. Der Grütliverein bewegte sich nach links und bekannte sich 1892 ideologisch, nicht aber organisatorisch zur Sozialdemokratie. Die Arbeiterunionen beteiligten sich an Wahlen und bildeten dazu Strukturen, die teilweise faktisch einer SP entsprachen. Ein solches Vorgehen erwies sich bis zum Ersten Weltkrieg als vorteilhaft, weil die Arbeiterunionen dank den Gewerkschaften über die nötigen personellen und finanziellen Ressourcen verfügten.

Die partielle Etablierung in den politischen Institutionen

Die dauerhafte Gründung einer schweizerischen SP gelang 1888. Das vom ehemaligen Freisinnigen Albert Steck – der keine Verbindung mit dem internationalen Sozialismus unterhielt – entworfene Programm beinhaltete als Leitgedanken die Organisation der Wirtschaft durch das Volk in Form von Verstaatlichung auf dem Weg von Reformen. Bedeutend verstärkt wurde die SP 1901, als sie sich in der sogenannten Solothurner Hochzeit mit dem Grütliverein vereinigte. Beide Partner behielten aber eigene Strukturen, was zu Reibereien führte. Nachdem die SP 1915 die Auflösung der zentralen Strukturen des Grütlivereins verlangt hatte, beschloss dieser 1916 den Parteiaustritt. Weil sich die SP im Aufwind befand, zeitigte dieser Schritt wenig Wirkung. Die zum Teil heftigen Auseinandersetzungen bei Streiks vergrösserten nach 1900 die Distanz der SP zu den bürgerlichen Parteien allgemein und insbesondere auch zum radikalen Flügel des Freisinns. Diese kam im marxistisch geprägten Parteiprogramm 1904 zum Ausdruck, das erstmals den proletarischen Klassenkampf und die Überführung der Produktionsmittel aus dem Privat- in den Gesellschaftsbesitz enthielt (Marxismus).

Präsidenten und Präsidentinnen der SP

1888-1890Alexander Reichel
1890-1891Albert Steck
1891-1893Eugen Wullschleger
1893-1895Wilhelm Fürholz
1896-1897Karl Zgraggen
1897-1898Paul Brandt
1898-1902Otto Lang
1902-1903Josef Albisser
1903-1909Gottfried Reimann
1909-1910Eduard Kessler
1911-1912Johann Näher
1912-1916Fritz Studer
1916-1917Emil Klöt
1918Jakob Gschwend
1919Gustav Müller
1919-1936Ernst Reinhard
1936-1952Hans Oprecht
1952-1962Walther Bringolf
1962-1970Fritz Grütter
1970-1975Arthur Schmid
1975-1990Helmut Hubacher
1990-1997Peter Bodenmann
1997-2000Ursula Koch
2000-2004Christiane Brunner
2004-2008Hans-Jürg Fehr
2008-Christian Levrat
Präsidenten und Präsidentinnen der SP -  Bernard Degen; Sozialdemokratische Partei

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts etablierte sich die SP zunehmend in politischen Institutionen, wobei sie Mandate nicht selten unter anderen Bezeichnungen wie zum Beispiel Grütliverein oder Arbeiterunion erreichte. Den ersten Sitz im Nationalrat eroberte Jakob Vogelsanger 1890 in Zürich. Es folgten Sitze in kommunalen Exekutiven (Zürich 1892, Bern 1895). Bereits vor dem Ersten Weltkrieg stellte die SP in einigen Gemeinden die Mehrheit (1904 Neuhausen am Rheinfall, 1912 La Chaux-de-Fonds und Le Locle) oder den Gemeinde- bzw. Stadtpräsidenten (Biel 1907). Auch in Kantonsregierungen zog sie um die Jahrhundertwende erstmals ein (1897 Zürich und Genf, 1902 Basel-Stadt), was nicht selten zu heftigen innerparteilichen Konflikten führte, vor allem bei Polizei- und Militäraufgeboten gegen Streikende. Im Unterschied zu den bürgerlichen Parteien integrierte die SP auch Ausländer und Frauen. Der Schweizerische Arbeiterinnenverband trat 1912 der SP bei und löste sich 1917 ganz auf. Als erste Partei forderte die SP am Parteitag 1912 das Frauenstimmrecht. Entsprechende Vorstösse reichte sie 1913 (Motion Huber), 1918 (Motion Greulich) und 1944 (Postulat Oprecht) im eidgenössischen Parlament ein, die allerdings erfolglos blieben. Vor allem nach dem Ersten Weltkrieg unternahmen verschiedene Kantonalparteien ähnliche Schritte.

Zeit der Weltkriege: Ausgrenzung und Integration

Plakat von Paul Wyss für die eidgenössischen Wahlen vom Oktober 1919 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat von Paul Wyss für die eidgenössischen Wahlen vom Oktober 1919 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs stellte sich die SP – wie die meisten Bruderparteien im Ausland – hinter die Regierung. Dieser Burgfrieden hielt aber nicht lange, weil die Behörden die Versorgung der ärmeren Bevölkerung vernachlässigten (Kriegswirtschaft, Rationierung) und den Eingaben von SP und Gewerkschaften kaum Beachtung schenkten. Weil die zweite Internationale bei Kriegsbeginn auseinandergebrochen war, übernahmen Robert Grimm und andere führende Rollen in der Koordination sozialistischer Kriegsgegner mehrerer europäischer Länder (Zimmerwalder Bewegung). Vor allem mit der Armee gerieten die Arbeiterorganisationen in Konflikt, einerseits weil die langen Aufgebote bei fehlendem Erwerbsersatz (Erwerbsersatzordnung) Arbeiterfamilien rasch in Not stürzten, andererseits weil die Soldaten viele Massnahmen der preussisch geprägten Armeespitze als Schikane empfanden und die Armee als Ordnungsmacht in sozialen Konflikten einschritt. Bereits 1915 wurde eine Volksinitiative zur Abschaffung der Militärjustiz beschlossen, die 1921 in der Volksabstimmung klar unterlag. Am Parteitag 1917 lehnte die SP die militärische Landesverteidigung grundsätzlich ab. In der Folge verweigerte sie im Parlament bis 1932 das Militärbudget. Im Oltener Aktionskomitee, das im Landesstreik vom November 1918 die Streikleitung bildete, war die SP mit vier Personen vertreten, welche ein distanziertes Verhältnis zur – ihrer Ansicht nach sich zu passiv verhaltenden – Parteileitung pflegten.

Nach dem Krieg entbrannte in der SP wie in den meisten europäischen Bruderparteien ein heftiger Richtungskampf, dessen vordergründiger Anlass das Verhältnis zur 1919 gegründeten Komintern bot. In zwei Urabstimmungen lehnte die Basis 1919 und 1921 einen Beitritt ab. Im Verlauf dieser Auseinandersetzungen verliess die Parteilinke 1920 den Parteitag und konstituierte sich im März 1921 als Kommunistische Partei. Der Parteitag der SP von 1920 billigte ein neues Programm, das die Kapitalismusanalyse von 1904 durch eine Imperialismuskritik ergänzte, die bürgerliche Demokratie aufgrund der schlechten Erfahrungen im Krieg weit negativer einschätzte, Massenaktionen und politische Streiks als Kampfmittel billigte und nach der Eroberung der Macht eine Diktatur des Proletariats vorsah, die ausdrücklich nicht als Minderheitsregime verstanden wurde.

Sitze und Stärke der SP bei nationalen Wahlen 1919-2015

JahrStänderatNationalratWähleranteil in %
1919 4123,5
192214323,3
192524925,8
1928 5027,4
193124928,7
193535028,0
193934525,9
194355628,6
194754826,2
195144926,0
195555327,0
195945126,4
196335326,6
196725023,5
197144622,9
197555524,9
197995124,4
198364722,8
198754118,4
199134118,5
199555421,8
199965122,5
200395223,3
200794319,5
2011114618,7
2015124318,8
Sitze und Stärke der SP bei nationalen Wahlen 1919-2015 -  Bundesamt für Statistik

Im Verlauf der 1920er Jahre wurde die SP immer stärker. Aus den Nationalratswahlen 1928 ging sie erstmals als wählerstärkste Partei hervor. In städtischen Exekutiven erzielte sie ebenfalls Fortschritte, aus denen die linke Mehrheit in Parlament und Regierung in der Stadt Zürich 1928 («Rotes Zürich») herausragte. Bis Ende der 1920er Jahre zog sie in acht Kantonsregierungen ein. Nach dem Wahlerfolg von 1928 erhob sie Anspruch auf einen Sitz in der Landesregierung und beteiligte sich ab 1929 mit eigenen Kandidaten an den Bundesratswahlen. Von der Weltwirtschaftskrise erhoffte sich die SP zunächst einen deutlichen Gewinn an Anhängern und die Möglichkeit zu wirtschaftlichen Strukturreformen. Der blutige Ausgang der Genfer Unruhen begrub allerdings Ende 1932 diese Hoffnungen. Der Aufschwung der Frontenbewegung und deren anfängliche Zusammenarbeit mit bürgerlichen Parteien (Frontenfrühling) rückte die Sorge um die Demokratie in den Vordergrund. Nachdem sich in Deutschland das NS-Regime etabliert hatte, änderte die SP 1935 in ihrem Programm die Punkte, die Allianzen mit bürgerlichen Parteien am meisten erschwert hatten: Sie strich die Diktatur des Proletariats und bekannte sich zur militärischen Landesverteidigung. Neben dem Konzept einer Linksregierung (Richtlinienbewegung) gewann dasjenige einer Koalitionsregierung mit der bürgerlichen Mitte an Bedeutung – eine auch im Ausland verbreitete und zum Teil selbst von Kommunisten gebilligte Vorstellung (Volksfront). Trotz der programmatischen Konzessionen gewann die SP nur wenige zusätzliche kantonale Regierungssitze und wurde von der bürgerlichen Parlamentsmehrheit weiterhin vom Bundesrat ferngehalten.

Mitgliederzahlen der Sozialdemokratischen Partei
Mitgliederzahlen der Sozialdemokratischen Partei […]

Der Zweite Weltkrieg führte zunächst zu einem inneren Konflikt in der SP, die mehrheitlich mit den anderen demokratischen Kräften klar gegen totalitäre Tendenzen und Regimes Stellung bezog. Weil Léon Nicole zu Kriegsbeginn die sowjetische Strategie – d.h. den Hitler-Stalin-Pakt – billigte, wurde er im September 1939 aus der SP ausgeschlossen. Ihm folgte ein Grossteil der Sozialisten in Genf und in der Waadt, die schon lange mit der schweizerischen Partei im Streit lagen. Sie bildeten die Fédération socialiste suisse (FSS), die 1941 vom Bundesrat verboten und deren vier Nationalräte abgesetzt wurden. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wurde in der Schweiz vorerst trotz mehrerer Rücktritte von Bundesräten keine die SP einschliessende Landesregierung gebildet. Erst nachdem die Linke nach den deutschen Niederlagen im Winter 1942-1943 starken Auftrieb erhalten und bei den eidgenössischen Wahlen 1943 Stimmengewinne erzielt hatte, setzte ein Umdenken ein. Ende 1943 wurde Ernst Nobs als erster Sozialdemokrat zum Bundesrat gewählt. Diese Einbindung öffnete 1944 auf der Linken den Raum für die neue Partei der Arbeit (PdA), der sich neben Kommunisten, der FSS und Parteilosen auch ein Teil des linken Flügels der SP – darunter der Basler Regierungsrat Carl Miville (1891-1981) – anschloss.

Die Bundesratspartei der Nachkriegszeit

Nach dem Krieg erlebte die Linke verglichen mit dem Ausland einen bescheidenen Aufschwung, von dem vor allem die PdA profitierte. In der SP machte sich Enttäuschung über die Bundesratsbeteiligung breit. Als 1953 der 1951 als Nobs Nachfolger gewählte Max Weber nach einer verlorenen Volksabstimmung überraschend zurücktrat, empfanden das viele Parteimitglieder als Erleichterung. Die SP fand allerdings in den folgenden sechs Jahren ohne Vertretung im Bundesrat nicht mehr zu einer wirkungsvollen Oppositionspolitik zurück. Ihre Positionen unterschieden sich kaum mehr von denen der Regierungsparteien. Im Kalten Krieg unterstützte sie die geistige Landesverteidigung und war antisowjetisch sowie antikommunistisch (Antikommunismus). Für eine neue Generation von Sozialdemokraten ersetzte der steigende Lebensstandard die alten Ideale eines entscheidenden Einflusses auf die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. Die parallel zu entsprechenden Entwicklungen im Ausland verlaufenden Bemühungen um eine Revision der Grundsätze mündeten 1959 in einem Programm, das auf bescheidene Reformen im Rahmen des Kapitalismus ausgerichtet war. Um den zentralen Begriff Mensch wurden Forderungen wie Produktivitätssteigerung, Vollbeschäftigung, gerechte Verteilung, Demokratisierung, Steuergerechtigkeit, Konjunktursteuerung, soziale Sicherheit, Chancengleichheit usw. gruppiert. Als gemässigte Oppositionspartei zog die SP 1959 erneut in den Bundesrat ein, diesmal mit zwei Vertretern (Willy Spühler, Hans Peter Tschudi).

In den 1960er Jahren erlaubte die gute Konjunktur den Ausbau der Infrastruktur (u.a. Nationalstrassen) und der Sozialversicherungen, beides Bereiche, für die Tschudi zuständig war. Dies ermöglichte es der SP, sich als Partei der Modernisierung zu profilieren. Die Kritik an gesellschaftlichen Missständen in der Schweiz überliess sie anderen, dem Landesring der Unabhängigen, den neuen ausländerfeindlichen Gruppierungen (u.a. Nationale Aktion), dem Nonkonformismus und gegen Ende der 1960er Jahre der Jugend- und Studentenbewegung. In den eidgenössischen Wahlen 1967 und 1971 erlitt sie starke Wählereinbrüche. Im Tessin spaltete sich 1969 auf der Linken der Partito socialista autonomo ab, der nach beachtlichen Erfolgen 1992 in die Mutterpartei zurückkehrte.

Nachdem die SP der Neuen Linken (Linksradikalismus) zunächst verständnislos oder gar ablehnend gegenübergestanden hatte, nahm sie deren Anliegen ab den 1970er Jahren auf, und Aktivisten der sogenannten Neuen Sozialen Bewegungen schlossen sich ihr an. Die Rezession rückte ab 1974 vorübergehend die Kernkompetenz der SP, die politische Aufarbeitung sozialer Notlagen, in den Vordergrund, was sich in einem Zwischenhoch in der Wählergunst auswirkte. Dann aber prägten Konflikte zwischen dem ganz auf Integration setzenden rechten Flügel und den mit Themen wie Umwelt, Pazifismus oder Feminismus oppositionell politisierenden neuen Strömungen die SP. So beschloss der Parteitag 1976 eine Programmrevision auf der Basis eines Bruchs mit dem Kapitalismus. Das Programm von 1982 nahm diese Formel ebenso auf wie einige neue Themen, artikulierte aber die Gesellschaftskritik stark auf der Ebene der Betroffenheit. Mit den Volksinitiativen für die Einführung einer Reichtumssteuer von 1974 und gegen den Missbrauch des Bankgeheimnisses und der Bankenmacht von 1978 trat die SP wieder offen gegen mächtige Kapital- und Wirtschaftsinteressen an, erlitt aber in den Volksabstimmungen 1977 und 1984 Niederlagen.

Die wichtigsten sozialdemokratischen Pressetitel
Die wichtigsten sozialdemokratischen Pressetitel […]

In den 1980er Jahren öffnete sich die SP noch weiter gegenüber Anliegen der Neuen Sozialen Bewegungen und der Grünen Parteien, was ihr in einer ersten Phase Wählerverluste und bei den eidgenössischen Wahlen 1987 schliesslich den tiefsten Wähleranteil seit der Einführung des Proporzes bescherte. Der rechte Flügel fühlte sich durch diese Entwicklung marginalisiert; in einzelnen Kantonen traten seine Vertreter aus und gründeten die Demokratisch-Soziale Partei, die in Basel von 1982 bis 2009 bestand, anderenorts aber keine grossen Erfolge verzeichnen konnte. Die Nichtwahl von Lilian Uchtenhagen als Bundesrätin, der ersten für dieses Amt vorgeschlagenen Frau, führte Ende 1983 zu einer Grundsatzdiskussion über die Regierungsbeteiligung, ein Thema, das fortan immer wieder auftauchte, unter anderem auch 1993 bei der Nichtwahl der Bundesratskandidatin Christiane Brunner. Innerparteilich besassen Frauen eine starke Stellung, besetzten sie doch zum Beispiel 1997 gleichzeitig das Parteipräsidium, das Fraktionspräsidium und die Leitung des Zentralsekretariats. Noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts verfügten regionale (Sektionen, Kantonalparteien) und institutionell bedingte Strukturen (Parlamentsfraktion, Regierungsmitglieder) über grosse Autonomie. Die Zentrale ist wie bei den anderen Parteien schwach, und selbst Parteitagsbeschlüsse binden Mandatsträger nicht. Spätestens seit den 1990er Jahren ist die SP bezüglich Mitglieder wie Wählerschaft eine Partei der mittleren Angestellten, vor allem solcher des öffentlichen Sektors, und der Intellektuellen. Im Gegensatz zu den übrigen grossen Parteien finanziert sich die SP mehrheitlich über Mitgliederbeiträge.

Quellen und Literatur

  • Sozarch
  • F. Masnata, Le parti socialiste et la tradition démocratique en Suisse, 1963
  • Gruner, Arbeiter
  • O. Scheiben, Krise und Integration, 1987
  • Solidarität, Widerspruch, Bewegung, 1988
  • Gruner, Arbeiterschaft 3
  • B. Degen, Sozialdemokratie, 1993
  • J. Wicki, "On ne monte pas sur les barricades pour réclamer le frigidaire pour tous": histoire sociale et politique du parti socialiste vaudois (1945-1971), 2007
Weblinks
Kurzinformationen
Variante(n)
SP
Kontext Fédération socialiste suisse (FSS)

Zitiervorschlag

Bernard Degen: "Sozialdemokratische Partei (SP)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.03.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017393/2017-03-10/, konsultiert am 19.03.2024.