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Freiheit

Freiheit ist ein positiv besetzter Grundbegriff der Philosophie, der Theologie, der Politik und des Rechts. Er bedeutet ganz allgemein die Unabhängigkeit von äusseren und inneren Zwängen. In den modernen liberalen Demokratien hat der Freiheitsbegriff viel von seiner gesellschaftlich-emanzipatorischen Kraft eingebüsst. Er ist im 20. Jahrhundert zunehmend auch von der politischen Rechten vereinnahmt und so in einen Gegensatz zu den Begriffen der Gleichheit und Gerechtigkeit gerückt worden, mit denen er traditionell verknüpft ist.

Die mittelalterliche Tradition

Im Mittelalter wurde Freiheit – gewöhnlich im Plural – in der römisch-rechtlichen Tradition als Abwesenheit von Zwängen verstanden. Freiheiten kamen in dieser Sicht dem Einzelnen oder der Gruppe rechtmässig zu und konnten vererbt, verliehen, erworben, usurpiert und ersessen werden. Das Gewohnheitsrecht schützte unter anderem Freiräume, die durch in Vergessenheit geratene Zwänge und Abgaben entstanden waren. In der spätmittelalterlichen Terminologie wurden Freiheiten meist mit Privilegien (libertates), verliehenen Rechten oder der Exemtion von Pflichten gleichgesetzt. Entsprechend hoch war denn auch die Bedeutungsvielfalt des Begriffs.

So meinte Freiheit etwa vorbehaltene Rechte im Sinne von geschützten Räumen. Als Freiheiten wurden des Weiteren Freistätten bezeichnet, Orte also, die einem Verfolgten Asyl und Immunität gewährten. In diesem Sinne wurden auch zollfreie Räume Freiheiten genannt, zum Beispiel Zollfreilager bei Messen. Auch Personengruppen wie etwa die Freischar beim militärischen Auszug hiessen Freiheiten. Schliesslich bezeichnete man gelegentlich auch Gruppen, die ausserhalb von Recht und Schutz standen, als Freiheit, also Bettler, Landstreicher und Narren. Eine Freiheit konnte durchaus das Recht einschliessen, über andere zu herrschen.

Im Gebiet der späteren Schweiz erhielt der Begriff Freiheit neben der in ganz Europa gängigen Bezeichnung für Privilegien eine weitere Dimension: Freiheit meinte einen personalrechtlichen Status, der die Freien, d.h. die nicht persönlich abhängigen Männer (Leibeigenschaft), von Hörigen, Eigenleuten und Vasallen (Vasallität) unterschied. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts erweiterte sich der ursprünglich kleine Kreis von Freien durch individuelle und kollektive Loskäufe, sodass man für die Zeit nach 1400 wohl alle in den Innerschweizer Talschaften lebenden Menschen als frei bezeichnen kann.

Parallel dazu weichten die im Spätmittelalter erworbenen und ausgeweiteten Privilegien der Städte und ländlichen Gemeinden und Korporationen im Gebiet der entstehenden Eidgenossenschaft die traditionellen feudalrechtlichen Abhängigkeiten von Land und Leuten sukzessive auf (Feudalismus). Die Verantwortung als Grundlage der kommunalen Herrschaftsverwaltung (Herrschaftsrechte) lag nun bei den Freien, die autonom über ihr Eigentum verfügen konnten. Die unmittelbar vom Reich privilegierten Städte und Kommunen setzten nach der grossen Krise des 14. Jahrhunderts ihre territoriale Vorherrschaft durch und verdrängten die alte Adelshierarchie, deren Bedeutung rapide sank. In diesem langen und nie völlig abgeschlossenen Transformationsprozess verloren die Lehnsverhältnisse (Lehnswesen) an Bedeutung. Diese Erosion der feudalen Rechtsordnung lief parallel zur Entstehung einer kommunal geprägten Territorialherrschaft. Freiheit und Eigentum waren folglich die Voraussetzungen, um an der korporativen Herrschaftsausübung Anteil haben zu können.

Freiheitsideologie der frühen Neuzeit

Vor diesem Hintergrund wurde die Freiheit in den eidgenössischen Städten und Orten bereits im Spätmittelalter zu einem zentralen Begriff der politischen Auseinandersetzung. In den vielfältigen Konflikten erhielt er nun eine grundsätzliche Dimension, welche die traditionellen Bedeutungsfelder von Privileg und wohlerworbenem Recht sprengten. Die Freiheit wurde zum Kernbegriff der eidgenössischen politischen Identität sowohl für die Eidgenossen selbst als auch – oft auch negativ konnotiert – für ihre wechselnden Gegner.

Das Deuten der eigenen Geschichte als legitimen Befreiungsakt und das Postulat einer vorfeudalen, uralten schweizerischen Freiheit bildeten im ausgehenden 15. Jahrhundert einen ersten Höhepunkt der eidgenössischen Selbstdefinition. Vor dem Hintergrund der im gesamten Reich ab dem 14. Jahrhundert einsetzenden Repression gegen Verschwörungen und Eidgenossenschaften (conjurationes) kam dem ideologisch überhöhten Freiheitsbegriff eine eminente Legitimationsfunktion zu: Freiheit wurde zum ursprünglichen Zustand aller Talschaften der Innerschweiz erklärt. Die Befreiungsgeschichte hatte die rechtmässige Wiederherstellung dieser Ordnung zum Inhalt (Befreiungstradition).

Die Kommunen der Eidgenossenschaft knüpften zudem an den Diskurs des Humanismus um Republik und Monarchie an, der sich ab dem 14. Jahrhundert im Umfeld der norditalienischen Stadtrepubliken etabliert hatte. Der Rückgriff auf das römische Vorbild fand in gelehrten Kreisen Verbreitung, die eigene Freiheit wurde zur römischen in Parallele gesetzt, und die Rede vom freien Bürger und Bauern, der sich weder Fürst noch Adel beuge, zum geflügelten Wort. Besonders Niccolò Machiavelli (1469-1527) machte den Mythos der libera libertà der Schweizer in der gebildeten Welt bekannt. Das idealisierte Bild der Schweizer Freiheit findet sich auch in den Argumentationen wieder, die anlässlich der zu Beginn der Frühneuzeit auftretenden ländlichen Unruhen geführt wurden. In den Bauernkriegen beschworen und verteufelten die gegnerischen Parteien diese Freiheitsideale, die zum Gemeingut aller Schweizer geworden waren.

Die einsetzende Entfremdung der eidgenössischen Orte vom Heiligen Römischen Reich im 16. Jahrhundert förderte den Ausbau eines republikanischen Bewusstseins, das sich auch in Graubünden und im Wallis wiederfindet. In dessen Zentrum standen die Freiheit und Autonomie des Gemeinwesens, die ab dem 17. Jahrhundert als Souveränität bezeichnet wurden. Die formelle Loslösung der Eidgenossen vom Reich 1648 bildete den sichtbaren Abschluss dieser Entwicklung. In dieser Zeit erlebte das republikanische Gedankengut in Europa einen Höhepunkt. Der Ausbau republikanischer Strukturen in den Niederlanden und die Zeit des Commonwealth in England nach 1649 hatten die republikanische Verfassungsform vom kuriosen Randphänomen zum Politikum werden lassen. Eine ganze Reihe gescheiterter republikanischer Umstürze berief sich auf das eidgenössische Vorbild. Das Wort des französischen Ministers Colbert verdeutlicht, dass die Freiheitstradition der Schweizer als gefährlich eingestuft wurde: «Les républiques font des conquestes, non par les armes, mais par les mauvais exemples de leur liberté; les Suisses, exemple.»

Diesem aufrührerischen Bild der schweizerischen Freiheit wurde die Freiheit des republikanisch-obrigkeitlichen Souveräns gegenübergestellt, der allein die Ordnung und Sicherheit des Gemeinwesens durchsetzen und garantieren könne. In dieser Sicht stand die Freiheit der souveränen Obrigkeit über den Freiheiten ihrer Untergebenen oder Untertanen. Ihre daraus abgeleitete Handlungsautonomie stand aber im Widerspruch zur traditionellen Auffassung von Freiheit als Gesamtheit von wohlerworbenen Rechten einzelner Gemeinden und Korporationen. Ländliche Gemeinden und städtische Zünfte stemmten sich immer wieder gegen den Ausbau des modernen Staates, gegen Steuern und Rechtsvereinheitlichungen. Das gesamte Ancien Régime war von ländlichen und städtischen Unruhen geprägt. Vor dem Hintergrund der Aristokratisierung und des Kompetenzausbaus des Staates standen sich verschiedene Auffassungen von kommunaler Freiheit einerseits und republikanischer Freiheit andererseits gegenüber.

Dieser permanente Konflikt bremste und behinderte in der Eidgenossenschaft den Ausbau obrigkeitlicher Institutionen nach dem Vorbild der Nachbarstaaten. Der Aufbau stehender Heere und einer umfangreichen Beamtenschaft war nicht realisierbar, während eine weitgehende korporative und kommunale Selbstverwaltung sowie das militärische Milizsystem erhalten blieben. Aber gerade die schwache staatliche Modernität wurde von Reisenden und bald auch von den Schweizern selbst schon im 17. Jahrhundert als Beleg für die sogenannte natürliche schweizerische Freiheit gewertet.

Der moderne Freiheitsbegriff

Ab dem ausgehenden 17. Jahrhundert wurde in Europa das Postulat nach der unveräusserlichen, individuellen Freiheit rezipiert, das vor allem englische und niederländische Staatsdenker erhoben. Diese individuelle Freiheit wurde als natürlich und der Gesellschaft vorgängig gesehen. Sie wurde nicht als erworbener, gesellschaftlicher Freiraum verstanden, sondern als politisches Programm auch in der Schweiz als naturrechtlich gegebene Voraussetzung gesellschaftlicher Vereinigung konzipiert. Auf der Suche nach den Spuren der ursprünglichen Freiheit stiess die Aufklärung auch auf die Schweiz; man glaubte, dass an diesem von den Alpen geschützten Ort die Menschen dem ursprünglichen Naturzustand noch nahe sein müssten. Die aufkommende Schweizbegeisterung der Aufklärer ist auch Ausdruck eines neuen Freiheitsbegriffs, der Zivilisationskritik, Naturbegeisterung und politische Erneuerungssehnsüchte verband. Albrecht von Hallers Formulierung in seinem Gedicht «Die Alpen» (1729) wurde für zwei Jahrhunderte zur immer wieder variierten Standardformel: «Dann, wo die Freiheit herrscht, wird alle Mühe minder / Die Felsen selbst beblümt und Boreas gelinder».

«Ansicht der kleinen Insel Altstadt im Luzernersee». Kolorierte Umrissradierung, herausgegeben von Christian von Mechel, 1786 (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett; Fotografie Martin Bühler).
«Ansicht der kleinen Insel Altstadt im Luzernersee». Kolorierte Umrissradierung, herausgegeben von Christian von Mechel, 1786 (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett; Fotografie Martin Bühler). […]

Im 18. Jahrhundert wurden die Begriffe Freiheit, Demokratie und Republik zunehmend zusammengedacht: Diese Engführung hatte bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts Gültigkeit. Demokratische und freiheitliche Institutionen schienen nur im Rahmen der Republik realisierbar; der im 18. Jahrhundert aufkommende deutsche Begriff Freistaat für Republik ist Ausdruck dieses Konzepts. Doch präzise Aufzählungen der bürgerlichen Freiheiten finden sich nur selten. Friedrich Münch nannte 1783 – wohl unter dem Eindruck der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung – die Gewissens-, Gewerbe-, Gedanken- und Handlungsfreiheit als den Republiken eigen. Staatliche Herrschaft war in dieser Betrachtungsweise nur dann legitim, wenn sie diese ursprünglichen individuellen Freiheitsrechte garantierte und schützte.

Der eidgenössische politische Diskurs war im 18. Jahrhundert durch die Überlagerung verschiedener Freiheitsbegriffe gekennzeichnet. Der Begriff Freiheit war allgegenwärtig, konnte aber republikanische Souveränität, althergebrachtes Recht oder naturrechtliche Kategorie bedeuten. Tief verankert war die Überzeugung, dass die schweizerische Freiheit ein durch besondere Leistungen erworbener Rechtsstatus war; das neue Postulat der Freiheit als angeborenes Menschenrecht wurde dazu im Widerspruch gesehen.

Vor dem Hintergrund dieses neuen naturrechtlichen Freiheitsbegriffs, der nun rasch an Terrain gewann, wurden bestehende Abhängigkeiten immer häufiger als grundsätzlicher Mangel an Freiheit erlebt. In Untertanenaufständen und Unruhen innerhalb der Führungsschichten prallten diese gegensätzlichen Vorstellungen aufeinander. Doch eine politische Auseinandersetzung mit den neuen Forderungen fand kaum statt; Ansätze zu institutionellen Reformen, die dem modernen Freiheitsbegriff entgegenkamen, erfolgten erst unter dem Druck der Französischen Revolution, doch zu zaghaft und zu spät, wie sich zeigen sollte.

Von der Revolution zum Bundesstaat

Mit dem Katalog der unveräusserlichen Freiheiten der Amerikanischen und Französischen Revolution wurde die deutlich männlich konnotierte Freiheit zum modernen politischen Handlungsbegriff. In der Menschenrechtserklärung von 1789 figurierte die Freiheit neben der Sicherheit, dem Eigentum und dem Widerstandsrecht an erster Stelle der individuellen Menschenrechte.

Auch die Verfassung der Helvetischen Republik postulierte 1798 die natürliche Freiheit des Menschen als unveräusserlich, als Grundlage der Rechtsgleichheit und als Schutz vor Willkür. Für die praktische Umsetzung war aber ein konkreter Katalog der einzelnen Freiheitsrechte notwendig. Die Verfassung vom 12. April 1798 führte die Gewissens- und die Pressefreiheit auf. Auf Gesetzesebene folgten im gleichen Jahr die Handels- und Gewerbefreiheit. Damit war ein Kanon definiert, der mit der Regeneration Eingang in die Kantonsverfassungen fand. In unterschiedlicher Formulierung und Reichweite wurden neben der persönlichen Freiheit folgende Hauptbereiche definiert: Eigentumsfreiheit, Handels- und Gewerbefreiheit, Niederlassungsfreiheit, Versammlungs-, Vereins- und Petitionsfreiheit (Petitionsrecht), Presse- und Unterrichtsfreiheit. Die Gewissens- und Religionsfreiheit wurde zwar von einigen Kantonen proklamiert, allerdings meist beschränkt auf das christliche Bekenntnis und mit vielen Auflagen verbunden. Diese konfessionellen Vorbehalte verhinderten die Ehefreiheit.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Schweiz mit den im übrigen Europa gescheiterten Revolutionen gleichsam zu einer freiheitlichen Insel. Die Bundesverfassung von 1848 garantierte die Presse-, Petitions- und Vereinsfreiheit; die Religionsfreiheit für nichtchristliche Konfessionen und die Niederlassungsfreiheit wurden hingegen den kantonalen Bestimmungen überlassen. Die Verfassungsrevision von 1874 hob die Mehrzahl der konfessionellen Sonderbestimmungen (ohne die Kloster- und Jesuitenartikel) auf und garantierte eine unbedingte Glaubens- und Gewissensfreiheit auch für nichtchristliche Bekenntnisse. Damit entfiel die Einschränkung der Niederlassungsfreiheit, und die Einführung der Zivilehe garantierte nun auch die Ehefreiheit.

Vom Freiheitskatalog zu den Grundrechten

Im 19. und 20. Jahrhundert war der Begriff der Freiheit in der Schweiz einem dreifachen Bedeutungswandel unterworfen. Erstens wurde der Begriff im Bereich der internationalen Verflechtungen eng mit jenem der Unabhängigkeit und Neutralität verknüpft. Die Ideologie des Sonderfalls verband Freiheit, Neutralität und aussenpolitische Abstinenz zur politischen Maxime. Zweitens stellten Gemeinden und Kantone hinsichtlich ihrer Autonomie gegenüber der Eidgenossenschaft Ansprüche auf Freiräume. Hier wurde der Begriff der Freiheit mit jenem des Föderalismus verknüpft. Drittens veränderte sich mit den sozialpolitischen staatlichen Zielsetzungen, die sich ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert gewandelt hatten, auch das Verhältnis von Freiheit und Staat. Einerseits blieb das philosophische Postulat einer vom Staat unantastbaren Freiheit bestehen, andererseits wurde der Staat nun konkret verpflichtet, den Rahmen der Freiheit zu schaffen, also die Entfaltung des Einzelnen unabhängig von sozialer Stellung, Alter und Geschlecht zu ermöglichen. Im sozialpolitischen Diskurs des 20. Jahrhunderts trafen denn auch regelmässig die beiden seit der Französischen Revolution diskutierten Freiheitskonzeptionen aufeinander: Freiheit vom Staat und Freiheit durch den Staat.

Der Katalog der Freiheiten und Grundrechte wurde nicht nur durch Verfassungsänderungen, sondern massgeblich durch die Rechtspraxis ausgebaut, womit ungeschriebene Grundrechte und -freiheiten wie die Sprachenfreiheit und die Adaptation der Pressefreiheit an neue Medien Rechtskraft erhielten. Der 1974 erfolgte Beitritt der Schweiz zur Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte den schweizerischen Katalog der Grundrechte und Freiheiten im internationalen Kontext. Eine vorläufige Bilanz dieser Entwicklungen findet sich in der 1999 revidierten Bundesverfassung. Die geltenden Rechte und Freiheiten, die sich seit 1874 herausgebildet haben, sind dort im Kapitel Grundrechte aufgeführt. Neu sind die Artikel Sprachen-, Wissenschafts-, Kunst- und Koalitionsfreiheit. Eine neue Dimension der persönlichen Freiheit ergibt sich aus der garantierten Rechtsgleichheit und dem Anspruch auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind (Art. 12). Dieser Freiheit zufolge, die nicht Voraussetzung der Gemeinschaft ist, sondern aus ihr resultiert, ist nur frei, wer seine Freiheit auch gebrauchen kann.

Symbole der Freiheit

Der Sprung Wilhelm Tells. Radierung nach einer Jugendzeichnung Johann Heinrich Füsslis, veröffentlicht 1775 in der vierten Auflage der Schweizer Lieder von Johann Kaspar Lavater, dort Seite 120 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Der Sprung Wilhelm Tells. Radierung nach einer Jugendzeichnung Johann Heinrich Füsslis, veröffentlicht 1775 in der vierten Auflage der Schweizer Lieder von Johann Kaspar Lavater, dort Seite 120 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Die schweizerische Ikonografie der Freiheit im Ancien Régime griff auf die antike Tradition zurück und komponierte zudem ein Bild der Freiheit aus den Darstellungen der eidgenössischen Befreiungstradition. Die phrygische Mütze als gelehrtes Zeichen der altrömischen republikanischen Freiheit findet sich vornehmlich auf Münzen und Medaillen, nahm aber im republikanischen Alltag oft auch die Form eines bürgerlichen Hutes an. Im Tellenhut, einer Umdeutung des Unterdrückung symbolisierenden Gesslerhutes, verband sich so die römische Tradition mit der eigenen Befreiungsgeschichte. Die Personifikationen der Eidgenossenschaft und ihrer Orte – etwa Helvetia, Berna, Basilea – waren der altrömischen libertas nachgebildet und trugen auch deren Attribute. Die Freiheit trat meist gemeinsam mit Symbolen der Einigkeit und Eintracht im Kontext der republikanischen Tugenden auf. Neben der weit verbreiteten weiblichen Personifikation der Freiheit findet sich vereinzelt auch Herkules.

Schon im 16. Jahrhundert erlaubte der Rückgriff auf die Befreiungstradition, der schweizerischen Freiheit ein unverwechselbares Bild zu geben. Die Helden der Gründungsmythen, vor allem aber Wilhelm Tell, wurden zu eigentlichen Symbolen, die das ganze Bedeutungsfeld von Freiheit abdeckten. Ab dem 18. Jahrhundert wurde die Darstellung Tells weit über die Eidgenossenschaft hinaus zum freiheitlichen Sinnbild des Kampfes gegen Willkür und Unterdrückung. Albrecht von Haller und Jean-Jacques Rousseau erklärten die Berge zum Gleichnis der Freiheit. Die Alpenwelt als geschützter Hort einer ursprünglichen Freiheit findet sich bis ins 20. Jahrhundert in der schweizerischen Bilderwelt. Als neues Symbol der Freiheit kam im Verlauf der Helvetischen Revolution die grüne Farbe hinzu, die sich in den Wappen der damals neuen Kantone Waadt, Thurgau und St. Gallen erhalten hat. Auch die Trikolore der Helvetischen Republik nahm grün als dritte Farbe neben Gelb (Reverenz an Uri) und Rot (Reverenz an Schwyz) auf. Der Freiheitsbaum wurde 1798 – und wiederum 1830 – zum Symbol der Revolution und der neuen bürgerlichen Freiheit

Im 19. Jahrhundert finden sich oft eine bewusste Abkehr von der Darstellung einer revolutionär konnotierten Freiheit sowie die Wiederbelebung der Gründungsgeschichte und der Bilder der Eintracht. Die eidgenössische Münzprägung und die Briefmarken zeugen von dieser Zurückhaltung. Eine eigene Ikonografie entstand um das Bild der freien und wehrhaften Schweiz. Der Wehrmann und seine Waffe wurden mit Tell und der Armbrust in Beziehung gesetzt. Schliesslich entstand im Ersten Weltkrieg und danach das Bild der Schweiz als Insel der Freiheit und des Friedens inmitten einer als bedrohlich empfundenen Welt (Geistige Landesverteidigung).

Quellen und Literatur

  • Idiotikon 1, 1256-1269
  • «Freiheit», in Geschichtl. Grundbegriffe 2, hg. von O. Brunner et al., 1975, 425-542
  • H.C. Peyer, Verfassung
  • P. Saladin, Grundrechte im Wandel, 31983
  • T.A. Brady, Turning Swiss, 1985
  • J.F. Poudret, Libertés et franchises dans les pays romands au Moyen Age, 1986
  • P. Bierbrauer, «Die Freiheitsvorstellungen der Bauern im Berner Oberland (1300-1800)», in BZGH 50, 1988, 149-164
  • P. Blickle, «Friede und Verfassung. Voraussetzungen und Folgen der Eidgenossenschaft von 1291», in Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft 1, 1990, 15-202
  • G.P. Marchal, «Die "Alten Eidgenossen" im Wandel der Zeiten. Das Bild der frühen Eidgenossen im Traditionsbewusstsein und in der Identitätsvorstellung der Schweizer vom 15. bis 20. Jh.», in Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft 2, 1990, 307-403
  • Zeichen der Freiheit, hg. von G. Germann et al., Ausstellungskat., 1991
  • A. Kölz, Neuere schweiz. Verfassungsgesch., 2 Bde., 1992
  • M. Weishaupt, Bauern, Hirten und "frume edle puren", 1992
  • T. Maissen, «Petrus Valkeniers republikan. Sendung. Die niederländ. Prägung des neuzeitl. schweiz. Staatsverständnisses», in SZG 48, 1998, 149-176
  • Republikan. Tugend, hg. von M. Böhler et al., 2000
  • U. Hafner, Republik im Konflikt, 2001
  • R.C. Head, Demokratie im frühneuzeitl. Graubünden, 2001 (engl. 1995)
Weblinks

Zitiervorschlag

François de Capitani: "Freiheit", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.02.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017468/2008-02-20/, konsultiert am 19.03.2024.