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HenryDunant

Fotografie von Henry Dunant, um 1864 (Bibliothèque de Genève).
Fotografie von Henry Dunant, um 1864 (Bibliothèque de Genève).

8.5.1828 Genf, 30.10.1910 Heiden, reformiert, von Genf, 1859 in Frankreich eingebürgert. Sohn des Jean-Jacques, Kaufmanns, und der Anne Antoinette geborene Colladon. Bruder des Pierre-Louis (->). Ledig. Mit 14 Jahren verliess Henry Dunant das Gymnasium. 1849 arbeitete er als Lehrling, später im Angestelltenverhältnis bei den Geldwechslern Lullin und Sautter. Aus Mitgefühl mit den Notleidenden engagierte sich Dunant unter dem Einfluss des Genfer Réveil in philanthropischen und religiösen Bewegungen. 1852 rief er in Genf den Christlichen Verein Junger Männer ins Leben und beteiligte sich 1855 an der Schaffung des Weltbundes der Christlichen Vereine Junger Männer. Als Angestellter der von Lullin und Sautter mitbegründeten Compagnie genevoise des colonies suisses de Sétif war Dunant ab 1853 in Algerien tätig. Er beschloss, daneben ein eigenes Unternehmen aufzubauen und gründete 1858 die Mühlengesellschaft von Mons-Djémila. Dunant wollte Napoleon III. seine Projekte in Algerien persönlich vorstellen und folgte ihm nach Italien, wo er 1859 mit Schrecken die Auswirkungen der Schlacht von Solferino zur Kenntnis nehmen musste. Nach Genf zurückgekehrt, schrieb er "Eine Erinnerung an Solferino" (französisch 1862, deutsch 1895), worin er dazu aufrief, in allen Ländern Europas Hilfsgesellschaften für Verwundete zu schaffen und "gestützt auf einen vertragsmässig festgelegten und unantastbaren internationalen Grundsatz" freiwillige Helfer und militärische Sanitäter zu schützen. Auf Veranlassung von Gustave Moynier, dem Präsidenten der Genfer Gemeinnützigen Gesellschaft, wurde im Februar 1863 das Comité international de secours aux militaires blessés (Rotes Kreuz) gegründet, in dem Dunant Sekretär war. Nach dem Kongress über Statistik in Berlin vom September 1863 forderte Dunant im Hinblick auf eine im Oktober stattfindende internationale Konferenz in Genf in einem Memorandum einen neutralen Status für Verwundete und Sanitätspersonal in Kriegszeiten. Im März 1864 gründete er das Genfer Rote Kreuz und erwirkte später mit Unterstützung Napoleons III. in Paris die Schaffung der französischen Hilfsgesellschaft für Verwundete. An der im August 1864 vom Bundesrat in Genf einberufenen diplomatischen Konferenz wurde, einem weiteren Wunsch Dunants entsprechend, die erste Genfer Konvention verabschiedet. Dunant reiste durch Europa, um für die Ideale des Roten Kreuzes zu werben. Seine Geschäfte in Algerien liefen aber zusehends schlechter und die im April 1867 erfolgte Auflösung des daran beteiligten Crédit genevois, dessen Verwaltungsrat Dunant angehörte, führte zu einem Skandal. Im August 1867 wurde Dunant zum Rücktritt aus dem Comité international aufgefordert.

Porträt von Henry Dunant. Lithografie Nr. 473 von 1895 aus der Schweizerischen Portrait-Gallerie, erschienen 1888-1907 bei Orell Füssli in Zürich (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Porträt von Henry Dunant. Lithografie Nr. 473 von 1895 aus der Schweizerischen Portrait-Gallerie, erschienen 1888-1907 bei Orell Füssli in Zürich (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).

Im März 1867 verliess Dunant Genf für immer. Er verstärkte seine Aktivitäten, baute seine Beziehungen in Paris und England aus, arbeitete an der Ausweitung der Genfer Konvention auf die Seeleute und gründete eine Gesellschaft zur Verbesserung des Loses der Kriegsgefangenen. Während der Belagerung von Paris 1870-1871 half er der Zivilbevölkerung und bemühte sich um Gefangenenbesuche und um die Freilassung von Geiseln. Daneben engagierte er sich unter anderem für den Zionismus und für das Bildungswesen (Projekt einer internationalen Universalbibliothek). Nach seinem finanziellen Ruin lebte Dunant in bitterer Not. Dank einer von seinem Onkel bezahlten jährlichen Rente konnte er sich 1887 in Heiden niederlassen, zunächst in der Pension Paradis, ab 1892 in der Klinik des Arztes Hermann Altherr. Dort machte ihn 1895 der Journalist Georg Baumberger ausfindig, der mit seinen Artikeln in der schweizerischen und in der deutschen Presse eine grosse Welle der Sympathie auslöste, was zahlreiche Besuche, Hilfsangebote und Auszeichnungen zu Folge hatte. 1897 wurde Dunant vom Bundesrat der Binet-Fendt-Preis verliehen, 1901 erhielt er gemeinsam mit dem französischen Pazifisten Frédéric Passy den Friedensnobelpreis. In seinen letzten Jahren verfasste er einen Friedensappell, der unveröffentlicht blieb, sowie eine Geschichte über die Anfänge des Roten Kreuzes. Diese wurde von Dunants Freund Rudolf Müller ins Deutsche übersetzt und 1897 publiziert. Als vielschichtige Persönlichkeit wurde Dunant sowohl geehrt wie auch verschmäht.

Quellen und Literatur

  • Un souvenir de Solférino, 1862, (zahlreiche Neuaufl., darunter 7 zu D.s Lebzeiten; übersetzt in 21 Sprachen)
  • AEG
  • BPUG
  • A. François, «Un grand humanitaire», in Revue internationale de la Croix-Rouge, März 1928, 203-244
  • W. Heudtlass, J. Henry Dunant, Gründer des Roten Kreuzes, Urheber der Genfer Konvention, 1962
  • P. Boissier, «Henry Dunant», in Revue internationale de la Croix-Rouge, Aug. 1974, 443-464
  • Bulletin de la Société Henry Dunant, 1975-
  • J.-D. Candaux, «Pour une nouvelle lecture des "Mémoires" d'Henry Dunant», in SZG 28, 1978, 72-96
  • Henri Dunant e le origini della Croce Rossa, hg. von L. Firpo, 1979
  • J. Pous, Henry Dunant, l'Algérien ou le mirage colonial, 1979
  • G. Mützenberg, Henry Dunant, le prédestiné, 1984
  • A. Durand, «L'évolution de l'idée de paix dans la pensée d'Henry Dunant», in Collection Henry D., 1988
  • De l'utopie à la réalité, hg. von R. Durand, 1988
  • R. Durand, Henry Dunant und die Ostschweiz, 1992
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF
Kurzinformationen
Familiäre Zugehörigkeit
Lebensdaten ∗︎ 8.5.1828 ✝︎ 30.10.1910

Zitiervorschlag

Jean de Senarclens: "Dunant, Henry", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.11.2024, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/019082/2024-11-11/, konsultiert am 09.12.2024.