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vonNeuenburg

Mittelalterliche Hochadelsfamilie, die gemäss Überlieferung Anfang des 11. Jahrhunderts von Ulrich von Fenis (zwischen 1015 und 1020) begründet wurde. Auch wenn historische und archäologische Indizien auf diese agnatische Abstammung hinweisen, bleibt sie umstritten, weil eindeutige Belege über die Anfänge der Genealogie der Herren von Neuenburg fehlen. Der erste bekannte Vertreter Rudolf I. (ab 1125 erwähnt, um 1149) war mit seinem Bruder Mangold Mitherr von Neuenburg und wurde 1143 durch seine Heirat mit Emma de Glâne Herr von Arconciel. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts nahm die Familie den scheinbar verlassenen Burghügel von Neuenburg in Besitz und liess repräsentative Bauten errichten. So erstellte sie die Stiftskirche, und sie restaurierte und vergrösserte die Residenz, die der Burgunderkönig Rudolf III. 1011 seiner künftigen Frau geschenkt hatte. Ulrich II. (um 1140 erwähnt, 1191/1192), der Sohn Rudolfs I., dehnte seinen Einfluss in Richtung des Jurabogens aus, liess sich in Neuenburg nieder und festigte so das Herrschaftszentrum der Familie. Seine Söhne Rudolf II. (->) und Ulrich III. (->) sind im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts als Grafen belegt und nannten sich endgültig von Neuenburg. Die Kastvogteirechte über Münchenwiler, Môtiers und die Abtei St. Johannsen in Erlach begünstigten den Aufstieg der Dynastie wesentlich. Die Neuenburg förderten diverse kirchliche Einrichtungen wie die Abteien Erlach, Hauterive und Fontaine-André. Sie stellten einen Bischof von Lausanne (Berthold ->) und einen Bischof von Basel (Heinrich ->). 1214 verliehen die beiden Mitherren Ulrich III. und sein Neffe Berchtold (->) Neuenburg das Stadtrecht. Um 1218 teilten sie den Familienbesitz unter sich auf: Ulrich III. erhielt den deutsch-, Berchtold den französischsprachigen Teil der Herrschaft. Durch eine nächste Teilung begründeten die Söhne Ulrichs III. die neuen Linien Nidau, Strassberg und Aarberg (Aarberg-Aarberg und Aarberg-Valangin).

Am Sitz in Neuenburg sicherten Berchtold und seine Nachkommen den Fortbestand der Stammlinie. Den Grafentitel trugen sie nach der Erbteilung vorübergehend nicht. Im Osten der ihnen verbliebenen Herrschaft geschwächt, verstärkten die Neuenburger im 13. Jahrhundert ihre Präsenz im Val-de-Travers und dehnten ihren Einfluss auf die Dörfer am linken Ufer des Neuenburgersees bis Vaumarcus aus. An der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert festigten die Neuenburger ihre Position entscheidend, obwohl sie nach 1288 nicht mehr unmittelbare Vasallen des Königs waren, sondern Lehensempfänger der Herren von Chalon-Arlay. Rudolf IV. (->), genannt Rollin, siegte wiederholt über die Brüder von Aarberg und führte nach 1296 wieder den Grafentitel. Das erlaubte ihm, die Hoheitsrechte über die Herrschaft Valangin zu sichern. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts festigte die Familie, nachdem sie auf Druck des Fürstbischofs von Basel jahrzehntelang zurückgewichen war, die Ostgrenze der Grafschaft Neuenburg (die spätere Grenze zum Kanton Bern), indem sie Le Landeron in der Nähe des fürstbischöflichen La Neuveville gründete.

Die Grabstätte der Grafen in der Stiftskirche Neuenburg. Zeichnung und Aquarell von Ludwig Vogel, 1820 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich).
Die Grabstätte der Grafen in der Stiftskirche Neuenburg. Zeichnung und Aquarell von Ludwig Vogel, 1820 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich). […]

Umgeben von mächtigen Nachbarn, verfolgten die Grafen von Neuenburg eine nach allen Seiten gerichtete Bündnis- und Huldigungspolitik, um ihre Herrschaft und ihre Unabhängigkeit zu sichern. Vom Ende des 13. Jahrhunderts an schlossen sie mit mehreren Städten Burgrechtsverträge, so 1290 mit Freiburg, 1306 mit Biel und 1308 mit Bern. Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts huldigte Ludwig (->) dem Herrn von Chalon (1357), dem Herzog von Österreich (1359) und dem Grafen von Savoyen (1360). Durch eine geschickte Heiratspolitik dehnten die Neuenburger ihre Herrschaft in die ehemalige Grafschaft Waadt aus, wo sie La Sarraz, Champvent und Vugelles-la-Mothe zeitweilig kontrollierten. Die Heirat Ludwigs mit Jeanne de Montfaucon 1325 stärkte auch die Bindung mit der Freigrafschaft Burgund. Die Neuenburger waren nicht nur die Herren Dutzender Lehensleute, sondern übten als Vögte über verschiedene Herrschaften zwischen dem Val de Morteau und Besançon unmittelbar Macht aus. Sie festigten ihre Stellung nach innen, indem sie Boudry (1343) und Le Landeron (1350) Stadtrechte gewährten, ebenso wie gegen Savoyen, Bern und das Fürstbistum Basel. Ludwig und sein Sohn Johann (1334-1369) begannen auch eine Karriere als Militärunternehmer (Condottieri), die indes mit grossen Schulden und dem Tod Johanns in Gefangenschaft endete. 1372 liess Ludwig in der Neuenburger Stiftskirche eine Grabstätte für sich und seine Familie errichten, ein bedeutendes spätmittelalterliches Werk in der Schweiz.

Weil Ludwig ohne legitimen männlichen Erben 1373 starb, fiel das Erbe der Tochter Isabella (->) zu. Sie zog die meisten der von den Verwandten gehaltenen Lehen ein, übergab aber die Herrschaft Vaumarcus Girard (um 1400), dem unehelichen Sohn ihres Bruders Johann, um den agnatischen Fortbestand der Familie zu sichern. Aus dieser Linie stammten Simon (->), Lancelot (->) und Claude (->), der Begründer der Linie Neuenburg-Gorgier. Mit dem Tod Isabellas 1395 erlosch der rechtmässige Zweig der von Neuenburg. Die Grafschaft ging an Konrad von Freiburg, Isabellas Neffen und Sohn ihrer Schwester Varenne (oder Verena).

Quellen und Literatur

  • GHS 1, 101, 104-117, 407 (mit Stammtaf.)
  • J. Courvoisier, Panorama de l'histoire neuchâteloise, 1972 (Neuaufl. 1978)
  • M. de Tribolet, «La fondation du prieuré de Corcelles et les origines de la maison de Neuchâtel (1092)», in Publication du Centre européen d'études burgondo-médianes 17, 1976, 33-41
  • Hist.NE 1, 177-185, 210, 285-299 (mit Genealogie)
  • J.-C. Rebetez, «1296: la bataille de Coffrane, une date clef dans l'histoire des relations entre les comtes de Neuchâtel, les seigneurs de Valangin et les évêques de Bâle», in MN, 1996, 131-143
  • J.-D. Morerod, «La zone d'influence d'Ulric II dans l'Arc jurassien et la genèse du comté de Neuchâtel (1140-1191)», in RHN, 1999, 237-246
  • J.-D. Morerod, «Comment fonder une principauté d'Empire?: les signes manifestes du pouvoir comtal à Neuchâtel», in La Suisse occidentale et l'Empire, hg. von J.-D. Morerod et al., 2004, 137-163
  • J.-D. Morerod et al., «Un comte Rodolphe de Neuchâtel attesté au tournant des XIe et XIIe siècle?», in RHN, 2011, 199-204

Zitiervorschlag

Lionel Bartolini: "Neuenburg, von", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.11.2010, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/019528/2010-11-04/, konsultiert am 14.02.2025.