29.11.1803 Altona (heute Hamburg), 15.5.1879 Rom, reformiert, Däne, später Deutscher, ab 1861 von Affoltern am Albis. 1835 Bertha Thimmig. Aus einer begüterten Altonaer Fabrikantenfamilie. Gottfried Semper studierte in Göttingen (Mathematik), München und Paris. Sein Hauptlehrer in Paris war Franz Christian Gau, der mit Jakob Ignaz Hittorff, dem Entdecker der antiken Architekturpolychromie, befreundet war. Auf seiner Grand Tour (1830-1834) durch Italien und Griechenland konnte Semper die fehlenden Belege für die Richtigkeit von Hittorffs Theorie beibringen: Er fand sowohl am Parthenon in Athen als auch an der Trajanssäule in Rom überzeugende Farbspuren. Seine Schrift «Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architektur und Plastik bei den Alten» (1834) entschied den Polychromiestreit zu Gunsten Hittorffs und bewirkte, dass Semper auf Empfehlung Gaus noch im Herbst 1834 zum Professor für Architektur an der Kunstakademie in Dresden ernannt wurde. Hier machte er mit seiner Planung für eine Erweiterung des Zwingerforums im römischen Sinne und vor allem mit dem Bau des Hoftheaters 1836-1841 von sich reden. 1846 übernahm er die Projektierung der Dresdner Gemäldegalerie. Vor ihrer Vollendung zwang ihn die Niederschlagung der Revolution von 1849 zur Flucht. Semper liess sich in London nieder, wo er sich intensiv mit der Rolle des Gewerbes in der Architektur- und Kunstproduktion sowie mit der Weltausstellung von 1851 und ihren Folgen für die Kunsterziehung auseinandersetzte. Der nach Zürich geflüchtete Richard Wagner wies die Gründer des Eidgenössischen Polytechnikums in Zürich (seit 1911 ETH) auf Semper hin. 1854 wurde Semper an das 1855 eröffnete Polytechnikum berufen.
Während seiner Zürcher Jahre baute er unter anderem das heutige Hauptgebäude der ETH (1859-1864, mit Johann Kaspar Wolff), das Stadthaus in Winterthur (1865-1869, durch einen Anbau 1932-1934 stark beeinträchtigt), die Eidgenössische Sternwarte in Zürich (1861-1864) und den neuen Kirchturm in Affoltern am Albis (1861), der ihm das Bürgerrecht von Affoltern eintrug. Die ins Stocken geratene Planung des Festspielhauses für Richard Wagners Opern in München (1865-1869) enttäuschte Semper. Als ihm gemeinsam mit Carl Hasenauer 1869 die Projektierung und der Bau der Erweiterung der kaiserlichen Hofburg in Wien (Neue Burg, Hofmuseen und Burgtheater) angeboten wurde, liess er sich 1871 in Wien nieder. Die Zusammenarbeit mit Hasenauer erwies sich für Semper aus vielen Gründen als unerfreulich. Entnervt liess er sich 1876 von seinen Verpflichtungen entbinden und widmete sich ganz der Fertigstellung der Semperoper in Dresden, nachdem das von ihm errichtete Hoftheater 1869 abgebrannt war. Das 1985 nach der Beschädigung durch den Zweiten Weltkrieg wieder eröffnete Opernhaus ist Sempers «Schwanengesang» und enthält fast alle seine Erkenntnisse bezüglich der Reform der Theaterarchitektur.
Semper gilt als einer der grossen Anreger der Architekturentwicklung im 20. Jahrhundert. Auf die Dauer wirkten allerdings nicht in erster Linie seine Bauten, die im 19. Jahrhundert insbesondere für eine ganze Generation von Sempers Zürcher Schülern Vorbildcharakter hatten, sondern seine Schriften. Zentral war sein 1860-1863 in zwei Bänden erschienenes Hauptwerk «Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten, oder praktische Aesthetik», auf das die niederländische Bewegung «de Stijl» direkten Bezug nahm.