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Treytorrens

Die Familie Treytorrens besass ab dem 12. Jahrhundert verschiedene Herrschaften in der Waadt, darunter das Dorf Treytorrens mit dem Familiensitz. Ihre Vertreter waren Bürger von Yverdon, Estavayer, Payerne, Moudon, Cudrefin und Bern und betätigten sich in Seelsorge, Bildung, Wissenschaft und fremden Diensten sowie vereinzelt im Überseehandel und in der kolonialen Plantagenwirtschaft.

Schloss Treytorrens. Links: Ansicht von Norden, Fotografie von Claude Bornand, 2010; rechts: Querschnitt der Südfassade, Zeichnung der NOR architectes et Archéotech SA, 2010 (Etat de Vaud, Documentation MAH-PBC).
Schloss Treytorrens. Links: Ansicht von Norden, Fotografie von Claude Bornand, 2010; rechts: Querschnitt der Südfassade, Zeichnung der NOR architectes et Archéotech SA, 2010 (Etat de Vaud, Documentation MAH-PBC). […]

Mehrere Familienmitglieder spielten eine wichtige politische Rolle für das Haus Savoyen sowie in verschiedenen Gemeinden, insbesondere Yverdon, Payerne und Cudrefin. Ihre frühesten bekannten Vertreter sind die 1160 erstmals erwähnten Ritter Uldriod und Renaud. Ende des 14. Jahrhunderts kaufte Cuénet die zwischenzeitlich an die Bonvillars übergegangene Herrschaft Treytorrens zurück, die auf halbem Weg zwischen Yverdon, Estavayer und Moudon lag. 1543 verkaufte François de Treytorrens, letzter Vertreter der Linie von Estavayer und Enkel des François de Treytorrens, die Herrschaft an den Freiburger Bürger Pierre Morel. Mermod, Enkel eines Uldriod, war um 1338 Notar in Yverdon und gründete den lokalen Familienzweig der Treytorrens, aus dessen Reihen ein Henri als Gubernator von Yverdon die Stadt 1536 gegen die Berner verteidigte. Seine Nachkommen arbeiteten später mit den neuen Herren zusammen. Henris Sohn Légier de Treytorrens (1552-1618) wirkte in Yverdon nacheinander als Rat, Bürgermeister, Bannerherr, Kastlan sowie als Untervogt und diente Bern mehrfach in offizieller Mission. Ab 1695 versahen verschiedene Familienmitglieder auch lange Zeit die Aufsicht über die städtischen Bäder.

Etliche Angehörige profilierten sich in den Bereichen Bildung, Religion und Wissenschaft. Nicolas Samuel de Treytorrens, Meier von Cudrefin, wurde 1717 auf Lebenszeit verbannt, weil er die Pietisten und Täufer verteidigt hatte. Der Pfarrer und Mathematiker Pierre-Jacob de Treytorrens (1691-1760) wurde 1718 gleichzeitig mit seinem Cousin und Kollegen François-Frédéric de Treytorrens korrespondierendes Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften. Der Sohn von Letzterem, Louis de Treytorrens, hatte eine Professur für Philosophie an der Lausanner Akademie inne. Der Bankangestellte François-Benjamin de Treytorrens (1735-1816) schliesslich war für kurze Zeit Sekretär von Voltaire in Ferney (wohl zwischen 1761 und 1765), dann Hauslehrer in Irland und Landwirt in Eclagnens.

Knapp 30 Abkömmlinge der Familie standen im Solddienst für Frankreich, England, die Niederlande, Schweden, Dänemark, Savoyen, Preussen, Spanien und verschiedene deutsche Fürstentümer (Fremde Dienste). Guillaume de Treytorrens (vor 1482-ca. 1545) verhandelte 1521 mit Zürich über Söldneraushebungen für Frankreich und wurde als Hauptmann der Leibgarde von Franz I. 1525 bei Pavia gefangen genommen, später gegen Lösegeld wieder freigelassen. Der an der Pest verstorbene François Treytorrens, Bruder des Albert Treytorrens, galt als einflussreicher Militäringenieur. Isaac Treytorrens (1603-1645) diente zuerst Schweden, dann dem Herzog von Sachsen-Weimar, wechselte erneut zu Schweden und diente zuletzt Frankreich als Oberst mit eigenem Regiment. Als Oberaufseher der Befestigungsanlagen errichtete er die Festungen von Luxemburg, Thionville in Lothringen und Breisach im Breisgau. Er fiel bei der Belagerung von Bourbourg in Nordfrankreich. Abraham Treytorrens, Offizier in spanischen Diensten, wurde Gouverneur von Messina auf Sizilien.

Einige Vertreter der Treytorrens liessen sich für Kolonialtruppen in Übersee anwerben (Kolonialismus), betätigten sich im Überseehandel oder wurden Plantagenbesitzer (Suriname, Saint-Domingue). Jean-Philippe de Treytorrens (1650-1704) gehörte den Truppen an, die 1672-1689 in Niederländisch-Ostindien (Indonesien) eingesetzt wurden. Frédéric de Treytorrens (1696-1735) besass eine Plantage in Suriname, die er nach seinem Tod im entfernten Niederländisch-Ostindien seinem Neffen François-Marc de Treytorrens (1709-1739) vererbte, der später in dieser Kolonie starb. Die Zwillinge Daniel-Emmanuel und François-Sébastien de Treytorrens (1719-1747) wanderten gemeinsam nach Batavia (Jakarta) aus, wo sie zur gleichen Zeit starben, ohne dass etwas über ihre dortigen Tätigkeiten bekannt wäre. Ihr Bruder David-Philippe de Treytorrens, Offizier in französischen Diensten, war in Saint-Domingue (Haiti) stationiert und erreichte dort den Dienstgrad eines Generalmajors im Rang eines Oberstleutnants. Ein weiterer Bruder, Nicolas-Louis de Treytorrens (1723-1756), war zuerst Page von Prinz Heinrich, dem Bruder von Friedrich II. von Preussen, und anschliessend Offizier in französischen Diensten in Saint-Domingue, wo er die Witwe eines Plantagenbesitzers heiratete. Mehrere Familienmitglieder liessen sich ausserdem in Marseille nieder, wo sie mutmasslich ein Seehandelsunternehmen unter der Federführung von Henri-François de Treytorrens – einem weiteren Bruder der zuvor genannten Geschwister – ins Leben riefen. Etwa von 1773 bis 1780 versuchte sich dieser als Kaufmann und Reeder zwischen Mokka im Jemen und der Ile de France (Mauritius). 1777 wurde die Iris, eines seiner Schiffe, von den Engländern gekapert.

Vue de la ville de Yverdon du Côté du Midi. Ansicht der Stadt Yverdon von Süden und Detailansicht des Gehöfts der Familie Treytorrens. Aquarell, Gouache und Tinte auf Vergé-Papier, von Jean-Jacques Berthoud de Plancemont, 1755 (Musée d’Yverdon et région, 1.A.2.8).
Vue de la ville de Yverdon du Côté du Midi. Ansicht der Stadt Yverdon von Süden und Detailansicht des Gehöfts der Familie Treytorrens. Aquarell, Gouache und Tinte auf Vergé-Papier, von Jean-Jacques Berthoud de Plancemont, 1755 (Musée d’Yverdon et région, 1.A.2.8). […]

Die männliche Linie der Familie starb mit Henri de Treytorrens (1783-1858) aus, dem letzten Nachkommen des Zweigs von Cudrefin. Henriette-Elisabeth-Hélène (1837-1917) vom Zweig Cudrefin-Yverdon war die letzte Trägerin des Namens de Treytorrens. Ihre Tante Eugénie de Treytorrens (1785-1856), die um 1812-1813 zum Katholizismus konvertiert war, ging eine turbulente Liebes- und Intellektuellenbeziehung mit dem Walliser Rechtsanwalt und Notar Charles d'Odet ein. Ihre Korrespondenz der Jahre 1812-1817 wurde  veröffentlicht.

Quellen und Literatur

Zitiervorschlag

Olivier Pavillon: "Treytorrens", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.08.2024, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/020647/2024-08-22/, konsultiert am 07.10.2024.