3.9.1739 Muggio, 3.3.1818 Gorgonzola (Lombardo-Venezianisches Königreich), katholisch, von Muggio. Auf kunsthandwerkliche Arbeiten (Maestranze) spezialisierter Architekt, der vor allem in der Lombardei tätig war.

Simone Cantoni war der Sohn des Pietro Lorenzo Cantoni, Baumeisters und Gutsverwalters der mächtigen Genueser Adelsfamilie Brignole Sale, und der Anna Gianazzi. Beide Eltern stammten aus Muggio, dem Geburtsort von Simone und seiner älteren Schwester Maria Antonia Cantoni. Noch als Kind zog er mit seiner Familie nach Genua, wo sein jüngerer Bruder Gaetano Cantoni zur Welt kam, der später ebenfalls Architekt und Professor an der Accademia ligustica di belle arti werden sollte. Anfang 1787, nach Erhalt der erforderlichen päpstlichen Approbation, heirateten Simone und Gaetano Cantoni ihre Nichten Maria Giuseppa und Anna Fontana, die Töchter ihrer Schwester Maria Antonia und des Giuseppe Fontana, der ebenfalls als Kunsthandwerker in der Fremde tätig war. Diese Doppelehe zwischen Blutsverwandten, ein zwar nicht häufiges, aber durchaus übliches Phänomen, ist Ausdruck eines Rückzugs der Familie auf sich selbst, um der Zersplitterung ihres Erbes entgegenzuwirken. Während Gaetano und Anna kinderlos blieben, verloren Simone und Maria Giuseppa 1790 ihr einziges Kind Maria Antonia im Alter von nur zwei Jahren. Der Muggio-Zweig der Cantoni blieb somit ohne direkte Erben.
Simone Cantoni war der letzte Nachkomme eines angesehenen Baumeistergeschlechts, das seit dem 16. Jahrhundert im Dienst der Republik Genua und des Adels der Stadt tätig war. In den Beruf eingeführt wurde er nach eigenen Angaben 1753 von seinem Vater. Seine ersten Architekturkenntnisse eignete er sich im Rahmen der traditionellen Werkstattlehre an. Diese umfasste zwar neben empirischen Fertigkeiten auch präzise theoretische Kenntnisse und künstlerisches Geschick im Zeichnen, war aber bereits weitgehend durch das akademische Studium abgelöst worden, das für eine vollständige und zeitgemässe Ausbildung unerlässlich geworden war. Cantoni ergriff deshalb die Gelegenheit, seine Ausbildung in Rom zu vertiefen, wo er sich 1756-1762 in einem kosmopolitischen und geistig anregenden Umfeld dem Antikenstudium und der Mathematik widmete. Er bewegte sich im Umfeld der Accademia di San Luca und freundete sich mit dem englischen Architekten George Dance dem Jüngeren an, der sich ebenfalls dem Klassizismus verpflichtet fühlte, sowie mit dem spanischen Archäologen Francesco La Vega, der später die Ausgrabungen in Pompeji leiten sollte. Mit beiden Freunden pflegte er Zeit seines Lebens einen regen Briefwechsel.
Nach einem Aufenthalt bei seiner Familie in Genua schloss er seine Ausbildung in Parma ab. 1766 gewann er den ersten Preis im Architekturwettbewerb der renommierten Accademia di belle arti. Seine Kontakte zum universitären Umfeld in Parma hielt er aufrecht, bis er 1768 beschloss, sich in Mailand niederzulassen. Seine Erwartung, offizieller Architekt des Erzherzogs Ferdinand Karl Anton von Habsburg-Lothringen, Generalgouverneur der Lombardei, zu werden, zerschlug sich allerdings 1769, als ihm Giuseppe Piermarini vorgezogen wurde. Diese Zurückweisung machte Cantoni zu schaffen, doch gelang es ihm stattdessen, sich in den nächsten Jahren ein bedeutendes Netz von illustren Auftraggebern aufzubauen.

Nach 1770 vervielfachte sich die Zahl seiner Bauprojekte, vor allem infolge der Anfragen lombardischer Adelsfamilien, die seine Dienste für ihre Stadt- und Ferienhäuser in Anspruch nahmen. Zu den besonders erwähnenswerten Werken gehören die architektonischen Interventionen an den Palästen Serbelloni und Pertusati in Mailand, Vailetti (heute bekannt als Medolago Albani) in Bergamo, Somigliana in Valmorea, Raimondi in Fino Mornasco und Giovio in Como; zudem die Bauarbeiten an einigen Landhäusern in der Brianza und in der Gegend von Como wie die Villen Gallarati Scotti in Oreno, Giovio in Breccia, Rosales Cigalini in Bernate und Mugiasca (heute bekannt als Villa Greppi) in der Fraktion Mosino der Gemeinde Villa Guardia.
Als einzige grössere Arbeit ausserhalb der heutigen Lombardei renovierte er 1778-1783 die Fassade und die Räume des Palazzo Ducale in Genua, die 1777 durch einen Brand zerstört worden waren. Cantoni leitete das komplexe Renovierungsprojekt aus der Ferne und vertraute sowohl bei der Baustruktur als auch bei den meisten Dekorationsarbeiten der Innenräume auf die Fachkenntnisse der Kunsthandwerker (Maestranze) aus dem Valle di Muggio. Dieses Vorgehen bewährte sich auch in Mailand und Como, insbesondere in der Villa Olmo, dem Anwesen des Markgrafen Innocenzo Odescalchi am Comersee, das als eines der repräsentativsten seiner Karriere gilt. Auch dieses komplexe Projekt, an dem Cantoni 1782-1789 und 1796 arbeitete, zeugt von seiner akademisch-akribischen Planung mit Liebe zum Detail, die sich in der Harmonie von Gesamtsicht, Ausstattung und Mobiliar niederschlägt, und bestätigt in seiner Bauweise das ausgewogene Nebeneinander von neuen und traditionellen Stilelementen.

Nach der Emanzipation der Vogteien Mendrisio und Lugano 1798 engagierte sich Simone Cantoni in der Regierung des Kantons Lugano und vertrat seine Heimatregion, das Mendrisiotto, zwischen Juli 1798 und Februar 1801 als Mitglied der Verwaltungskammer. Darüber hinaus bezeugte er seine Verwurzelung mit dem Valle di Muggio, indem er in seinem Wohnsitz in Muggio eine Halle zu Ehren der Meister der Architektur einrichtete, sowie verschiedene bauliche Eingriffe an Kirchen in Morbio Superiore, Sagno, Cabbio und Bruzella vornahm. Neben der Erneuerung weiterer sakraler Gebäude entwarf und baute er etwa den monumentalen Kirchenkomplex in Gorgonzola, der von der Familie Serbelloni in Auftrag gegeben worden war. Bei der Besichtigung der Baustelle der dortigen Pfarrkirche verstarb Simone Cantoni im Jahr 1818. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts geriet sein Werk allmählich in Vergessenheit, bis eine Reihe von Aufsätzen ab den 1950er Jahren seine Person in ein radikal neues Licht rückten. Neuere monografische Studien würdigen seine Rolle bei der Entwicklung des Klassizismus und seinen Beitrag zu dessen Durchsetzung in der Lombardei zur Zeit der Aufklärung.
