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Burgen und Schlösser

Unter dem Begriff Burg ist grundsätzlich eine hoch- und spätmittelalterliche Wehranlage zu verstehen, die gleichzeitig Angehörigen der Oberschicht (Adel) als Wohnsitz diente, den Mittelpunkt eines herrschaftlich organisierten Güter- und Rechtsverbands sowie eines Wirtschaftsbetriebs bildete und mit ihren Bauformen Stand, Macht und legitime Herrschaft repräsentierte. In den lateinischen Quellen werden solche Anlagen meist als castrum, seltener als castellum, fortalicium oder munitio bezeichnet. Neben den Begriff Burg traten vom 13. Jahrhundert an die Synonyme Schloss, Haus oder Feste. Vom 15. Jahrhundert an verband sich der Begriff Schloss immer häufiger mit bestimmten Burgnamen (z.B. Schloss Wildenstein). In der modernen Fachterminologie bedeutet Burg den mittelalterlichen Wehrbau, Schloss den neuzeitlichen Herrensitz ohne ausgesprochenen Wehrcharakter. Wehr- und Sperrfunktionen kamen auch verschiedenen anderen Formen von Befestigungen zu.

Forschungsgeschichte

Militär-, rechts- und verfassungsgeschichtliche Untersuchungen über die mittelalterlichen Burgen nehmen im 19. Jahrhundert ihren Anfang. Von der Kunstgeschichte und der Denkmalpflege eher vernachlässigt, fielen die Burgen und Schlösser lange Zeit vorwiegend in den Interessenbereich von Lokalforschern. Einer der ersten Burgenforscher war Albert Naef, der um 1900 Schloss Chillon untersuchte und restaurierte bzw. rekonstruierte. Seit 1927 befasst sich der Schweizerische Burgenverein mit der Erhaltung und Erforschung der Burgen und Schlösser in der Schweiz. Archäologische Untersuchungsmethoden wurden erstmals 1911-1916 auf Schloss Hallwyl angewandt, setzten sich aber allgemein erst nach 1950 durch. Heute gehört die Schweiz zu den führenden Nationen in der archäologischen Burgenforschung.

Quellenlage

Schriftliche Nachrichten über Burgen setzten vereinzelt im 10./11. Jahrhundert ein und erreichten vom 13. Jahrhundert an eine grössere Dichte. Urkundliche Ersterwähnungen erfolgten oft zufällig und nicht selten lange nach der Gründung, deren Zeitpunkt in solchen Fällen nur mit archäologischen Mitteln schlüssig bestimmt werden kann. Die sichtbaren Bauten stammen nicht unbedingt aus der Gründungszeit. Viele Burgen wurden von der schriftlichen Überlieferung überhaupt nicht erfasst, weshalb Name und Besitzer unsicher blieben. Bildquellen zeigen bis ins 15. Jahrhundert schematische, generalisierende Darstellungen (Siegel, Miniaturen, Ritzzeichnungen von Fracstein). Naturalistische Abbildungen beginnen um 1500 mit dem Dornacher Schlachtholzschnitt. Die vielen Sagen und Legenden über Burgen, die meist von bösen Zwingherren oder vergrabenen Schätzen handeln, sind mehrheitlich ohne historischen Aussagewert.

Schlacht von Dornach. Kolorierter Holzstich eines unbekannten Künstlers, um 1500 (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett; Fotografie Martin Bühler).
Schlacht von Dornach. Kolorierter Holzstich eines unbekannten Künstlers, um 1500 (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett; Fotografie Martin Bühler). […]

Burgenbau und Herrschaftsbildung im Hochmittelalter

Zwischen dem 10. und dem 15. Jahrhundert sind im Gebiet der Schweiz ca. 2000 Burgen entstanden. Nicht alle existierten gleichzeitig, manche wurden verlassen, bevor andere errichtet wurden. Die intensivste Bautätigkeit fällt in das 13. Jahrhundert. Nach 1350 erfolgten nur noch wenige Neugründungen. Ihre Errichtung ist aufs engste mit dem Prozess der mittelalterlichen Herrschaftsbildung verbunden. Als Zentren herrschaftlicher Güterkomplexe übernahmen sie vom 10. Jahrhundert an die Funktion der frühmittelalterlichen Herrenhöfe (Fronhof). Letztere wurden oft durch Burgen abseits der dörflichen Siedlungen ersetzt oder direkt zu Burgen umgestaltet. Viele Burgen entstanden im Rahmen herrschaftlichen Landesausbaus.

Früheste Träger des Burgenbaus waren edelfreie und gräfliche Familiengruppen. Vom 12. Jahrhundert an beteiligten sich ländliche und städtische Kleinadlige (Ritter, Edelknechte, Ministerialen) immer häufiger daran, teils selbstständig auf gerodetem Allod, teils als Vasallen und Dienstleute von landesherrlichen Machthabern. Das ursprünglich königliche, später landesherrliche Regal des Befestigungsrechts führte im savoyischen Machtbereich im 13. Jahrhundert, in der übrigen Schweiz vom 14. Jahrhundert an zu einer territorialpolitischen Kontrolle des Burgenbaus (Territorialherrschaft). Landesherrliche Burgen wurden als Verwaltungszentren, zum Teil in umstrittenen Grenzzonen, errichtet und von Vögten (Vogteien) oder Kastlanen bewohnt. Manche Burgengründungen erwiesen sich als Fehlschläge und blieben unvollendet (z.B. Loppburg, Gemeinde Hergiswil NW). Durch vertragliche Teilung oder durch vorsorglichen Kauf des Baugeländes konnten Bauprojekte auch verhindert werden.

Hauptfunktionen

Die hochmittelalterliche Burg ist als Mehrzweckbau zu verstehen, an den ganz unterschiedliche Funktionen gebunden waren. Äusserlich am auffälligsten erscheint die Wehrhaftigkeit. Diese ist rein defensiv zu definieren, im Sinne der Verteidigung der Burgbewohner, ihrer in der Burg verwahrten Habe und der an die Burg gebundenen Herrschaftsrechte. Grössere Burgen dienten in Kriegszeiten auch als Fluchtplätze für die Untertanen. Je nach Topografie, Bauweise, Besatzung und Ausstattung zeichneten sich im Verteidigungswert grosse Unterschiede ab. Die wenigsten Burgen waren in der Lage, einer systematischen Belagerung standzuhalten. Eine taktische oder gar strategische Beherrschung des Umgeländes ging im Gebiet der Schweiz von kaum einer Burg aus. Grossanlagen, die bedeutende Truppenkontingente hätten aufnehmen können, sind in der Schweiz nur mit Bellinzona und vielleicht mit Saint-Triphon belegt.

Die Wohnfunktion ist dank archäologischen Befunden deutlich fassbar. Auf einer durchschnittlichen Burg lebten 15-25 Leute, bestehend aus der Familie des Burgherrn, dem Gesinde und wenigen Kriegsknechten. Bewohnbare Räume wurden mit offenem Kaminfeuer oder mit Kachelöfen beheizt. Je nach Grösse der Anlage sind Küche, Stube (Kemenate), Schlafkammern und Vorratsräume (Keller) zu unterscheiden.

Die Wehrhaftigkeit diente nicht nur der praktischen Verteidigung, sondern auch der Repräsentation. Grössere Anlagen verfügten über Säle für festliche oder herrschaftliche Anlässe (sogenannte Rittersäle). Den repräsentativen Palas, der Architektur der Pfalzen nachgebildet, findet man nur auf Residenzen landesherrlicher Machthaber.

In den Schriftquellen nur schwach belegt ist die wirtschaftliche Rolle der Burgen. Grabungsbefunde bezeugen eine intensive landwirtschaftliche, auf Acker-, Garten- und Weinbau, vor allem aber auf Viehhaltung (Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde) ausgerichtete Tätigkeit. Diese diente der Selbstversorgung und der Belieferung von nahen Märkten. In den frühen Grossanlagen entfaltete sich eine handwerkliche Produktion (u.a. Eisengewerbe), die mit dem Aufkommen der Stadt im 13. Jahrhundert verschwand.

Die Burg als Herrschafts- und Verwaltungsmittelpunkt tritt archäologisch kaum in Erscheinung, umso deutlicher in den Schriftquellen. Ausser den grundherrlichen Rechten (Grundherrschaft) sind vor allem die Zoll- und Geleitrechte zu nennen. Manche Burgen waren als Zollstätten eingerichtet. Konflikte um Burgen wurden – gerichtlich oder kriegerisch – meist um die an die Burg gebundenen Herrschafts- und Besitzrechte ausgetragen. Diese konnten eine Burg auch dann noch zum Wertobjekt machen, wenn die Anlage bereits zerfallen war.

Sakralfunktionen sind nicht auf allen Burgen nachzuweisen. Burgkapellen, teils als selbstständige Baukörper, teils integriert in die Wohnbauten, gab es nur auf grösseren Anlagen. Vereinzelt erhoben sich Pfarrkirchen im Wehrbezirk grösserer Burgen, vor allem in Rätien, wo frühmittelalterliche Grundlagen anzunehmen sind (z.B. Hohenrätien). Eine Sonderrolle spielten die als Fluchtplätze für die Bevölkerung konzipierten Wehrkirchen des Spätmittelalters (z.B. Muttenz) sowie die Niederlassungen der Ritterorden, in denen Burg- und Klosterfunktionen vereinigt waren.

Burgnamengebung

Frühe Burgen trugen oft den Namen der nächsten Siedlung (z.B. Pfeffingen). Auch jüngere, in eine Stadt oder ein Dorf integrierte Anlagen wurden nach dem betreffenden Ort genannt, vor allem in der französischen und italienischen Schweiz (z.B. Frauenfeld, Giornico, Miécourt). Typische Grundwörter von zusammengesetzten Burgnamen im deutschsprachigen Raum sind -burg, -berg, -fels, -stein, -eck/egg, -au, -see und -werd. Die Grundwörter Burg und Berg bilden alte Synonyme. Bis ins Spätmittelalter war -burg deutlich seltener als -berg (Frohburg, Kyburg), setzte sich aber vom 15. Jahrhundert an gegenüber -berg immer mehr durch (z.B. Löwenberg zu Löwenburg). Kulturgeschichtlich von grossem Interesse sind die Bestimmungswörter der zusammengesetzten Burgnamen. Viele nehmen auf alte Flurnamen Bezug (Farnsberg), andere auf Elemente der ritterlichen Kultur, auf die Jagd (Falkenstein), auf die Heraldik (Gilgenberg) oder auf gehobenen Lebensstil (Freudenberg, Frohburg). Neben Prunknamen gibt es Namen mit Trutzcharakter (Starkenstein, Wildenstein). Nach grossen Umbauten oder Besitzänderungen konnten Namenswechsel eintreten (z.B. Bello zu Thierstein).

Burg und Stadt

Bei Gründungsstädten des 12.-14. Jahrhunderts findet sich – meist an der Peripherie – oft eine Burg als Sitz des Stadtherrn oder seines Stellvertreters (Diessenhofen, Regensberg, Romont FR). Aus den vorburgartigen Siedlungen unterhalb einer Burg konnten sich durch die Erteilung von Privilegien kleine Städte (Burgstädtchen) entwickeln (Bellinzona, Saillon, Werdenberg). Landesherrliche Residenzburgen waren vom 12. Jahrhundert an stets mit Städten verbunden (Burgdorf, Neuenburg, Rapperswil SG). Dies gilt auch für die bischöflichen Residenzen (Chur, Pruntrut, Sitten). Stadtsässige Adlige bauten sich, vom Stadtherrn nur bedingt kontrollierbar, innerhalb der Stadtmauern kleine Burgen (sogenannte Geschlechtertürme). Landesherrliche Kleinstädte erhielten durch den hohen Anteil an ritterlichen Dienstleuten, die über Burglehen zur Verteidigung verpflichtet waren, den Charakter von Grossburgen (Laufen BL, Liestal).

Entwicklung der baulichen Gestalt im 10.-14. Jahrhundert

Entsprechend der kulturräumlichen Gliederung der Schweiz im Mittelalter bildeten sich im Burgenbau auffallende regionale Unterschiede heraus, die von natürlichen Voraussetzungen (Landschaft, Baumaterial) mitgeprägt waren. Niederungsburgen auf Inseln, in Sümpfen und künstlichen Weihern (Weiherhäuser) finden sich naturgemäss mehrheitlich in flachen Talböden. Im Gebiet der Schweiz überwiegen die auf unterschiedlich geformten Hügeln und Felsen errichteten Höhenburgen. Charakteristisch für Gebirgszonen sind die Höhlen- und Grottenburgen (Casa dei Pagani).

Ausser in topografischen Extremsituationen wurde die Burg durch Annäherungshindernisse (Trocken- und Wassergräben, Wälle) vom Umfeld abgetrennt. Der frühe Burgentyp der Holz- und Erdburg, oft auf künstlich angeschüttetem Hügel errichtet (Motte), findet sich vorwiegend in der Deutschschweiz. Er verschwand hier im Lauf des 12. und 13. Jahrhunderts, abgelöst durch Steinbauten aus Mörtelmauerwerk, wie sie bereits um 1000 vorkamen (Frohburg). In Rätien und im Tessin, vielleicht auch in der französischen Schweiz, bestand eine Steinbaukontinuität seit der Antike.

Die Festung von Aarburg. Aquarellierte Radierung von Samuel Weibel, 1804 (Staatsarchiv Aargau, Aarau, Grafische Sammlung, GS/01065-1).
Die Festung von Aarburg. Aquarellierte Radierung von Samuel Weibel, 1804 (Staatsarchiv Aargau, Aarau, Grafische Sammlung, GS/01065-1). […]

Im 11./12. Jahrhundert setzten sich monumentale Bauformen durch, zum Teil orientiert an der Pfalzenarchitektur. Aus Stein wurden einerseits die wehrhaften Umfassungsmauern errichtet, hinter denen sich die Wohn- und Wirtschaftsbauten verbargen (Mantelmauerburg), andererseits die oft turmartig proportionierten, zu Wohn-, Wehr- und Repräsentationszwecken dienenden Hauptbauten (Bergfried, Wohnturm, Donjon, Palas). Im savoyischen Machtbereich dominierte vom 13. Jahrhundert an der runde Hauptturm. Neben die horizontale Gliederung, die sich im Grundriss abzeichnet, trat die vertikale Raumaufteilung (z.B. Pferdestall im Erdgeschoss, Wohnräume in den oberen Geschossen). Im Gebiet der Schweiz gehören die meisten Anlagen zur Kategorie der Kleinburgen, die im Wesentlichen aus Ringmauer, Hauptbau und Wirtschaftsgebäuden inner- oder ausserhalb des Mauerrings bestanden hat. Auf den Höhenburgen verwendete man für die Wasserversorgung vom 11. und 12. Jahrhundert an meist Zisternen, seltener Sodschächte. Spezielle Bauformen entwickelten unter anderen die Grafen von Savoyen mit ihrem eckturmbewehrten Viereckgrundriss (z.B. Grandson, Yverdon) oder die Zähringer mit ihren mächtigen Wohntürmen, die dem nordfranzösischen Donjon entsprechen. Die Verwendung grosser Findlinge (Megalithmauerwerk) findet sich vor allem im Machtbereich der Grafen von Kyburg. Das für die Stauferzeit charakteristische Buckelquader-Mauerwerk kommt vorwiegend im Molassegebiet des schweizerischen Mittellandes vor (z.B. Kasteln-Alberswil, Kyburg). Backstein ist im Umfeld der Manufaktur des Klosters St. Urban (z.B. Burgdorf) und verschiedenenorts in der französischen Schweiz (z.B. Vufflens) anzutreffen. Um- und Ausbauten des 13. und 14. Jahrhunderts dienten vornehmlich der Verbesserung der Wohnqualität und des Verteidigungswerts (Flankierungs- und Tortürme, Zwinger, erhöhte Zinnen). Frühe Grossburgen wurden infolge von Funktionsbeschränkungen im Grundriss reduziert (Habsburg) oder infolge Verschiebung des Herrschaftszentrums aufgegeben (Montsalvens).

Die Burgen im Spätmittelalter

Zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert wurden in der deutschen, italienischen und rätoromanischen Schweiz gegen drei Viertel der bestehenden Burgen verlassen. In der französischen Schweiz blieben sie häufiger erhalten, wurden aber meist zu Schlossbauten umgewandelt. Hinter dem "Burgensterben" des Spätmittelalters stecken territorialpolitische, wirtschaftliche, militärische und kulturell-gesellschaftliche Ursachen. Kriegerische Zerstörungen – und auch der imaginäre "Burgenbruch" in der Befreiungstradition – sowie Naturkatastrophen (Erdbeben von Basel 1356) bildeten nur selten den Grund für eine definitive Preisgabe. Die Güter verlassener Burgen wurden oft von den einstigen Versorgungshöfen aus weiter bewirtschaftet. Im Zuge der spätmittelalterlichen Territorialbildung wurden die weiter benützten Burgen teils in obrigkeitliche Verwaltungssitze (Landvogteischlösser) umgestaltet, teils in private Landsitze ohne Herrschaftsfunktionen. Auf der Jagd nach Titeln und Wappen übernahmen reiche Stadtbürger abgewirtschaftete Burgsitze. In stadtnahen Weiherhäusern wurden gelegentlich zur Umgehung der Zunftbestimmungen Gewerbebetriebe eingerichtet. Bauliche Anpassungen an die Kampftechnik mit Feuerwaffen erfolgten in bescheidenem Ausmasse, nur ausnahmsweise konsequent (Mesocco, Montvoie, Morges).

Frühneuzeitliche Schlösser

Für die Entstehung monumentaler Renaissance-, Barock- und Rokokoschlösser fehlten in der Schweiz die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen. Ausnahmen waren die fürstbischöflichen Residenzen in Chur und Pruntrut sowie die Pfalz des Fürstabts von St. Gallen. Während die eidgenössischen Orte bei der Umgestaltung ihrer Landvogteischlösser eher sparsame Zurückhaltung übten (wodurch sich viel mittelalterliche Bausubstanz erhalten hat) und bei Neubauten unprovokative Bescheidenheit bevorzugten (Lottigna, Blankenburg), entfaltete die ländliche und vor allem die städtische Oberschicht (Patriziat) im Rahmen ihrer ökonomischen Möglichkeiten mit der Errichtung repräsentativer Landsitze eine rege private Bautätigkeit. In der Zentralschweiz ging der Anstoss zum Bau von Schlössern vor allem von Geschlechtern aus, die durch Solddienst zu Reichtum und Adelstiteln gelangt waren (Freulerpalast in Näfels, A Pro in Seedorf, Altishofen). Vornehme Landsitze wurden in den ennetbirgischen Vogteien von Innerschweizer Amts- und Herrschaftsträgern wie den von Beroldingen (Magliaso, Villa Favorita in Lugano) oder den A Pro (Ca' di Ferro in Minusio) sowie von der einheimischen Oberschicht wie den Marcacci (Brione Verzasca) errichtet. In der westlichen Schweiz gehörte der Besitz kleiner Schlösser mit Landgütern zu den gesellschaftlichen Normen gehobenen Lebensstils. Vom 18. Jahrhundert an bauten sich auch städtische Industrielle repräsentative Landsitze (z.B. Ebenrain in Sissach).

Der Sitz des Gerichtsherrn von Maur nach einer Zeichnung von Hans Conrad Nözli aus dem Jahr 1750. Radierung von David Herrliberger, erschienen 1754 in seiner Neuen und vollständigen Topographie der Eydgnoßschaft (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Der Sitz des Gerichtsherrn von Maur nach einer Zeichnung von Hans Conrad Nözli aus dem Jahr 1750. Radierung von David Herrliberger, erschienen 1754 in seiner Neuen und vollständigen Topographie der Eydgnoßschaft (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Bis ins 17. Jahrhundert hinein orientierte sich der Schlossbau noch an den Formen der mittelalterlichen Wehrarchitektur, indem er dekorativ verfremdete Türme, Zinnen, Erker und Schiessscharten verwendete. Gegen 1700 setzte sich immer mehr die Anlehnung an italienische und französische Vorbilder (Versailles) durch, wozu auch das Anlegen von französischen Gärten gehörte. Oft wurden mittelalterliche Baukörper, auch Ruinen, umgestaltet (z.B. Bottmingen, Jegenstorf) oder durch Neubauten ersetzt (z.B. Mauensee). Nicht selten wurden Schlossneubauten im Vorburgbereich der aufgelassenen Burgen errichtet (z.B. Pleujouse, Trostburg) oder in deren Umgebung an bequemer zugänglichen Standorten errichtet (Pfeffingen nach Aesch BL, Grasburg nach Schwarzenburg). Neugründungen, in der französischen Schweiz häufiger als in der übrigen Schweiz, erfolgten zunehmend vom 17. Jahrhundert an. Mit der Errichtung von Schlössern im Empirestil (Arenenberg) klang der aus mittelalterlichen Traditionen erwachsene Schlossbau zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus. Romantisch-historistische Versuche, die mittelalterliche Burgenarchitektur im 19. und 20. Jahrhundert neu zu beleben, zum Teil durch die freie Rekonstruktion von Ruinen, sind in der Schweiz Einzelfälle geblieben (z.B. Neu-Habsburg, Reichenstein BL, Schadau, Vaumarcus).

Das Schloss von L'Isle, vom Garten her gesehen. Fotografie, 1996 (Heinz Dieter Finck).
Das Schloss von L'Isle, vom Garten her gesehen. Fotografie, 1996 (Heinz Dieter Finck). […]

Quellen und Literatur

  • M. Schmid et al., Graubündens Schlösser und Paläste, 4 Bde., 1969-87
  • E. Clemente, «Castelli e torri della Svizzera italiana», in BSSI, 1974, 5-46, 95-143, 147-181
  • W. Meyer, E. Widmer, Das grosse Burgenbuch der Schweiz, 1977
  • Burgenkarte der Schweiz, 4 Bl., 1978-85
  • O.P. Clavadetscher, W. Meyer, Das Burgenbuch von Graubünden, 1984
  • La Maison de Savoie en Pays de Vaud, Ausstellungskat. Lausanne, hg. von B. Andenmatten, D. de Raemy, 1990
  • W. Meyer, «Die Eidgenossen als Burgenbrecher», in Gfr. 145, 1992, 5-95
  • T. Bitterli-Waldvogel, Schweizer Burgenführer, 1995, (mit Bibl.)
  • Les pays romands au Moyen Age, hg. von A. Paravicini Bagliani et al., 1997, 487-508
  • «Schlösser des Historismus», in K+A 51, 2000, H. 2
Weblinks

Zitiervorschlag

Werner Meyer: "Burgen und Schlösser", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.03.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/024640/2015-03-20/, konsultiert am 09.11.2024.