
Als ennetbirgische Feldzüge werden die militärischen Operationen von Eidgenossen und zugewandten Orten im 15. und frühen 16. Jahrhundert zur Ausdehnung der Herrschaft ins Gebiet südlich der Alpenpässe bezeichnet. Am Vorstoss ins Tessin waren am stärksten die Urner und die am Gotthardpass interessierten Stände beteiligt. Das Eschental als Parallelachse zum Gotthard interessierte die Gotthardstände ebenfalls, aber vor allem auch die Walliser und Berner als Zubringer zum Simplon. Veltlin, Chiavenna und Bormio lagen im Blickfeld Graubündens. Wegen des Mahnrechts der eidgenössischen Bündnisse, der Handelsinteressen und der wirtschaftlich-sozialen Bedeutung der Reisläuferei oder aufgrund diplomatischer Konstellationen konnten die ennetbirgischen Feldzüge leicht zu gesamteidgenössischen Aktionen auswachsen. Der Friede zwischen Ursern und der Leventina 1331 und die Ausdehnung des Hilfskreises bis zum Monte Piottino im Zürcher Bund 1351 weisen auf die Bedeutung der ennetbirgischen Politik schon im 14. Jahrhundert hin. Die eigentliche Territorialbildung setzte 1403 ein, als Uri und Obwalden sich mit der Leventina verbündeten. 1407 wurden die Freiherren von Sax-Misox in deren Landrecht aufgenommen, 1410 schloss Ursern mit Uri ein ewiges Landrecht. 1419 mussten die Sax-Misox die Herrschaft über Bellinzona an Uri und Obwalden abtreten. Gleichzeitig erfolgten ab 1407 mehrere Züge ins Eschen-, Maggia- und Verzascatal, so dass 1418 König Sigismund die Hoheit der Eidgenossen über diese Gebiete anerkannte.
Durch die Rückeroberung Bellinzonas durch Mailand und die eidgenössische Niederlage in der Schlacht bei Arbedo 1422 gingen alle ennetbirgischen Territorien verloren. Die Tagsatzung begnügte sich im Ersten Mailänder Kapitulat von 1426 mit der Zusicherung der Zollfreiheit bis Mailand. Im Schatten eidgenössischer Kriege und unter Ausnutzung der inneren Schwächen des Herzogtums Mailand (Herrschaftswechsel, Opposition in der Leventina) zogen die Urner immer wieder militärisch ins Tessin und erreichten Teilerfolge. 1441 wurde die Leventina an Uri verpfändet. Nach dem Rückschlag in der Schlacht bei Castione 1449 und dem Frieden mit Francesco Sforza 1450 sprach Mailand 1466 das Livinental dauerhaft den Urnern zu. Der gesamteidgenössische Zug nach Bellinzona 1478 brachte den Sieg in der Schlacht bei Giornico und 1487 schliesslich die Anerkennung der Urner Herrschaft in der Leventina durch das Domkapitel von Mailand. Im Eschental verlief 1487 ein Feldzug der Walliser erfolglos. Durch den Kampf Frankreichs um die Vorherrschaft in Italien, der 1494 mit dem Zug König Karls VIII. nach Neapel einsetzte, entstanden die Mailänderkriege. Trotz eidgenössisch-französischem Soldbündnis waren Schweizer Reisläufer in beiden Lagern zahlreich vertreten. In eigenen Aktionen besetzten Söldnerscharen aus Uri sowie den Nachbarständen 1495 das Bleniotal und die Riviera und übernahmen 1500 die Herrschaft in Bellinzona. Der französische König Ludwig XII. musste im Frieden von Arona 1503 diese Gebiete den eidgenössischen Ständen Uri, Schwyz und Nidwalden zusprechen. Unter dem Einfluss Matthäus Schiners verzichtete die Eidgenossenschaft 1509 auf die Erneuerung des französischen Bündnisses, um im Jahr darauf mit dem Heiligen Stuhl einen Bund einzugehen.
Unter Führung von Papst Julius II., der die französische Herrschaft in der Lombardei brechen wollte, trieben die ennetbirgischen Feldzüge dem Höhepunkt zu. Pavierzug 1512, Novara und Dijonerzug 1513, Marignano 1515, Bicocca 1522 und die zweite Schlacht bei Pavia 1525 waren die wichtigsten Ereignisse des gewaltigen Ringens. Die Eidgenossen nahmen bis zur Niederlage von Marignano als selbstständige Kriegspartei, zeitweise als Protektoren Mailands, daran teil. Während des Pavierzuges 1512 dehnten sie ihre Herrschaft im Tessin auf Locarno mit Maggia- und Verzascatal, Lugano und das Mendrisiotto aus. Das Eschental wurde erneut unterworfen. Die Bündner eroberten 1512 das Veltlin, Bormio und Chiavenna. Im Ewigen Frieden von 1516 gestand König Franz I. den Eidgenossen und den Bündnern ihre Eroberungen zu, das Eschental kam wieder zu Mailand. Damit waren die ennetbirgischen Feldzüge als eigenständige Aktionen beendet. Die Eidgenossenschaft hatte für rund drei Jahrhunderte ihre Südgrenze gefunden. Das Soldbündnis von 1521 regelte die eidgenössisch-französischen Beziehungen.