Der Begriff Zensur bezeichnet die kirchliche oder staatliche Überwachung von öffentlich gehaltenen Reden, bildlichen Darstellungen, Druckerzeugnissen, Theaterstücken, Filmen, Rundfunk- und Fernsehsendungen und anderer Massenmedien. Die Zensur zielt auf die inhaltliche Kontrolle der Kommunikation über politische, wirtschaftliche, soziale und religiöse Themen; sie dient letztlich den jeweiligen Herrschaftsträgern zur Absicherung ihrer Macht. Zu den Errungenschaften der Aufklärung und des Liberalismus gehörten auch das Recht auf freie Meinungsäusserung und die Pressefreiheit (Menschenrechte); seitdem gilt die Zensur als ein Kennzeichen totalitärer Staatsordnungen. Allerdings behalten sich bis heute auch demokratische Staaten das Recht vor, die Medien in aussergewöhnlichen Lagen zu zensurieren. Die strafrechtliche Verfolgung von Verleumdungen, Darstellungen extremer Gewalt oder harter Pornografie in den Medien dient dem Schutz anderer zentraler Rechtsgüter wie zum Beispiel dem Jugendschutz und wird daher nicht als Zensur begriffen. Neben der offenen und der versteckten Zensur existieren auch andere, oft subtile Formen der Einflussnahme. Wirtschaftliche Pressuregroups üben zum Beispiel Druck aus, indem sie kritische Medien bei der Vergabe von Inseraten boykottieren.
Vom Spätmittelalter bis 1848
Da das Buch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts rasch zu einem Massenmedium (Buchdruck, Verlage) wurde, stammen auch die ersten konkret fassbaren Zensurbeschlüsse aus dieser Zeit. Solche Massnahmen wurden anscheinend zunächst von kirchlichen und weltlichen Herrschaftsträgern zur Bekämpfung von humanistischen und dann auch reformatorischen Angriffen auf die kirchlichen Lehrmeinungen und die staatliche Ordnung getroffen. Als Reaktion auf Nachrichtendrucke, die um 1480 erschienen, erliessen die Bischöfe von Würzburg und Basel 1482 kirchliche Zensurordnungen zur Unterdrückung ketzerischer Schriften. 1487 forderte Papst Innozenz VIII. die Einführung einer kirchlichen Druckerlaubnis, der sogenannten Imprimatur, für die Veröffentlichung von Schriftwerken. Das Wormser Edikt unterstellte 1521 alle Bücher der bischöflichen Kontrolle. 1559 erschien unter Papst Paul V. ein Verzeichnis der verbotenen Bücher, der «Index librorum prohibitorum», der bis 1948 fortgeführt wurde. 1965 schaffte die katholische Kirche die Zensur ab.
Die eidgenössischen Orte setzten ab den 1520er Jahren Zensurbehörden ein. Zürich unterwarf 1523 die städtischen Druckereien einer direkten Überwachung und brachte den Verkauf auswärtiger Druckschriften unter Kontrolle; dieser Beschluss wurde später mehrfach bestätigt. Basel gab sich ebenfalls eine Zensurverordnung, die 1558 erneuert wurde. 1524 veröffentlichte die Stadt Bern ihr erstes Zensuredikt gegen die reformatorischen Schriften; dieses wurde 1528 hinfällig, als die Stadt zum neuen Glauben übertrat. 1539 erliess Bern eine neue Zensurverordnung. Die Genfer Verfügung von 1539 wurde 1540 und 1544 verschärft. In den meisten katholischen Orten waren der Verkauf und die Lektüre reformatorischer Schriften untersagt; Freiburg verbot den Bücherdruck bis 1584 gänzlich. Diese Zensurverordnungen aus der Zeit der Glaubensspaltung zielten nicht nur auf die Unterdrückung der theologischen Positionen der jeweils anderen Konfession ab, sondern zumindest teilweise auch auf ein Verbot der vielen Schmähungen, mit denen die religiöse Propaganda prominente Vorkämpfer aus andersgläubigen Ständen eindeckte. Diesen Teil der Zensurbeschlüsse wandten die einzelnen Regierungen lange nur situativ an; erst im 17. Jahrhundert scheint die Solidarität zwischen den katholischen und reformierten Obrigkeiten wieder zugenommen zu haben, denn jetzt halfen diese sich gegenseitig im Kampf gegen Schmähschriften.
Die ersten periodischen Zeitungen führten zu neuen obrigkeitlichen Zensurverordnungen, die sich auf die Veröffentlichung politischer Nachrichten bezogen. Die «Ordinari Wochenzeitung», 1610 in Basel herausgegeben, wurde schon im folgenden Jahr von den Stadtbehörden unterdrückt. Der Auftrag der Zürcher Zensurbehörde war es, Kritik an der Heiligen Schrift und dem Eidgenössischen Glaubensbekenntnis sowie Angriffe auf die Stadt und deren Obrigkeit zu verhindern. Die verantwortliche Kommission bestrafte Druckereien, die eine Wochenzeitung ohne Bewilligung herausgaben, mit Bussen; ein Betrieb wurde gar beschlagnahmt. Die Berner Zensur galt als besonders wachsam, namentlich in der Waadt, wo sie von den Landvögten ausgeübt wurde. Auch hier war jegliche Kritik an Staat und Kirche untersagt.
Im 18. Jahrhundert herrschte in allen Kantonen eine mehr oder weniger strenge staatliche Pressezensur (Presse). In der Westschweiz erschienen ab 1732 verschiedene «Feuilles d'Avis» mit Inseraten, da und dort auch mit kurzen Auslandberichten, aber ohne politische Kommentare. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kamen dann Zeitungen und Zeitschriften mit kulturellen und naturwissenschaftlichen Berichten auf. Die erste Tessiner Zeitung, die 1746 von der Familie Agnelli herausgegebene «Nuove di diverse corti e paesi», durfte über das Ausland, nicht aber über die Schweiz berichten. Auch in anderen Zeitungen war die Berichterstattung auf ausländische Ereignisse beschränkt. Kritik an der Obrigkeit wurde unterschiedlich bestraft. Jakob Heinrich Meister, 1769 wegen der Veröffentlichung eines Bändchens «spöttischen und schändlichen Inhalts» aus Zürich verbannt, wurde nach nur drei Jahren begnadigt, Johann Heinrich Waser, Verfasser eines Pamphlets gegen Ratsmitglieder, dagegen 1780 enthauptet.
Nach dem Ausbruch der Revolution in Frankreich 1789 konnte die Berner Regierung auch mit der Androhung von strengen Strafen nicht verhindern, dass der Kanton von revolutionären Presseerzeugnissen überschwemmt wurde. In Basel herrschte eine liberalere Überwachung der Presse. In Solothurn wiederum wurden Verfasser von Schriften, die sich für mehr Freiheit einsetzten, zu Zuchthaus verurteilt oder in die Verbannung geschickt.
Die Verfassung der 1798 gegründeten Helvetischen Republik nannte zwar unter den demokratischen Rechten auch die Pressefreiheit; trotzdem unterdrückte die helvetische Regierung von Anfang an ihr nicht genehme Blätter. Schon Ende 1798 wurde die Pressefreiheit wieder abgeschafft. Die Mediationsakte von 1803 erwähnte die Pressefreiheit nicht als Grundrecht. Die führenden Kreise vertraten vielmehr die Ansicht, «freiheitsmörderische Blätter» könnten nicht geduldet werden. Der erste Landammann der Schweiz, Ludwig von Affry, forderte in einem Rundschreiben 1803 alle Kantone zur Einrichtung von Zensurbehörden auf, insbesondere im Hinblick auf die starke Abhängigkeit der Schweiz vom Ausland. Einige Kantone führten die Zensur offiziell wieder ein; Bern erliess eine Polizeiordnung für die Herausgabe von Zeitungen und Flugschriften; andere Kantone betrieben eine eher versteckte Zensur. Die Organe zur politischen Meinungsbildung, die während der Helvetischen Republik gegründet worden waren, gingen ein oder verwandelten sich wieder in reine Nachrichtenblätter. 1812 verabschiedete die Tagsatzung ein Pressekonklusum, das die Kantone aufforderte, «gegen den Missbrauch der Pressefreiheit» in politischen Angelegenheiten vorzugehen. Als einziger Schweizer Kanton schrieb Genf schon 1814 die Pressefreiheit in der Verfassung fest.
Im Bundesvertrag von 1815 fehlt jeglicher Hinweis auf die Pressefreiheit. In der Zeit der Restauration übten die Mächte der Heiligen Allianz zeitweise starken Druck auf die Eidgenossenschaft aus. Preussen, Österreich und Russland beanstandeten vor allem die Agitation, die Flüchtlinge von der Schweiz aus gegen die reaktionären Monarchien betrieben. Nach einer Intervention der österreichischen Regierung erliess die Tagsatzung 1823 das sogenannte Presse- und Fremdenkonklusum. Dieses verpflichtete die Kantone zu einer rigorosen Kontrolle der Berichterstattung über andere Staaten; es sollte nichts veröffentlicht werden, was «befreundete Mächte verletzen, oder denselben Veranlassung zu begründeten Beschwerden geben könnte». 1830 beschloss die Tagsatzung in Bern, dieses Zensurgesetz aufzuheben, nachdem schon zwei Jahre zuvor bereits zehn Kantone gegen eine Verlängerung gestimmt hatten.
Ab den 1830er Jahren genossen die Zeitungen eine mehr oder weniger beschränkte Meinungsfreiheit. Einige Kantone hatten die Pressefreiheit schon proklamiert, so Glarus 1828, Zürich, Luzern und Aargau 1829. Zwischen 1830 und 1834 stieg die Zahl der politischen Blätter von 30 auf 54, und die Presse wurde zu einem wichtigen Instrument im Kampf um die öffentliche Meinung zwischen Radikalen, Liberalen und Konservativen. Der Entwurf der Bundesverfassung von 1833 gestand dem Bund keine Kompetenz im Pressebereich zu; man befürchtete, dass er wie während der Restauration aus Rücksicht auf das Ausland die Pressefreiheit der liberalen Kantone einschränken könnte.
Ab 1848
1848 wurde die Pressefreiheit ausdrücklich in der Verfassung des Bundesstaats verankert und die Presse damit als Forum der öffentlichen und demokratischen Auseinandersetzung anerkannt. Allerdings waren auf Bundesebene Strafbestimmungen gegen Missbrauch, «der gegen die Eidgenossenschaft und ihre Behörden gerichtet ist», vorgesehen. Die Pressefreiheit führte rasch zum weiteren Aufschwung der Meinungs- und später Parteipresse, welche die früheren Nachrichtenblätter nun immer mehr verdrängte.
Von 1848 an schränkten die bundesstaatlichen Behörden die Pressefreiheit nur mehr in den beiden Weltkriegen ein. Die Zensur während des Ersten Weltkrieges ist noch kaum erforscht. Der Bundesrat forderte aufgrund seiner ausserordentlichen Vollmachten am 30. September 1914 das Eidgenössische Politische Departement auf, zusammen mit dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement einschränkende Massnahmen gegen Presseorgane auszuarbeiten, «durch welche die guten Beziehungen der Schweiz zu anderen Mächten gefährdet werden oder die mit der neutralen Stellung unseres Landes nicht vereinbar sind». Dabei standen zunächst weniger die eigene Publizistik als die unzähligen Propagandaschriften, die aus den Krieg führenden Mächten importiert wurden, im Vordergrund. Am 2. Juli 1915 erliess der Bundesrat eine Verordnung über die Beschimpfung fremder Völker, Staatsoberhäupter oder Regierungen und am 27. Juli 1915 setzte er «behufs einheitlich und gleichmässiger Handhabung der politischen Presskontrolle» eine fünfköpfige Pressekontrollkommission ein, die allerdings nur über beschränkte Vollmachten verfügte. Zwei der fünf Mitglieder wurden vom Schweizerischen Pressverein gestellt. Die Mahnungen dieser Kommission waren vorwiegend an kleinere, oft französischsprachige Blätter gerichtet. Ziel dieser Massnahmen dürfte es auch gewesen sein, ein noch weiteres Auseinanderklaffen des Grabens zwischen der deutschen und der französischen Schweiz zu verhindern.
1933 appellierte Bundesrat Heinrich Häberlin, der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements, an die «Selbstzucht» der Presse. Der Aufruf galt in erster Linie der linken Presse, die mit ihrer Polemik gegen Hitler und Mussolini die schweizerischen Aussenbeziehungen belastete. Der Bundesratsbeschluss vom 26. März 1934 sah im Falle von «schweren Ausschreitungen» wiederum Verwarnungen oder das Verbot des Erscheinens der betreffenden Zeitung vor. Nur widerwillig stimmte der Bundesrat der Schaffung einer fünfköpfigen Kommission aus Pressevertretern zu, die das neue Disziplinierungsinstrument handhaben sollte. Gemäss der von Bundesrat Giuseppe Motta im September 1938 bekräftigten Doktrin mussten die Zeitungen ― im Gegensatz zum Radio ― nicht «Gesinnungsneutralität» praktizieren, sie durften aber die neutralitätspolitischen Bemühungen des Staates auch nicht zu sehr beeinträchtigen. Gemäss dem bundesrätlichen Bericht von 1946 schritten die Behörden gegen ca. zwei Dutzend Zeitungen ein, gegen einzelne wiederholt. Befristet verboten wurde das Genfer «Journal des Nations» und die in Basel erschienene «Schweizer-Zeitung am Sonntag».
1939 wurde, wieder aufgrund ausserordentlicher Vollmachten, erneut ein Zensurregime eingeführt. Für den Textteil der Zeitungen galt, entgegen den ursprünglichen Dispositionen, das Prinzip der Nachzensur, für Bilder, Drehbücher, Filme usw. das der Vorzensur. Die Pressekontrolle unterstand bis 1942 offiziell dem General; sie wurde aber weitgehend von zivilen Fachleuten vorgenommen. Das Parlament verhinderte im Februar 1940, dass die Restriktionen zu weit gingen. Die Armee durfte nicht kritisiert, die Neutralität nicht in Frage gestellt und die Landesregierung nicht in ihrem Ansehen geschmälert werden. Verstösse gegen Richtlinien und Einzelweisungen wurden geahndet. Von Juli 1943 bis Juni 1945 erfolgten im Bereich der sogenannten leichten Massnahmen gesamtschweizerisch 4749 Beanstandungen, 802 Verwarnungen und 36 Beschlagnahmungen. Im Bereich der schweren Massnahmen wurden während der ganzen Kriegszeit 23 öffentliche Verwarnungen ausgesprochen. Elf Zeitungen wurden unter Vorzensur gestellt, drei davon für unbeschränkte Zeit. Vier Zeitungen wurden gänzlich verboten, 20 Zeitungen für eine Zeitspanne von einem Tag bis zu vier Monaten. Die meisten Massnahmen betrafen die sozialdemokratische Presse. Ergänzt wurden diese Zensurmassnahmen durch Versuche der Behörden, die Presseinhalte durch Inhaltsangaben gestaltend mitzubestimmen. Diese Bestrebungen erwiesen sich allerdings rasch als problematisch. Insgesamt konnte sich die Schweizer Bevölkerung während des Krieges trotz der Zensur ein gutes Bild von den wesentlichen Vorgängen machen. Die Zensur stand mehr im Dienste der aussenpolitischen Rücksichtnahme als der innenpolitischen Repression. Eine wichtige Voraussetzung des Zensurregimes bestand darin, dass viele Medienschaffende die Bedenken der Behörden teilten und sich in der Berichterstattung selbst eine gewisse Zurückhaltung auferlegten.
Quellen und Literatur
- S. Markus, Gesch. der schweiz. Zeitungspresse z.Z. der Helvetik (1798-1803), 1909
- K. Weber, Die schweiz. Presse im Jahre 1848, 1927
- J. Ruchti, Gesch. der Schweiz während des Weltkrieges 1914-1919, Bd. 1, 1928, 137-146
- G. Kreis, Zensur und Selbstzensur, 1973
- C. Graf, Zensurakten aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, 1979
- C. Graf, «Innen- und aussenpolit. Aspekte schweiz. Zensur während des Zweiten Weltkrieges», in Fs. zum 60. Geburtstag von Walther Hofer, 1980, 553-569
- R. Ruffieux, «La presse politique en Suisse durant la première moitié du XIXe s.», in Fs. Gottfried Boesch, 1980, 231-244
- M. Perrenoud, «"La Sentinelle" sous surveillance», in SZG 37, 1987, 137-168
- Die verbotenen Bilder 1939-1945, 1989
- E. Bollinger, Pressegesch. 1, 1995
- C. Guggenbühl, Zensur und Pressefreiheit, 1996
- E. Bollinger, «Das Schweizer Zeitungswesen in der ersten Hälfte des 19. Jh.», in Die Macht der Bilder, 1998, 25-41.