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Unehrliche Berufe

Als unehrliche Berufe galten vom späten Mittelalter bis zum Teil ins 19. Jahrhundert verschiedene verachtete, als niedrig, gemein oder schmutzig eingestufte Berufe. Allein wegen der Ausübung eines solchen Berufs erfuhren Berufsleute und deren Angehörige zum Teil erhebliche rechtliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Diskriminierung. Inbegriff des unehrlichen Berufs war jener des Scharfrichters; dessen Ausgrenzung setzte im 13. Jahrhundert ein, als die Exekution von Kriminellen vom gelegentlich ausgeübten Amt zum Beruf wurde, der auch Folterung und oft das Abdecker- oder Wasenmeisteramt umfasste. Betroffen waren im Mittelalter auch Berufe der Fahrenden zum Beispiel in der Schaustellerei (Spielleute) und in der Prostitution.

Unehrlichkeit war keine moralische, sondern eine soziale Kategorie, die an die römischrechtliche infamia anknüpfte. Unehrliche Berufsleute und ihre Nachkommen waren wie jene von Exekutierten und Selbstmördern von Rat und Gericht, von Stadt- und Dorfämtern (Richter, Fürsprecher, Vormund usw.), allgemein vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Kontakte zum Scharfrichter machten ehrliche Leute unehrlich; da dieser nur unter seinesgleichen heiraten durfte, entstanden eigentliche Scharfrichterdynastien (Mengis in Luzern, Volmar). In soziale Randgruppen abgedrängt, schlossen sich unter anderem Pfeifer und Kessler zu exklusiven Gesellschaften (Königreiche) mit eigener Gerichtsbarkeit zusammen.

Ausgehend vom Ehrenkodex des Zunfthandwerks griff ab dem 16. Jahrhundert die Verfemung weiterer Berufe vom Reich auf die Schweiz über: Obrigkeitliche Ämter wie Weibel, Gefängniswärter, Totengräber, Stadtknecht und Bannwart wurden als unehrliche Berufe abgestempelt und den Kindern von Inhabern solcher Funktionen Handwerk und Zunft verboten. Eidgenössische Obrigkeiten widersetzten sich dieser Ausgrenzung, waren aber zu Kompromissen gezwungen: Da zum Beispiel Bauarbeit an Galgen diffamierte, hatten sie die dazu beauftragten Handwerker mit Schutzbriefen zu schützen. Es gab allerdings regionale Unterschiede; so gehörten in der Schweiz die Berufe des Müllers, Gerbers, Baders und Leinenwebers nicht zu den unehrlichen Berufen, während sie in Teilen Deutschlands als unehrlich galten.

Quellen und Literatur

  • A. Lutz, «Handwerksehre und Handwerksgericht im alten Zürich», in ZTb 1962, 1961, 35-66
  • HRG 1, 855-858
  • J. Le Goff, «Métiers licites et métiers illicites dans l'Occident médiéval», in Pour un autre Moyen Age, 1977, 91-107, (dt. 1987)
  • A.-M. Dubler, Müller und Mühlen im alten Staat Luzern, 1978, 121-128
  • LexMA 8, 1216
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Unehrliche Berufe", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 25.01.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/025613/2013-01-25/, konsultiert am 15.09.2024.