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Schmuggel

Aus ökonomischer Sicht ist Schmuggel eine Form des grenzüberschreitenden Warenverkehrs. Der Schmuggler überwindet in Umgehung der Zollstellen (Zölle) oder durch Verschweigen von zollpflichtigen Waren fiskal oder wirtschaftspolitisch begründete Schranken und macht sich somit ein natürlich oder ein durch zollpolitische Massnahmen künstlich bewirktes Preisgefälle zwischen verschiedenen Wirtschaftsräumen zunutze. Im Interesse von Anbieter und Nachfrager schafft dieses Vorgehen einen Marktausgleich. Aus rechtlicher Sicht ist Schmuggel illegal, weil er den finanzpolitischen Interessen der Territorialherren oder der Nationalstaaten zuwider läuft. Unter die erweiterte Definition von Schmuggel fällt auch der illegale Transport von Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten über die Grenze. Die Bekämpfung des Schmuggels hängt einerseits von der Grösse der Grenzwachtkorps sowie von Organisationsgrad und Motivation der Aufsichtsbehörde, andererseits von der nationalen Gesetzgebung ab, die Lücken aufweist. In der Schweiz wird Schmuggel im Unterschied zur Strafrechtsauslegung der EU im Allgemeinen nicht als kriminelle Handlung betrachtet, jedoch als fiskalstrafrechtliches Delikt geahndet.

Eine kleine Gruppe von Schmugglern steigt im Tessiner Valle Morobbia zum Pass San Jorio in Richtung Italien auf. Fotografie von Ernst Brunner, 1949 (Schweizerisches Institut für Volkskunde, Basel).
Eine kleine Gruppe von Schmugglern steigt im Tessiner Valle Morobbia zum Pass San Jorio in Richtung Italien auf. Fotografie von Ernst Brunner, 1949 (Schweizerisches Institut für Volkskunde, Basel).

Ab dem 16. Jahrhundert betrieben Händler im Gebiet der heutigen Schweiz Schmuggel im grossen Umfang (z.B. Getreide, Textilien, Salz, Tabak), um die Fiskalzölle und Strassengebühren zu umgehen (Aussenwirtschaft). 1810-1813 liess Napoleon I. das Tessin von Truppen und Zollbeamten des Königreichs Italien besetzen, unter anderem als Massnahme gegen den Schmuggel. Durch die Kontinentalsperre und die Revolutionskriege wurde der illegale Warenverkehr in den Grenzregionen beeinträchtigt, kam jedoch in den 1820er Jahren wieder in Gang. Insbesondere im ausgehenden 19. Jahrhundert belastete die Umgehung von Zollschranken den Abschluss von Handelsverträgen mit dem benachbarten Ausland, zum Beispiel 1878 mit Italien, das vom Bundesrat ein Zollkartell zur Bekämpfung des Schmuggels verlangte. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts stellten je nach Preisniveau und Nachfragekonjunktur vor allem tägliche Gebrauchsartikel (Öl, Salz, Zucker) sowie Tabak und Alkohol bevorzugte Schmuggelgüter dar. So wurde vor dem Zweiten Weltkrieg ― oft mit Zustimmung der lokalen Behörden ― Tabak und Kaffee nach Italien geschmuggelt. Während des Krieges, namentlich 1943-1944, gelangten in umgekehrter Richtung trotz verstärkter Aufsicht seitens des Tessiner Grenzwachtkorps Güter wie Schinken, Reis, Fahrräder und Schuhe in die Schweiz. Der Schmuggel befriedigte primär die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung und bedeutete für manche Familie diesseits und jenseits der Grenze eine unabdingbare Einnahmequelle. Vom Schmuggel betroffen waren mit unterschiedlicher Ausprägung und Intensität alle Schweizer Grenzregionen. Im Tessin und in Graubünden fand Schmuggel zum Teil bis in die 1990er Jahre im Einverständnis mit den Grenzwachtkommandos statt. Seit dem Zweiten Weltkrieg stösst das Phänomen Schmuggel in neue Wirtschaftsbereiche vor. Dank des verkehrstechnischen Fortschritts und modernster Hilfsmittel sind Schmuggler zu Beginn des 21. Jahrhunderts von der Schweiz aus weltweit tätig. Dabei ist das Verschieben von Drogen, Zigaretten, Waffen, Geld und Kulturgütern in den Vordergrund gerückt. Die Menge der in der Schweiz gekauften oder veräusserten Güter ist zwar eher gering, doch fungiert das Land vor allem über Zollfreilager als internationale Drehscheibe für Hehler, was insbesondere die Beziehungen zur EU belastet.

Quellen und Literatur

  • M. Polli, Zollpolitik und illegaler Handel, 1989
  • A. Megevand Rakotobarison, La contrebande dans le Département du Léman, 1798-1813, Liz. Genf, 1990
  • «Das Grenzwachtkorps 1894-1994», in Zoll-Rundschau 39, 1994, Nr. 2 (Sondernr.)
  • A. Ferrer, «Les contrebandiers sur la frontière franco-suisse au XVIIIe siècle», in SZG 49, 1999, 35-46
  • M. Kuder, «Sigarette, orologi e caffè: le esportazioni di contrabbando dalla Svizzera all'Italia dal 1945 al 1970», in AST, 2011, Nr. 149, 3-18
Von der Redaktion ergänzt
  • Rickenbacher, Jean-Luc: Das Schweizer Zollmuseum, 2017.
Weblinks

Zitiervorschlag

Marco Polli-Schönborn: "Schmuggel", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.11.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026198/2012-11-21/, konsultiert am 21.06.2025.