Als Viehseuchen werden plötzlich und massenhaft auftretende Infektionskrankheiten der Nutztiere (Haustiere) bezeichnet. Wenn die Erkrankungen stark gehäuft, aber zeitlich beschränkt vorkommen, spricht man von Epizootien, wenn sie in einer bestimmten Gegend immer wieder auftreten, von Enzootien. Die Viehseuchen verursachen grosse ökonomische Schäden, besonders in einer auf Viehwirtschaft spezialisierten Gesellschaft; zudem besteht bei einigen Krankheiten Ansteckungsgefahr für die Menschen. Die Bekämpfung der Viehseuchen erfolgt durch Meldepflicht, Isolierung erkrankter Tiere, Schutzimpfungen, Quarantäne, Desinfektion und Notschlachtung.
Bereits an vorgeschichtlichen Haustierknochen kann man Erkrankungen feststellen. Erste schriftliche Hinweise auf Viehseuchen sind in mittelalterlichen Jahrzeitbüchern, Chroniken und Stadtbüchern zu finden. Bis ins 18. Jahrhundert sind die verschiedenen Krankheiten nicht voneinander abzugrenzen, da die Viehseuchen in den Quellen allgemein als Rinderpest, Lungensucht oder Gebresten bezeichnet werden. Erst Gelehrte wie Johann Jakob Scheuchzer (fliegender Zungenkrebs, 1732) oder der Berner Sanitätsrat Albrecht von Haller (Lungenseuche, 1772) verfassten genauere Beschreibungen. Zu den frühesten Nachrichten von Viehseuchen gehören die obrigkeitlichen Vorschriften zur Verhütung von Ansteckungen. Das älteste Luzerner Ratsbüchlein (14. Jahrhundert) verbot, siechendes Vieh auf die Allmend zu treiben. Bern warnte 1400 die Stadt Biel vor dem Viehimport, da Gebresten drohten. 1587 unterband die Tagsatzung den Viehkauf aus "argwöhnigen" Gegenden. Erlaubt war die Einfuhr nur mit einem Gesundheitsschein, der die Herkunft der Tiere aus seuchenfreien Gebieten bezeugte. Bern schrieb 1750 vor, dass die Gesundheitspässe von Beamten auszustellen seien. Um den Schleichhandel zu unterbinden, führte Zürich 1760 ebenfalls den obligatorischen Sanitätsschein ein. Lokale und überregionale Sperren bis hin zur Unterbindung jedes gesellschaftlichen Lebens in den Dörfern blieben bis zur Gegenwart gängige Bekämpfungsmassnahmen. Daneben versuchte man die Gefahr durch magische Praktiken und die Anrufung von Schutzheiligen für das Vieh zu bannen.
Für das ordentliche Entsorgen von abgegangenem Vieh hatten die Abdecker (Wasenmeister, Schinder) das Recht, die Kadaver zur Feststellung der Krankheit aufzuschneiden, zu häuten und zu vergraben. Bei Seuchen durften sie die Tierhäute nicht mehr zur Lederherstellung verwenden. Der Wasenplatz musste mit Dornen oder Umzäunungen gegen das Wiederausgraben durch Wildtiere geschützt sein; andere Mandate verlangten ein Verlochen in sechs Fuss Tiefe. Befallene Ställe wurden mit Kräutern ausgeräuchert oder ― wie 1611 vom Bieler Rat angeordnet ― mit ungelöschtem Kalk gesäubert. Mit dem Aufkommen der modernen Transportmittel wurden Anforderungen an die Konstruktion der Wagen (dichte Fahrzeugböden, minimale Höhe der Umwandung) und Desinfektion vorgeschrieben.
Mit der Zunahme der Rinderhaltung stieg die Gefahr, dass sich Krankheiten schnell ausbreiteten. 1587, 1598, 1604 und 1616 litt die Eidgenossenschaft unter Seuchenzügen; im 18. Jahrhundert gab es 35 Jahre mit Viehseuchen Meist handelte es sich ― neben dem 1745 aufkommenden Milzbrand ― um die Maul- und Klauenseuche. Sie tauchte 1514 in Venedig als Zungenkrebs auf und erreichte 1587 das eidgenössische Gebiet. Sie wurde auch fliegender Krebs (Geschwür), Überzunge oder Zungenpresten genannt und befiel Hornvieh, Schweine und Pferde. In den 1730er Jahren wütete der fliegende Krebs und flaute erst 1740 ab. Das Vieh bekam weisse, bohnengrosse Blattern an der Zunge, zeigte sonst keine Symptome und verstarb innert einem Tag. Aufschneiden der Blattern mit einem Silbermesser und Auswaschen mit gewürztem Weinessig zeitigten Heilerfolge.
Die Maul- und Klauenseuche ist eine hochansteckende Viruserkrankung der Rinder, Schweine, Ziegen und Schafe, doch ist die Sterberate gering (5%). Die deutschen Bakteriologen Friedrich Löffler und Paul Frosch entdeckten 1898 den Erreger. Gesunde Tierbestände konnten mit der von Otto Waldmann 1938 entwickelten Adsorbat-Vakzine geimpft werden. Verheerend trat die Seuche in den Jahren 1871-1872, 1899-1900, 1911-1914, 1920-1921, 1939-1940 und 1965 auf. 1899 mussten 30'000, 1913 gar 46'000 Tiere notgeschlachtet werden. 1991 wurde die prophylaktische Impfung in der EU und der Schweiz eingestellt.
Die Lungenseuche suchte 1709-1713 die Eidgenossenschaft heim. Dank verstärkten veterinärpolizeilichen Massnahmen an der Grenze verschwand sie 1895 endgültig, ebenso wie die aus Asien stammende Rinderpest (1871 letzter bekannter Fall). Auch der Rotz, eine auf den Menschen übertragbare Pferdekrankheit, ist ausgerottet; Milzbrand, Rauschbrand, Rotlauf der Schweine unter anderem sind nicht akut.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren bis zu einem Drittel der Kühe von Tuberkulose (Tbc) befallen; dank konsequenter Ausmerzung wurde diese auch für Menschen gefährliche Viehsuche eingedämmt. Seit 1959 gilt der Schweizer Viehbestand als Tbc-frei; es werden nur noch zur Kontrolle periodische Tuberkulinproben durchgeführt.
Die europäische Schweinepest wurde im 19. Jahrhundert aus Amerika eingeschleppt; eine Impfung verringert Schäden. Die afrikanische Schweinepest wurde 1921 in Südafrika erstmals beschrieben; gegen sie gibt es keine Therapie, sie kann nur durch Ausmerzung der befallenen Herden und durch Einfuhrverbote bekämpft werden.
1990 trat in der Schweiz der erste Fall von Rinderwahnsinn (Bovine spongiforme Enzephalopathie, BSE) auf. Die Infektion dieser ebenfalls unter das Tierseuchengesetz fallenden Krankheit erfolgt über das Tierfutter; als Erreger gilt ein abnormes Prion. Weil die BSE möglicherweise auf Menschen übertragbar ist (Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit), erregte sie aussergewöhnliches Aufsehen. 1996 kam es zu einem Einbruch des Rindfleischkonsums (Metzgerei). Ca. 40 Länder hatten Importsperren für Tiere und tierische Produkte aus der Schweiz erlassen. Seit 1990 ist es in der Schweiz verboten, Tiermehl an Wiederkäuer zu verfüttern, 2000 wurde das Verbot auf alle Nutztiere ausgeweitet. Die Zahl der Erkrankungen (Höhepunkt 1995) ist zwar rückläufig, trotzdem war die Schweiz 2001 noch nicht BSE-frei.
1872 trat das erste Bundesgesetz zur Bekämpfung der Viehseuchen in Kraft. Es löste das Konkordat von 1852 zwischen acht Kantonen ab und betraf die Rinderpest, Lungenseuche, Maul- und Klauenseuche, Rotz und Tollwut; der Vollzug, insbesondere die Entschädigung bei Ausmerzungen, wurde den Kantonen übertragen. Bei der Revision des Gesetzes 1886 nahm man Milzbrand, Rauschbrand, Rotlauf der Schweine, Schafs- und Ziegenräude sowie Pocken auf; auch die grenztierärztliche Kontrolle und die Impfung wurden damals gesetzlich geregelt.
Das Eidgenössische Vakzine-Institut in Basel wurde 1942 als Teil des Bundesamts für Veterinärwesen gegründet (Tiermedizin). Es war weltweit einer der ersten Hersteller von Impfstoff gegen die Maul- und Klauenseuche; in isolierten Stallungen wurden auf Rindern Viren produziert. Das Vakzine-Institut wird seit 1992 als Institut für Viruskrankheiten und Immunprophylaxe in Mittelhäusern weitergeführt.
Erst mit der Einführung von Viehversicherungen verloren die Viehseuchen allmählich ihren für die Bauern existenzgefährdenden Charakter. 1780 wurden in Zweisimmen, St. Stephan, Lenk und Boltigen, gestützt auf eine Ordonnanz der Berner Regierung von 1777, erste örtliche Viehentschädigungskassen (Kuhladen) geschaffen; im gleichen Jahr gründete Blonay eine Ortsviehversicherung. Eine 1800 als nationale Institution konzipierte Viehseuchen-Assekuranz-Anstalt setzte sich nicht durch. Der Kanton Zürich entschädigte betroffene Bauern aus dem 1803 geschaffenen Viehstempelfonds, 1804 wurde die erste Viehentschädigungskasse im Kanton Bern eingerichtet. Es folgten Freiburg (1827), Thurgau (1833), Glarus (1857) und weitere. Gesetzlich geregelt wurde die Viehversicherung erst im Bundesgesetz über die Förderung der Landwirtschaft 1893. Als erste erliessen die Kantone Basel (1892), Zürich (1895) und Schaffhausen (1897) ein Versicherungsobligatorium; Träger blieben nach wie vor Vereine.